Portativ

Portativ
Portativ vom Kreuzaltar des Bartholomäusmeisters um 1490/1495
Portativ, Deutschland, 1979 (Nachbau)

Das Portativ (v. lat. portare „tragen“) gehört neben dem Regal zu den kleinsten (Pfeifen-)Orgeln.

Inhaltsverzeichnis

Bauart, Klang und Spielweise

Im Gegensatz zum Regal, das Zungenpfeifen besitzt, ist das Portativ ausschließlich mit Lippenpfeifen ausgestattet. Bei vielen Portativen sind die Pfeifen in Fixmensur ausgeführt, das heißt, alle Pfeifen haben den gleichen Durchmesser, wodurch sich über den Tonumfang ein leicht changierender Klang ergibt.

Von allen größeren (Pfeifen-)Orgeltypen einschließlich des Orgelpositivs unterscheidet sich das Portativ durch den geringeren Tonumfang, der zwei Oktaven kaum überschreitet, und das Fehlen der Möglichkeit, es zu „registrieren“, das heißt durch das Ziehen, Abstoßen und Kombinieren verschiedener Pfeifenreihen unterschiedliche Klangfarben zu erzeugen. Teilweise sind die Portative mit zusätzlichen Bordunpfeifen ausgestattet, die einzeln zuschaltbar sind und tiefer klingen als die Melodiepfeifen und aus Platzgründen daher meist als gedeckte Pfeifen ausgeführt sind.

Ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Orgeltypen einschließlich des Regals ist auch die Position der Klaviatur im Verhältnis zum Spieler. Der Spieler stellt das Portativ im Sitzen auf seinen Schoß, oder er trägt es im Stehen an einem Riemen über seiner Schulter. Er bedient die Klaviatur ausschließlich mit der rechten Hand, während er mit der linken Hand die Bälge betätigt, die den Pfeifen Wind zuführen. Der Spieler (Portatifer) sitzt so im Vergleich zu allen anderen Orgeltypen nicht direkt vor der Klaviatur sondern in einem rechten Winkel zu ihr.

Das äußere Erscheinungsbild des Portativs ist stets unsymmetrisch. Die Pfeifen sind in der Folge der chromatischen Tonleiter angeordnet und stehen im kürzestmöglichen Abstand zur jeweiligen Taste der Klaviatur auf der Windlade. Die Spielmechanik ist deshalb denkbar einfach konstruiert: Kleine Stifte unter der Klaviatur, die so genannten Stecher, wirken direkt auf die Spielventile unter den Pfeifen.

Historische Einordnung

Das Portativ ist ein historisches Musikinstrument, das seine Blütezeit im Mittelalter und in der Renaissance hatte. Im Barock wurde es aus der Musizierpraxis verdrängt. Obwohl das Portativ auf vielen Werken der Malerei und der bildenden Kunst als Musikinstrument dargestellt ist, das von Engeln gespielt wird, wurde es kaum in der Kirchenmusik verwendet. Die meisten Portativspieler waren Spielleute.

Seit der Wiedereinführung des klassischen Windladensystems, der mechanischen Schleiflade, in den 1930er Jahren wird das Portativ wieder häufig gebaut, und zwar als Gesellenstück von Orgelbauern, die an diesem kleinen und im Vergleich zur großen Orgel viel preisgünstiger herstellbaren Instrument alle wesentlichen handwerklichen Fähigkeiten des Orgelbauers beweisen können.

Als moderne Variante des Portativs gibt es seit 2002 das tonhöhenverstellbare Portativ, das eine Stimmvorrichtung für jede einzelne Pfeife besitzt. Es wird vor allem in der Musikausbildung eingesetzt und dient dem Erlernen einer sauberen Intonation sowie dem Verständnis historischer Stimmungssysteme.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Hickmann: Das Portativ. Ein Beitrag zur Geschichte der Kleinorgel. Bärenreiter, Kassel 1972, ISBN 3-7618-0400-8 (Repr. d. Ausg. Kassel 1936)

Weblinks


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