Polyalphabetische Substitution

Polyalphabetische Substitution

Polyalphabetische Ersetzungschiffren (von griechisch: πολλοί (polloi) = „viele“ und αλφάβητο (alphabeto) = „Alphabet“) bezeichnen in der Kryptographie Formen der Textverschlüsselung, bei der einem Buchstaben/Zeichen jeweils ein anderer Buchstabe/Zeichen zugeordnet wird. Im Gegensatz zur monoalphabetischen Substitution werden für die Zeichen des Klartextes mehrere Geheimtextalphabete verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Caesar-Verschlüsselung mit fortschreitender Quelle

Diese einfache Verschlüsselungsmethode arbeitet ähnlich wie das Caesar-Verfahren mit dem Unterschied, dass das aktuelle Klartextzeichen je nach dessen Position im Klartextstrang im Alphabet verschoben wird, wobei man gegebenenfalls wieder am Anfang beginnt. So einfach, wie dieses Verfahren ist, lässt sich auch der Geheimtext schnell entschlüsseln, indem man die Zeichen je nach ihrer Position in die andere Richtung im Alphabet verschiebt.

Vigenère-Verschlüsselung

Die im 16. Jahrhundert entstandene Vigenère-Verschlüsselung (nach Blaise de Vigenère) galt lange als sicherer Chiffrieralgorithmus („Le Chiffre indéchiffrable“, deutsch: „Die unentzifferbare Verschlüsselung“).[1] Ein Schlüsselwort bestimmt, wie viele und welche Alphabete genutzt werden. Die Alphabete leiten sich aus der Caesar-Substitution ab.

Dem britischen Mathematiker Charles Babbage gelang um das Jahr 1854 erstmals die Entzifferung einer Vigenère-Chiffre. Diese Entdeckung wurde jedoch damals nicht öffentlich bekannt gemacht. Der preußische Offizier Friedrich Kasiski veröffentlichte im Jahr 1863 seine Lösung und ging damit in die Geschichte ein.

Beispiele

Das Schlüsselwort sei „AKEY“, der Text „geheimnis“. Vier Caesar-Substitutionen verschlüsseln den Text. Die erste Substitution ist eine Caesar-Verschlüsselung mit dem Schlüssel „A“. „A“ ist der erste Buchstabe im Alphabet. Er verschiebt den ersten Buchstaben des zu verschlüsselnden Textes, das „g“, um 0 Stellen, es bleibt „G“. Der zweite Buchstabe des Schlüssels, das „K“, ist der elfte Buchstabe im Alphabet, er verschiebt das zweite Zeichen des Textes, das „e“, um zehn Zeichen. Aus „e“ wird ein „O“ (siehe Tabelle). Das dritte Zeichen des Schlüssels („E“) verschiebt um 4, „Y“ um 24 Stellen. Die Verschiebung des nächsten Buchstabens des Textes beginnt wieder bei „A“, dem ersten Buchstaben des Schlüssels:

Text:       geheimnis
Schlüssel:  AKEYAKEYA
Chiffrat:   GOLCIWRGS
Vigenère-Quadrat
  Text  
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z 

S
c
h
l
ü
s
s
e
l
A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
Z

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A
C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B
D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C
E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D
F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E
G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F
H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G
I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H
J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I
K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J
L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K
M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L
N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M
O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N
P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O
Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P
R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q
S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R
T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S
U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T
V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U
W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V
X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W
Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X
Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y


G
e
h
e
i
m
t
e
x
t

Mithilfe des Vigenère-Quadrats gelingt die Verschlüsselung noch einfacher: Wieder seien das Schlüsselwort „AKEY“ und der Text "geheimnis“. Damit ist jedem Buchstaben des Texts ein Buchstabe des Schlüssels zugeordnet, etwa dem "G" des Texts das "A" des Schlüssels. Nun sucht man die Reihe des Schlüssel-Buchstabens (hier die A-Reihe) und die Spalte des zu verschlüsselnden Buchstabens (hier die G-Spalte) auf, man erhält "G". Beim zweiten Buchstaben des Texts, dem E, sucht man die K-Reihe (Schlüssel) und die E-Spalte (Text) auf und erhält ein "O". Auf diese Weise dient das Quadrat als optische Hilfe, um die Verschlüsselung einfacher zu gestalten.

Kryptoanalyse

Schlüsselwörter, die im Verhältnis zum Text relativ kurz sind, bieten kaum Sicherheit. Die Länge des Schlüssels lässt sich herausfinden, indem der Text mit sich selbst (um n Stellen verschoben) korreliert und das n mit dem größten Korrelationswert ermittelt wird. Ist somit die Schlüssellänge (Periode) n bekannt, reduziert sich die Kryptoanalyse der Vigenère-Verschlüsselung auf die der Caesar-Verschlüsselung: alle ersten, zweiten, …, n-ten Buchstaben einer Periode gehören jeweils zur selben Caesar-Verschlüsselung und eine Häufigkeitsanalyse verrät die Buchstabenzuordnung.

Bei einem Text, der nur aus der Wiederholung eines Zeichens besteht, zeigt sich die Periode unmittelbar im Geheimtext. Ein normaler Text weist ausreichend Redundanzen auf, so dass ab einer gewissen Länge des Textes im Vergleich zum Schlüssel auch hier die Periode abgeleitet werden kann (Kasiski-Test, Friedman-Test).

Text:          eeeeeeeeeeeee
Schlüssel:     AKEYAKEYAKEYA
Cyphertext:    eoiceoiceoice

Auf diese Weise bekommt man recht schnell die Schlüssellänge des verschlüsselten Textes heraus. Jetzt muss nur noch der Geheimtext spaltenweise zerlegt werden. Die Spalten, welche mit demselben Buchstaben verschlüsselt wurden, werden zusammengefasst. Die entsprechende Alphabetverschiebung der einzelnen Teiltexte löst man nun mittels Häufigkeitsanalyse.

Weist der Text keine oder nur wenige Redundanzen auf, beispielsweise weil er kurz ist, lässt sich die Schlüssellänge nicht mit dem Kasiski-Test herausfinden. Unter der Voraussetzung, dass es sich bei dem Schlüssel um ein Wort aus einem Wörterbuch handelt und auch der Plaintext mit einem Wort beginnt, lässt sich jedoch durch geschicktes Aussortieren unwahrscheinlicher n-Gramm-Paare in vielen Fällen der Schlüssel finden. Dazu werden zuerst Plaintext/Schlüssel-Kombinationen bewertet, ohne dass es eine Rolle spielt, was davon Plaintext bzw. Schlüssel ist. Die Anzahl der Möglichkeiten wird so bereits im ersten Schritt von 26 auf 13 halbiert (N/E→R und E/N→R). Alle dann noch verbleibenden n-Gramm-Paare werden nun gemäß ihrer Wahrscheinlichkeit, am Anfang eines Wortes zu stehen, gewichtet. Ist mindestens eines der n-Gramme äußerst unwahrscheinlich an einem Wortanfang, wird das ganze Paar verworfen. Beispiel: EIN/TKX und alle diesem Zweig folgenden 4-Gramme können verworfen werden, da TKX als Beginn einer Nachricht/Schlüssel als extrem unwahrscheinlich erachtet wird. Meist zeigt sich bereits ab Tetragrammen, dass die Anzahl der übrig gebliebenen Paare so stark reduziert wurde, dass eine Überprüfung aller restlichen Möglichkeiten machbar ist. Es bleiben statt 456.976 (= 26^4 bei Tetragrammen) meist nur ca. einhundert sinnvolle Möglichkeiten übrig. Anhand eines Wörterbuches können nun alle Wörter, die mit diesen Tetragrammen beginnen, als Schlüssel ausprobiert werden, bis sich ein schlüssiger Plaintext ergibt. Eine ausführliche Beschreibung wurde 2008 veröffentlicht[2] und ist in CrypTool v1.4.30 implementiert.

Einzig ein Text aus statistisch gleich verteilten, unsinnigen Buchstabenfolgen wäre einem Ciphertext-only-Angriff nicht ohne Weiteres zugänglich.

Autokey-Verschlüsselung

Die Autokey-Vigenère-Verschlüsselung (auch als Vigenère-Selbstschlüssel-Verfahren bekannt), ebenfalls von Blaise de Vigenère in „Le Chiffre indéchiffrable“ veröffentlicht[1], vermeidet die Periodizität des Schlüsselwortes indem sie den Schlüssel durch Anhängen des Klartextes verlängert:

Text:          geheimnis
Schlüsselwort: AKEY 
Schlüssel:     AKEYGEHEI  
Cyphertext:    GOLCOQUMA

Gegen Known-Plaintext-Angriffe ist das Verfahren natürlich ebenso anfällig, wie die Standard-Vigenère-Verschlüsselung. Bei Ciphertext-only-Angriffen gestaltet sich die Kryptoanalyse allerdings aufwändiger als beim Standardverfahren. Es gibt dazu aber trotzdem verschiedene Ansätze. So macht man sich zu Nutze, dass bestimmte N-Gramme in der natürlichen Sprache gehäuft auftreten. Diese versucht man nun als Schlüssel an allen möglichen Stellen einzusetzen. Erhält man dadurch sinnvoll klingende Klartextsilben, hat man zum einen den wahrscheinlichen Klartext an dieser Stelle, damit aber auch den Schlüssel für eine Folgestelle und aus der eingesetzten Schlüsselsilbe selbst den Klartext einer vorherigen Stelle gefunden. Es ist dann nur noch die Länge der Verschiebung (Schlüsselwortlänge) zu ermitteln, um die passenden Stellen zum Einsetzen zu finden. Damit kann man dann wiederum weitere Teile des Schlüssels und des Klartextes generieren usw.[3] Eine andere Möglichkeit ist das Ausnutzen verschiedener Häufigkeiten für die einzelnen Buchstaben in der natürlichen Sprache. Wenn man einen Buchstaben des Geheimtextes betrachtet, so kann dieser aus verschiedenen Kombinationen von Buchstaben im Klartext und Schlüssel gebildet worden sein. Allerdings sind nicht all diese Kombinationen in der natürlichen Sprache gleichwahrscheinlich. Falls man die passende Kombination so errät, hat man im Abstand der Schlüsselwortlänge wieder Teile des vorhergehenden Klartextes bzw. des nachfolgenden Schlüsseltextes zu Verfügung, um weitere Buchstaben des Geheimtextes zu entschlüsseln usw.[4]

Vernam

Der Spezialfall, dass der Schlüssel genauso lang ist wie der zu verschlüsselnde Text, heißt Vernam-Verschlüsselung, wobei der Schlüssel XOR mit dem Klartext verknüpft wird. Handelt es sich bei dem Schlüssel um eine zufällige Folge von Buchstaben, und wird der Schlüssel nur ein einziges Mal verwendet, nennt man das Verfahren auch One-Time-Pad. Bei diesem ist eine Dechiffrierung ohne Kenntnis des korrekten Schlüssels absolut unmöglich, was auch mathematisch bewiesen ist.

Rotor-Maschinen

Bei der Vigenère-Verschlüsselung bestimmt das Schlüsselwort die Zahl und Auswahl der Chiffrier-Alphabete. Gleiches leisten Walzen oder Räder, auf die die Buchstaben des Alphabets eingraviert sind. Richtig zueinander orientiert, liest man an ihnen unmittelbar den chiffrierten Text ab.

Kommt man überein, bei jedem Buchstaben die Stellung der Walzen zueinander zu verändern, lässt sich die Zahl der zur Verfügung stehenden Alphabete um ein Vielfaches erhöhen (siehe Enigma, Fialka).

Siehe auch

Literatur

  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptographie. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6, S. 46.
  • Jörn Müller-Quade: Hieroglyphen, Enigma, RSA - Eine Geschichte der Kryptographie. Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe. Abgerufen: 28. Mai 2008. PDF; 2,1 MB

Weblinks

Wikibooks Wikibooks: Geheimschriften – Lern- und Lehrmaterialien

Belege

  1. a b Jörn Müller-Quade: Hieroglyphen, Enigma, RSA  - Eine Geschichte der Kryptographie. Fakultät für Informatik der Universität Karlsruhe, S. 36. Abgerufen: 28. Mai 2008. PDF; 2,1 MB
  2. Cryptologia (Volume 32, Issue 4, Oktober 2008)
  3. Vigenère-Autokey-Verfahren. Stina Bridgeman: Code Making and Code Breaking. Abgerufen am 21. Dezember 2009. PDF, 88 KB, eng.
  4. Klassische Kryptographie. Hans Werner Lang: Kryptografie. Abgerufen am 21. Dezember 2009.

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