Auge der Vorsehung

Auge der Vorsehung
Christliches Auge der Vorsehung, durch das die Trinität repräsentierende Dreieck hervorgehoben.

Das Auge der Vorsehung (auch Allsehendes Auge, Auge Gottes) ist ein Symbol, welches gewöhnlich als das alle Geheimnisse durchdringende Allsehende Auge Gottes interpretiert wird und den Menschen an die ewige Wachsamkeit Gottes mahnen soll.

Dargestellt wird es als ein von einem Strahlenkranz umgebenes Auge und ist meist von einem Dreieck umschlossen. Dieses Dreieck schließt auch die Aspekte mit ein, die der Zahl Drei nachgesagt werden, die von Alters her als Annäherung an die Kreiszahl bekannt war[1] und daher als heilige göttliche Zahl galt.

Inhaltsverzeichnis

Symbolik

Das Auge als Organ der sinnlichen Wahrnehmung ist das Sinnbild des Lichts, der Sonne und des Geistes. Es symbolisiert als Instrument des seelisch-geistigen Ausdrucks die geistige Schau und ist der Spiegel der Seele. Das rechte Auge steht für Aktivität, die Zukunft und die Sonne, das linke für Passivität, Vergangenheit und den Mond.

Ursprung

Das Sonnenauge

Beide Augen: Links das Auge des Re, rechts das Horusauge

In der frühen ägyptischen Mythologie wurde das Sonnenauge des Re beispielsweise in oder über einer Abbildung einer nach Osten orientierten Scheintür angebracht. Diese Symbolik wird im Nutbuch oft verwendet. Der Sonnengott Re nimmt kurz vor Sonnenaufgang die Gestalt eines Falken an. Damit schlüpft Re in die Rolle von „Horus im Horizont”.

Dass Re tatsächlich als Horus verstanden wird, zeigt die spätere Nennung von Osiris als „seinen Vater”. Das Auftreten als „Horus im Horizont” ist mit dem Vorgang der Wiedergeburt verbunden. Nach den Vorstellungen aufgrund der altägyptischen Religion durchschritt der Verstorbene die Scheintür, um ähnlich wie Re täglich wiedergeboren zu werden.

In der indischen Mythologie taucht das Sonnenauge in Form der Gottheit Surya auf, im Zoroastrismus als Auge des Mithras.

Das Mondauge

Im Alten Reich rückte der Mondgott Thot an die zweite Stelle hinter Re und ist mit den Bezeichnungen „Wesir des Re”, „Schreiber des Re” und „Kind von Re” belegt.[2] Thot erhielt als Mond selbst die Nebenbezeichnung „Silberne Sonne” und war zugleich Herr des Mondauges.

Hintergrund für die Rolle als „Beschützer und Retter des Mondauges” bildet der Osiris-Mythos: Er fand das verschwundene verletzte Auge wieder und heilte es. Besonders deutlich werden seine Parallelen im Vergleich als kosmisches Wesen: „Thot als Licht- und Mondgott entsteht aus dem dunklen Chaos des Seth”. Symbolisch steht das Mondauge damit für Regeneration, Erneuerung und Heilung.

Zurvanismus

Bereits im 4. Jahrhundert vor Christus setzte man im Zurvanismus über die beiden Götter des dualistischen Zoroastrismus, einen dritten, allmächtigen Gott: Zurvan akarano war Gott von Zeit und Raum und der Vater von Ahura Mazda, dem Gott der Weisheit und von Ahriman, dem Gott des Bösen. Zurvan wurde durch das sogenannte „Auge der Vorhersehung“ in einem Dreieck symbolisiert, welches die dreigestaltige Zeit in Form von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bzw. des Wachstums, der Fruchtbarkeit und das Altern visualisiert.

Christentum

Allsehendes Auge am Aachener Dom.

Auch in der Bibel erscheint das Auge als Symbol der Wachsamkeit, Allwissenheit und behütenden Allgegenwart Gottes. Augen auf den Flügeln der Seraphim und Cherubim deuten auf deren durchdringende Erkenntnisfähigkeit.

In seiner heutigen Form erschien das „Auge der Vorsehung“ erst in der christlichen Ikonographie in der Zeit des Barock. Illustrationen aus dem 17. Jahrhundert zeigen es manchmal von Wolken umgeben.

Stilbildend für dieses Symbol waren die diversen Illustrationen zu den ersten Gesamtausgaben des Werkes des Mystikers Jakob Böhme in Holland, Deutschland und England in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die nachweislich früheste Darstellung des Auges Gottes in einem Dreieck findet sich auf einer Medaille von Charles II. von England aus dem Jahre 1660. Auch hier vermuten Autoren wie Christoph Geissmar, dass die Entstehung dieser Medaille mit der Übertragung der Schriften Jakob Böhmes ins Englische zusammenhängen könnte.

„1677 begegnet das Auge Gottes im Dreieck mit Wolkenring sodann in der Bekrönung des Hl. Kreuzaltars der nördlichen Kreuzkapelle des Klosters Springborn (Bildhauer Joh. Schmitt) in Rößel (Polen); 1683 auf der deutschen (österreichischen) Medaille auf die erste Belagerung Wiens; 1690 wiederum auf einer englischen Medaille König Wilhelms III. (1689–1702). In der Folge ist das Auge Gottes mit und ohne Dreieck sozusagen allgegenwärtig“

Georg Stuhlfauth: „Das Dreieck - …“, S. 26f.

Das Auge in einem umschließenden Dreieck ist der Versuch, die göttliche Dreifaltigkeit bildlich darzustellen und symbolisiert hierbei das väterlich wachende „Allsehende Auge Gottes“. In der christlichen Pädagogik wurde daraus der Satz „Es gibt ein Aug’, das alles sieht, wenn’s auch in dunkler Nacht geschieht.“ und so v.a. der väterlich-richterliche Aspekt des Symbols betont.

Besonders in der von Josef Kentenich gegründeten katholischen Schönstatt-Bewegung ist das dort als „Vaterauge“ bezeichnete Auge der Vorsehung ein häufig gebrauchtes Symbol und ist in sämtlichen weltweit verteilten Schönstatt-Kapellchen montiert. Viele Schönstatt-Mitglieder tragen ein kleines „Vaterauge“ am Revers, im für Schönstatt typischen „Hausheiligtum“ (eine Art Herrgottswinkel oder „Familienaltar“) soll laut dem Schönstattgründer Kentenich das Vaterauge nicht fehlen.

Nach dem „Auge Gottes“ wurde auch die Kapelle „Auge Gottes“ im Siebengebirge benannt. In München (Giesing) befindet sich ein ehemaliges Kloster, das ein überdimensionales Auge über dem Portal zeigt.

Zusätzlich zu der christlichen Deutung des Symbols, gibt es auch Versuche eine Synthese christlicher und kabbalistischer Vorstellungen in der trinitarischen Gottheit darzustellen, wie zum Beispiel auf der Lehrtafel der Prinzessin Antonia in der Dreifaltigkeitskirche zu Bad Teinach.

Freimaurerei

Frühe Version des Allsehenden Auges der Freimaurer mit Wolken und halbem Strahlenkranz.

Das Auge der Vorsehung erscheint auch als Teil der Freimaurersymbolik. In vielen Logen leuchtet es im „Osten“ über dem Stuhl des Meisters vom Stuhl und spielt gelegentlich auch im Meistergrad eine Rolle, vor allem taucht es jedoch im Lehrlingsgrad auf. Häufig hat das freimaurerische Auge der Vorsehung einen halben Strahlenkranz unterhalb des Auges – oftmals sind die untersten Strahlen dabei nach unten verlängert.

Das offene Auge symbolisiert die sich stets enthüllende Wahrheit, fordert zu Weisheit auf und appelliert an das Gewissen. Über die Kausalität als Ursache-Wirkung-Prinzip repräsentiert es das Gute, welches das Böse stellt, um es zu besiegen. Insbesondere christliche Freimaurerlogen, in denen die Bibel verwendet wird, schlagen diese bei (Joh 1,1 EU) auf, um auf den mehrdeutigen Begriff des Logos hinzuweisen, der mit dem Allmächtigen Baumeister aller Welten gleichgesetzt wird und in erster Linie das Vernunftprinzip des Weltalls repräsentiert. Ebenso wird das Auge daher auch durch ein „G“ ersetzt, dessen Deutung ebenso vielfältig ist.

Das Auge ist häufig von einem Dreieck umschlossen. Es ist das Zeichen des Feuers und der aufklärenden Wissenschaft und dient der Messung der größten Distanzen, aber auch der Trinität im Christentum. Dabei wird das Dreieck hier als Bezug zur freimaurerischen Zahl drei in der Numerologie verstanden.

Es ist ein allgemeines Missverständnis, dass das Auge der Vorsehung mit der unfertigen Pyramide den Einfluss der Freimaurerei in die Gründung der Vereinigten Staaten belegt. Obwohl der Freimaurer Benjamin Franklin eines der Mitglieder des Komitees war, welches das Siegel der Vereinigten Staaten entwarf, war er nicht für die Gestaltung und die Einführung dieses Symbols verantwortlich. Die erste offizielle freimaurerische Erwähnung auf das Auge der Vorsehung erfolgte 1797 in The Freemasons Monitor von Thomas Smith Webb, einige Jahre, nachdem das Siegel entworfen worden war. Die freimaurerische Verwendung des Auges beinhaltet keine Pyramide, obwohl das umschließende Dreieck oft als solches fehlinterpretiert wird, selbst von Freimaurern.

Illuminatenorden

Heutige Verschwörungstheoretiker bringen das Symbol mit Geheimgesellschaften in Verbindung, speziell mit dem 1776 vom Ingolstädter Professor Adam Weishaupt gegründeten bayerischen Illuminatenorden.

Ein Zusammenhang zwischen dem Siegel der Vereinigten Staaten und den Illuminaten lässt sich nicht nachweisen. Bis zu ihrem Verbot 1784 durch den bayerischen Kurfürst Karl Theodor umfasste der Illuminatenorden maximal 2500 Mitglieder und rekrutierte diese meistens aus deutschen Freimaurerlogen. Viele wurden verhaftet, alles unter dem Vorwand, sie wären „notorische Freidenker“. Unter dem Freimaurer Johann Joachim Christoph Bode fand 1785 die Ordenstätigkeit in der Weimarer Minervalkirche ihr Ende.

USA

Ein-Dollar-Note
Simitières Skizze von 1776

1782 wurde das Auge der Vorsehung Teil der Symbolik auf der Rückseite des Siegels der USA und wurde vom ursprünglichen Designkomitee von 1776 vorgestellt. Die Idee der Verwendung des Allsehenden Auges (noch ohne Dreieck, nur mit Strahlen) geht auf einen Vorschlag des künstlerischen Beraters Pierre Eugène du Simitière zurück. Die Pyramide (ohne das Allsehende Auge) stammt von Francis Hopkinson, der diese 1778 ursprünglich für einen 50-Dollar-Schein entwarf, der zu jener Zeit offiziell im Umlauf war. William Barton schmolz schließlich 1782 diese beiden Symbole zum Auge der Vorsehung über der Pyramide zusammen.

Das Wappen wird auf offiziellen Dokumenten der USA verwendet. Ebenfalls befindet sich das Auge der Vorsehung auf der Rückseite jeder 1-Dollar-Note.

Galerie

Literatur

  • Christoph Geissmar: Das Auge Gottes - Bilder zu Jakob Böhme. Wiesbaden, 1993
  • Georg Stuhlfauth: Das Dreieck - Die Geschichte eines religiösen Symbols. Stuttgart, 1937
  • Alexandra von Lieven: Grundriss des Laufes der Sterne – Das sogenannte Nutbuch. The Carsten Niebuhr Institute of Ancient Eastern Studies (u. a.), Kopenhagen 2007, ISBN 978-87-635-0406-5

Weblinks

 Commons: Auge der Vorsehung – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 Kön 7,23-26 EU: In dieser Beschreibung findet sich indirekt die heilige Drei als Annäherung an die Kreiszahl.
  2. Vgl. Tycho Q. Mrsich: Fragen zum altägyptischen Recht der „Isolationsperiode” vor dem Neuen Reich – Ein Forschungsbericht aus dem Arbeitskreis „Historiogenese von Rechtsnormen”, Utz, München 2005, § 33.

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