Potsdam-Babelsberg

Potsdam-Babelsberg
Lage von Potsdam-Babelsberg bei Berlin

Babelsberg ist der größte Stadtteil Potsdams und heute vor allem als Medienstandort bekannt. Im Stadtteil befinden sich das Filmstudio, der Filmpark, der Hauptsitz des RBB und der Sitz der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam (HFF). Bedeutung über die Grenzen Potsdams hinaus hat Babelsberg auch durch den Park Babelsberg mit dem namensgebenden Berg (früher auch Pavelberg, Boberow, Babertsberg), durch den bis 1938 eigenständigen und heute eingegliederten Ort Nowawes, durch das Schloss Babelsberg und weitere historische Bauten sowie sein um 1900 entstandenes Villenviertel Neubabelsberg.

Inhaltsverzeichnis

Geomorphologie

Ein kleiner Teil des sandigen Babelsberges – in etwa der Bereich, der auf der Karte von dem roten Punkt bedeckt wird – gehört seit 1920 zur Stadt Berlin. Vgl. Steinstücken, Kohlhasenbrück

Geschichte

Die ehemalige Berliner Gerichtslaube im Park Babelsberg
Der Flatowturm im Park Babelsberg

Die erste Ansiedlung auf dem Gebiet des heutigen Potsdamer Stadtteils Babelsberg war das auf einer Erhebung in der Nutheniederung gelegene Dorf Neuendorf (slawisch Nova Ves, wodurch sich die spätere Bezeichnung Nowawes erklärt), ein Rundplatzdorf mit einer Kirche auf dem Anger. Diese Siedlungsform ist als frühdeutsche Siedlung aus einem slawischen Rundweiler hervorgegangen.

Der im Landbuch Kaiser Karls IV. 1375 erwähnte Ort wurde mehrfach verpfändet und im Dreißigjährigen Krieg stark beschädigt. Erst ab 1750 kamen neue Ansiedler. Friedrich II. ließ ein Kolonistendorf an der Perepherie zwei königlicher Landstraßen bauen, deren winklige Anordnung zueinander dem neuen Dorf eine Dreicksform verlieh. Die eingewanderten böhmischen Weber nannten ihre, neben Neuendorf angelegte, Siedlung "Nowawes" (böhmisch Übersetzung von "Neuendorf"). Beide Ort blieben bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts selbständige Gemeinden - Neuendorf, mit seinen deutschen Bauern und Nowawes mit seinen (hauptsächlichen) böhmischen Webern. Im Jahr 1907 vereinten sich beide Gemeinden zur Landgemeinde Nowawes. Der Name verschwand langsam aber stetig aus dem Gemeindebild. Die Lehmfachwerkbauten wurden um 1850 durch massive Häuser ersetzt. Auf dem alten Dorfplatz, dem Neuendorfer Anger, südlich einer alten Fachwerkkirche (erbaut 1585) wurde 1850 bis 1852 ein vom Bauinspektor Christian Heinrich Ziller nach dem Vorbild der Gereonskirche in Köln entworfener achteckiger Backsteinbau (Oktogon, seit 1998 im Wiederaufbau) erbaut. Durch die rasant wachsenden Bevölkerungszahlen erwies sich der unverputzte gelbe Bau, der nach den Ideen Friedrich Wilhelms IV. errichtet wurde, jedoch schnell als zu klein. 1898/1899 entstand an der Stelle der alten Fachwerkkirche ein neuer Kirchbau nach den Plänen von Ludwig von Tiedemann, die neugotische Bethlehemkirche. Infolge der starken Kriegsbeschädigungen wurden die Reste der Bethlehemkirche sowie des angrenzenden 55 Meter hohen Glockenturms 1952 gesprengt. Der Grundriss der Bethlehemkirche ist durch in den Rasen des Angers eingefügte Ziegelsteine sichtbar gemacht worden. Im November 2002 wurde das Richtfest der wiederhergerichteten alten achteckigen Neuendorfer Kirche gefeiert. Trotz der noch nicht abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten wird das Gebäude derzeit bereits für Konzerte, Christvespern und Ausstellungen genutzt.

Das Rathaus wurde nach einem Entwurf von Otto Kerwien 1898/1899 erbaut. Nowawes erhielt 1924 Stadtrecht. 1862 erhielt Neuendorf und Nowawes eine eigene Bahnstation. Ab Ende des 19. Jahrhunderts entstand zwischen Nowawes und dem Griebnitzsee die Villenkolonie Neubabelsberg. Nowawes und Neubabelsberg wurden 1938 zu einer Stadt zusammengeschlossen. Dabei wurde der böhmische Name „Nowawes“ aus dem Stadtbild getilgt. Die Stadt hieß von nun an „Babelsberg“ und wurde 1939 mit Potsdam vereinigt.

Im Rahmen der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 quartierten sich Josef Stalin, Harry S. Truman und Winston Churchill in der Villenkolonie Neubabelsberg ein. Potsdam-Babelsberg hatte eine direkte Grenze zu West-Berlin, deshalb verliefen Teile der Berliner Mauer auch an der Grenze zu Babelsberg. Bemerkenswert ist die dauerhafte, westliche Exklave Berlin-Steinstücken, diese war während der deutschen Teilung bis zu einem Gebietsaustausch 1971 von Babelsberger Gebiet umschlossen, gehörte aber zu West-Berlin.

Wirtschaftsgeschichte

Weberkolonie

Weberhaus

Nordöstlich des alten Dorfes gründete Friedrich der Große 1751 für evangelische Böhmen eine Weber- und Spinnerkolonie (Weberviertel), die nach der Herkunft ihrer Bewohner mit dem böhmischen Namen „nowa wes“ (= dt. „neues Dorf“) benannt wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Nowawes zum Industriestandort. Die vor allem an der Nuthe und an der Eisenbahnstrecke Berlin–Potsdam entstehende Textilindustrie führte bald zu einer Verschmelzung mit dem alten Dorf Neuendorf, die 1904 auch verwaltungstechnisch vollzogen wurde. 1924 wurde Nowawes Stadt. 1938 kam die Villenkolonie Neubabelsberg hinzu. 1939 wurde Babelsberg an Potsdam angegliedert.

Lokomotiven aus Babelsberg

Lok der früheren DR-Baureihe V 100

Mit der Entwicklung der Industrie im Großraum Berlin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten sich auch im Umland Zweigwerke an. In der Nähe des Bahnhofs Drewitz baute die Berliner „Märkische Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel OHG“ 1899 ein Zweigwerk mit einer umfangreichen Kesselschmiedeanlage. Die des Öfteren so bezeichnete „Drewitzer Lokomotivenfabrik“ lag allerdings nicht im benachbarten Stadtteil Drewitz, sondern auf Babelsberger beziehungsweise seinerzeit Neuendorfer Gelände. Unter der Bezeichnung „AG für Feld- & Kleinbahnen-Bedarf, vormals Orenstein und Koppel“ war das Werk bis zum Zweiten Weltkrieg der große Hersteller für Feldbahn- und Baulokomotiven. So wurden u.a. Einheitslokomotiven der Baureihen 44 und 50 und die Kriegslokomotive der Baureihe 52 in Babelsberg gebaut.

Unter dem Namen LKM „LOWA Lokomotivbau Karl Marx, Babelsberg“ setzte das Werk 1947, zur DDR-Zeit als Volkseigener Betrieb, die Produktion fort. Darunter waren beispielsweise Diesellokomotiven der DR-Baureihen V 100 und der V 180. 1964 kam es zur teilweisen Einstellung des Lokomotivbaus, die letzte Lieferung einer Diesellokomotive erfolgte 1976. Parallel kam es zur grundlegenden Änderung der Produktionslinie, das Werk erhielt den neuen Namen „VEB Kombinat Luft- und Kältetechnik, Betrieb Karl Marx, Babelsberg“. Nach erneuter Produktionsumstellung wurden ab 1976 unter dem Namen „VEB Maschinenbau Karl Marx“ Autodrehkräne hergestellt.

Heute befindet sich auf dem Industriegelände ein Gewerbepark.

Die im Eisenbahnbau deutschlandweit einmalige Fabrik lieferte:

  • zwischen 1899 und 1945 rund 13.000 Dampflokomotiven,
  • zwischen 1930 und 1943 rund 1.500 Diesellokomotiven,
  • zwischen 1947 und 1976 als „LKM“ rund 7.800 Lokomotiven beider Typen.

Bahnhöfe

Babelsberg hat drei Bahnhöfe. Zwei davon liegen an der Stammbahn und werden von der S-Bahnlinie S7 bedient: Babelsberg (bis 1938 Nowawes) und Griebnitzsee (früher Kohlhasenbrück, 1938 bis 1949 Babelsberg-Ufastadt) mit Anbindung an die Regionalbahnlinie RB 21. Ein dritter Bahnhof liegt an der Wetzlarer Bahn: Medienstadt Babelsberg, früher Drewitz, hier verkehren der Regionalexpress RE 7 und die Regionalbahnlinie MR 33 (Märkische Regiobahn).

Wissenschaft

In Babelsberg befinden sich drei Standorte der Universität Potsdam, der Sitz der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam (HFF) „Konrad Wolf“, das Astrophysikalische Institut Potsdam (AIP), sowie das Hasso-Plattner-Institut (HPI).

Sehenswürdigkeiten

Goethe-Schule
Rathaus Babelsberg
Historisches Gebäude aus der Gründerzeit mit aufwändiger Fassadengestaltung

Auch neben dem Schloss, dem Park Babelsberg und Flatowturm gibt es in Babelsberg viele Sehenswürdigkeiten und eine große architektonische Vielfalt. Hierbei sticht besonders das Babelsberger Rathaus im Stil der Backsteingotik hervor. Es wurde 1899 nach Plänen von Otto Kerwien erbaut und prägt seitdem den Stadtteilkern. Ebenso auffällig ist der südlich gelegene Ziegelbau der Goethe Schule, der in seiner gesamten Form ziemlich einzigartig ist.

Im gesamten Stadtteil sind viele historische Gebäude aus der Gründerzeit erhalten geblieben. Sie umfassen alle Stile des damals dominierenden Historismus. Nach dem Ende der DDR wurden viele Lücken zwischen den Gründerzeitbauten mit postmodernen Gebäuden gefüllt. Hierbei wurde beachtet die Neubauten in Form und Fassadengestaltung den historischen Wohnhäusern anzupassen. In ganz Babelsberg, aber besonders im Weberviertel und auf der Karl-Liebknecht-Straße, sind alte Weberhäuser zu finden. Hauptsächlich in Südbabelsberg gibt es typische Bauten der klassischen Moderne, die mittlerweile größtenteils saniert worden.

Im Villenviertel Neubabelsberg stehen die bekannte Stalin-, Guggenheim-, Churchill- und Truman-Villa. Außerhalb von diesen sind von modernen Villen, über vereinzelt stehende Fachwerkhäuser, bis einfach gestaltete Einfamilienhäuser aus der DDR-Zeit, fast alle Baustile zu finden.

Fast alle der fünf Kirchen in Babelsberg (Alte Neuendorfer Kirche, Friedrichskirche, Oberlinkirche, Kapelle Klein-Glienicke, St.-Antonius-Kirche) entstammen der Zeit der Neugotik. Nur die St.-Antonius-Kirche ist ein moderner Kirchenbau aus dem Jahre 1934.

Medien

Babelsberg war bereits in den 1920er Jahren ein bekannter Medienstandort. Viele deutsche Filmklassiker der Ufa wurden in den Babelsberger Filmstudios gedreht. Für ihre Zwecke der Propaganda nutzten die Nationalsozialisten ab 1933 die Ufa-Studios unter der Federführung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Goebbels. Bald schon wurde der „Schirmherr des deutschen Films“ wegen seiner zahlreichen Liebschaften ironisch als „Bock von Babelsberg“ bezeichnet. Am 24. April 1945 besetzte die Rote Armee das Babelsberger Filmgelände. In der DDR-Zeit übernahm die staatliche DDR-Filmgesellschaft DEFA die Studios, die heute auch für einige Hollywood-Produktionen attraktiv sind. Babelsberg wurde zu DDR-Zeiten im Volksmund als Honnywood bezeichnet (Verknüpfung von Hollywood und Erich Honecker)

Nach der Wende wurde mit einem enormen Investitionsaufwand die Medienstadt Babelsberg errichtet. Auf dem 46 Hektar großen Gelände befindet sich ein Produktionsstandort des RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg, ehemals ORB) mit mehreren Rundfunk- und Fernsehstudios sowie 16 Studios wie zum Beispiel das Filmstudio Babelsberg. Außerdem das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) und kleinere Medienunternehmen für Film und Fernsehen. Mit dem Filmpark Babelsberg verfügt der Stadtteil von Potsdam über einen Vergnügungspark zum Thema Film und Fernsehen. Insgesamt sind mehr als 130 Firmen am Medienstandort Babelsberg angesiedelt.

Museen

  • Berliner S-Bahn-Museum

Fußball

Babelsberg ist Sitz der Fußballvereine SV Babelsberg 03 (ursprünglich Nowawes 03) und FSV Babelsberg 74. Im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion trägt außerdem der Frauenfußballclub 1. FFC Turbine Potsdam seine Spiele aus.

Quellen, Literatur, Weblinks

Literatur

  • Karin Carmen Jung: Die Böhmische Weberkolonie Nowawes 1751-1767 in Potsdam-Babelsberg, Bauliche und städtebauliche Entwicklung, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, ISBN 3-7759-0407-7
  • Filmmuseum Babelsberg: Babelsberg - Gesichter einer Filmstadt, Henschel Verlag Berlin. ISBN 3-89487-508-9
  • Paul Sigel, Silke Dähmlow, Frank Seehausen und Lucas Elmenhorst, Architekturführer Potsdam, Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-496-01325-7.
  • Herbert Knoblich, Almuth Püschel et al.: Neuendorf – Nowawes – Babelsberg. Stationen eines Stadtteils. Geiger-Verlag: Potsdam 2008 ISBN 9783895706530

Weblinks


52.3926313.112187Koordinaten: 52° 24′ N, 13° 7′ O


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