Primzahlsatz

Primzahlsatz

Der Primzahlsatz erlaubt eine endliche Abschätzung der Verteilung der Primzahlen mittels Logarithmen. Der Zusammenhang zwischen Primzahlen und Logarithmen wurde bereits von dem 15-jährigen Carl Friedrich Gauß 1793 und unabhängig von ihm durch Adrien-Marie Legendre 1798 vermutet, aber erst 1896 unabhängig von Jacques Salomon Hadamard und Charles-Jean de La Vallée Poussin bewiesen.

Inhaltsverzeichnis

Die Primzahlfunktion

Im Weiteren sei π(x) die Primzahlfunktion, die für beliebige reelle Zahlen x definiert ist als die Anzahl der Primzahlen p\leq x. Formal kann man schreiben:

\pi (x) = \# \{p \in \mathbb{P} \mid p \le x\}

Dabei bezeichnet das Symbol \mathbb{P} die Menge der Primzahlen, die Schreibweise \#M steht für die Anzahl der Elemente der Menge M.

Der Primzahlsatz

Der Primzahlsatz besagt:

\lim_{x \to \infty}\frac{\pi(x)}{\frac{x}{\ln(x)}} = 1.

Nennt man zwei reelle Funktionen f(x) und g(x) asymptotisch äquivalent, in Formelschreibweise f(x)∼g(x), wenn der Quotient f(x) / g(x) für x\to\infty gegen 1 konvergiert, so kann man den Primzahlsatz auch so formulieren:

Die Funktionen π(x) und x / ln x sind asymptotisch äquivalent.

Stärkere Formen des Primzahlsatzes

Darstellung von π(x) (blau), x / ln(x) (grün) und Li(x) (rot)

Bessere Approximationen als x / lnx liefert der so genannte Integrallogarithmus, der definiert wird als

 \mathrm{Li}(x) := \int_2^x \frac{\mathrm{d}t}{\ln t}.

(Die Integraldarstellung für Li(x) wird gewählt, weil die Stammfunktion von 1/ln(x) nicht elementar ist.)

Der Integrallogarithmus ist asymptotisch äquivalent zu x / ln x, also auch zu π(x).

Man kann sogar zeigen:

\pi(x) = \mathrm{Li}\,x + \mathcal O \left(x \cdot \exp(-C\sqrt{\ln x} )\right)

mit einer positiven Konstanten C. \mathcal{O}(\cdot) ist dabei ein Landau-Symbol, d.h., es gibt eine Konstante D, so dass

\Big|\pi(x)-\mathrm{Li}\,x \Big| \ <\  D\cdot x \cdot \exp \left(-C\sqrt{\ln x} \right)

für alle x gilt.


Unter Annahme der Riemannschen Vermutung, und nur unter dieser, kann man die Fehlerabschätzung zu

\pi(x) = \mathrm{Li}\,x + \mathcal O \left(\sqrt{x} \cdot \ln x \right)

verbessern.

Geschichte

Adrien-Marie Legendre veröffentlichte 1798 als erster in seiner Théorie des nombres (Abhandlung über Zahlentheorie) unabhängig von Gauß den vermuteten Zusammenhang zwischen Primzahlen und Logarithmen. In der zweiten Auflage dieses Werks 1808 verbesserte er die Abschätzung der Anzahl der Primzahlen π(x) zu ungefähr gleich

\frac{x}{\ln x - 1{,}08366}.[1]

Ein erster Schritt hin zu einem Beweis gelang Pafnuti Lwowitsch Tschebyschow, der 1851 die folgende schwächere Form des Primzahlsatzes zeigte:[2]

0{,}92929 \le \frac{\pi(x)}{\frac{x}{\ln(x)}} \le 1{,}1056

für alle hinreichend großen x, das heißt dass die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe nicht um mehr als ungefähr 10 % nach oben oder unten von der logarithmischen Funktion \frac{x}{\ln x} abweicht. Der englische Mathematiker James Joseph Sylvester, damals Professor an der amerikanischen Johns Hopkins University in Baltimore, verfeinerte 1892 Tschebyschows Methode und zeigte, dass für die Ungleichung bei hinreichend großem x die untere Grenze 0,95695 und die obere Grenze 1,04423 genügt,[3] die Abweichung also maximal nurmehr ungefähr 5 % beträgt.

In seiner berühmten Arbeit Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe (1859) hat Bernhard Riemann den Zusammenhang zwischen der Verteilung der Primzahlen und den Eigenschaften der Riemannschen Zetafunktion aufgezeigt.[4] Der deutsche Mathematiker Hans von Mangoldt bewies 1895 das Hauptresultat der Riemannschen Arbeit, nämlich dass der Primzahlsatz dem Satz äquivalent ist, dass die riemannsche Zetafunktion keine Nullstellen mit Realteil 1 hat.[5] Sowohl Hadamard als auch de la Vallée Poussin haben 1896 die Nichtexistenz solcher Nullstellen bewiesen.[6][7] Ihre Beweise des Primzahlsatzes sind also nicht „elementar“, sondern verwenden funktionentheoretische Methoden. Lange Jahre galt ein elementarer Beweis des Primzahlsatzes für unmöglich, was 1949 durch die von Atle Selberg und Paul Erdős gefundenen Beweise widerlegt wurde (wobei „elementar“ hier keineswegs „einfach“ bedeutet).[8][9] Später wurden noch zahlreiche Varianten und Vereinfachungen dieser Beweise gefunden.

Zahlenbeispiele

Die folgende Tabelle zeigt konkrete Werte der Primzahlfunktion im Vergleich mit den Logarithmen, Legendres Formel sowie dem Integrallogarithmus.
x π(x) π(x) / x x / ln(x) π(x)·ln(x) / x Legendre Li(x)
10 4 0,400000 4 0,921034 8 6
102 25 0,250000 22 1,151292 28 30
103 168 0,168000 145 1,160503 172 178
104 1.229 0,122900 1.086 1,131951 1.231 1.246
105 9.592 0,095920 8.686 1,104320 9.588 9.630
106 78.498 0,078498 72.382 1,084490 78.543 78.628
107 664.579 0,066458 620.421 1,071175 665.140 664.918
108 5.761.455 0,057615 5.428.681 1,061299 5.768.004 5.762.209
109 50.847.534 0,050848 48.254.942 1,053727 50.917.519 50.849.235
1010 455.052.511 0,045505 434.294.482 1,047797 455.743.004 455.055.615
1011 4.118.054.813 0,041181 3.948.131.654 1,043039 4.124.599.869 4.118.066.401
1012 37.607.912.018 0,037608 36.191.206.825 1,039145 37.668.527.415 37.607.950.281
1013 346.065.536.839 0,034607 334.072.678.387 1,035899 346.621.096.885 346.065.645.810
1014 3.204.941.750.802 0,032049 3.102.103.442.166 1,033151 3.210.012.022.164 3.204.942.065.692
1015 29.844.570.422.669 0,029845 28.952.965.460.217 1,030795 29.890.794.226.982 29.844.571.475.288
1016 279.238.341.033.925 0,027924 271.434.051.189.532 1,028752 279.660.033.612.131 279.238.344.248.557
1017 2.623.557.157.654.233 0,026236 2.554.673.422.960.305 1,026964 2.627.410.589.445.923 2.623.557.165.610.822
1018 24.739.954.287.740.860 0,024740 24.127.471.216.847.324 1,025385 24.775.244.142.175.635 24.739.954.309.690.415
1019 234.057.667.276.344.607 0,023406 228.576.043.106.974.646 1,023982 234.381.646.366.460.804 234.057.667.376.222.382
1020 2.220.819.602.560.918.840 0,022208 2.171.472.409.516.259.138 1,022725 2.223.801.523.570.829.204 2.220.819.602.783.663.484
1021 21.127.269.486.018.731.928 0,021127 20.680.689.614.440.563.222 1,021594 21.154.786.057.670.023.133 21.127.269.486.616.126.182
1022 201.467.286.689.315.906.290 0,020147 197.406.582.683.296.285.296 1,020570 201.721.849.105.666.574.218 201.467.286.691.248.261.498
1023 1.925.320.391.606.803.968.923 0,019253 1.888.236.877.840.225.337.614 1,019639 1.927.681.221.597.738.628.080 1.925.320.391.614.054.155.139
1024 18.435.599.767.349.200.867.866 0,018435 18.095.603.412.635.492.818.797 1,018789 18.457.546.327.619.878.007.916 18.435.599.767.366.347.775.144

Die Größe π(x) / x heißt Primzahldichte.

Vergleicht man Li(x) mit den Werten von π(x) in der Tabelle, scheint es so, als ob stets Li(x) > π(x) gelten würde. Tatsächlich wechselt die Differenz Li(x) − π(x) bei größer werdendem x das Vorzeichen unendlich oft, wie J. E. Littlewood 1914 zeigen konnte.[10] Die gaußsche Formel unterschätzt also die Anzahl der Primzahlen in einem hinreichend großen Zahlenbereich, den Stanley Skewes 1933 mit der nach ihm benannten Skewes-Zahl nach oben abschätzen konnte.[11] Russell Sherman Lehman stellte 1966 einen wichtigen Satz über die obere Grenze auf und konnte sie auf eine „handhabbare“ Größe von 1,165·101165 drücken.[12] Unter Verwendung des Lehmanschen Satzes gelang es dem niederländischen Mathematiker Herman te Riele 1986 zu zeigen, dass es mehr als 10180 aufeinanderfolgende Zahlen x im Intervall zwischen 6,627·10370 und 6,687·10370 gibt, für die π(x) > Li(x) ist.[13] Den derzeit besten untersten Wert, ebenfalls ausgehend von den Ergebnissen Lehmans, ermittelten im Jahr 2000 die beiden Mathematiker Carter Bays und Richard Hudson, die zeigten, dass ein solcher von Littlewood bewiesener Wechsel in der Umgebung von 1,39822·10316 (wahrscheinlich) zum ersten Mal auftritt.[14]

Literatur

  • E. Freitag, R. Busam: Funktionentheorie. 3. Aufl., Springer-Verlag, Berlin 2000. ISBN 3-540-67641-4
  • G. H. Hardy, E. M. Wright, An Introduction to the Theory of Numbers, 5. Auflage, Oxford University Press, Oxford 1979. ISBN 0-19-853171-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Adrien-Marie Legendre: Théorie des nombres. Paris: Didot, 31830, Bd. 2, S. 65-70 (D'une loi très-remarquable observée dans l'énumération des nombres premiers).
  2. Pafnuti Lwowitsch Tschebyschew: Sur la fonction qui détermine la totalité des nombres premiers inférieurs à une limite donnée. In: Mémoires présentés à l'Académie Impériale des sciences de St.-Pétersbourg par divers savants 6 (1851), S. 141-157. Auch in: Journal de mathématiques pures et appliquées 1. F., 17 (1852), S. 341-365. Nachdruck in Andrej Andrejewitsch Markoff; Nikolai Jakowlewitsch Sonin (Hgg.): Œuvres de P. L. Tchebychef. Bd. 1. St. Petersburg: Akademie, 1898, S. 27-48.
  3. James Joseph Sylvester: On arithmetical series. In: Messenger of Mathematics 21 (1892), S. 1-19, 87-120. Nachdruck in Henry Frederick Baker (Hg.): The Collected Mathematical Papers of James Joseph Sylvester. 4 Bde. Cambridge: University Press, 1904-1912, Bd. 4 (1912), S. 687-731.
  4. Bernhard Riemann: Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe. In: Monatsberichte der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1859), S. 671-680. Vgl. auch Wilhelm Scheibner: Ueber die Anzahl der Primzahlen unter einer beliebigen Grenze. In: Archiv der Mathematik und Physik 5 (1860), S. 233-252.
  5. Hans von Mangoldt: Zu Riemanns Abhandlung „Ueber die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Grösse“. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik 114 (1895), S. 255-305.
  6. Jacques Hadamard: Sur la distribution des zéros de la fonction ζ(s) et ses conséquences arithmétiques. In: Bulletin de la Société Mathématique de France 24 (1896), 199-220.
  7. Charles de La Vallée Poussin: Recherches analytiques de la théorie des nombres premiers. In: Annales de la Société Scientifique de Bruxelles 20 B (1896), S. 183-256, 281-352, 363-397, 21 B (1897), S. 351-368.
  8. Atle Selberg: An elementary proof of the prime-number theorem. In: Annals of Mathematics 50 (1949), Nr. 2, S. 305-313.
  9. Paul Erdős: On a new method in elementary number theory which leads to an elementary proof of the prime number theorem. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 35 (1949), S. 374-384.
  10. John E. Littlewood: Sur la distribution des nombres premiers. In: Comptes Rendus de l'Académie des Sciences 158 (1914), S. 1869-1872.
  11. Stanley Skewes: On the difference π(x)–Li(x). In: Journal of the London Mathematical Society 8 (1933), S. 277–283; On the difference π(x)–Li(x) (II). In: Proceedings of the London Mathematical Society 5 (1955), S. 48–70.
  12. Russell Sherman Lehman: On the difference π(x)–li(x). In: Acta Arithmetica 11 (1966), S. 397-410.
  13. Herman J. J. te Riele: On the Sign of the Difference π(x)–li(x). In: Mathematics of Computation 48 (1987), S. 323-328. Vgl. Chris K. Caldwell: How many primes are there?, Kap. 3, History of the Prime Number Theorem.
  14. Carter Bays; Richard H. Hudson: A new bound for the smallest x with π(x) > li(x). In: Mathematics of Computation 69 (2000), Nr. 231, S. 1285-1296.

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