Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung

Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung

Der Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung (in deutschen Quellen auch Araberaufstand) in den Jahren 1888–1890 war eine Widerstandsbewegung gegen den Versuch der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG), ihre Herrschaft über den zu Sansibar gehörenden Küstenstreifen des heutigen Tansania auszuweiten.

Der Aufstand führte rasch zum Zusammenbruch der DOAG, die die Hilfe des Deutschen Reiches erbat und schließlich ihre Ansprüche an den deutschen Staat abtrat. Dies führte zur Gründung der Kolonie Deutsch-Ostafrika.

Deutsch-Ostafrika (um 1888, zu Beginn des Küstenaufstands)

Inhaltsverzeichnis

Anlass

Seit 1885 hatte Carl Peters für die DOAG Abkommen mit örtlichen Herrschern auf dem ostafrikanischen Festland abgeschlossen und damit koloniale Ansprüche begründet. Am 28. April 1888 schloss die DOAG einen Vertrag mit Sultan Khalîfa ibn Saʿîd von Sansibar, wonach die Gesellschaft die Verwaltung des sansibarischen Festlandes und die Erhebung der Küstenzölle im Namen des Sultans gegen eine jährliche Pachtsumme übernahm. Angestellte der Gesellschaft bezogen Stellung in den Hafenorten. Als der Vertrag am 16. August 1888 in Kraft treten sollte, brach alsbald der Aufstand los, der sich von Pangani aus schnell über die gesamte Küste verbreitete.

Auslöser war in Pangani wie andererorts die Hissung der DOAG-Flagge neben der des Sultans. Hinzu kamen interkulturelle Konflikte verursacht, durch das Auftreten des DOAG-Vertreters Emil von Zelewski in Pangani.[1] Dieser betratt, auf der Suche nach dem Liwali (Gouverneur) des Sultans, während des islamischen Opferfest zusammen mit seinem Hund eine Moschee. Das Hissen der Flagge konnte nur nach Landung einer Abteilung deutscher Marinesoldaten durchgeführt werden. Am 3. September kam es dann zu einem Zwischenfall, bei dem Zelewski die Anlandung einer Ladung von Schießpulver verbieten wollte. Er wurde daraufhin von einer aufgebrachten Menschenmenge in seinem eigenen Haus eingeschlossen. Diesmal griff die Armee des Sultans ein, um die Gefangenen zu befreien.

Ähnliche Szenen spielten sich in Tanga ab, wo ebenfalls das DOAG-Personal nach dem Versuch der Machtübernahme verhaftet und dann von deutschen Marinetruppen aus der Haft befreit wurde.

In Bagamoyo war wieder Militäreinsatz nötig, um die Hissung der DOAG-Flagge durchzusetzen.

Ende September kam es dann zu Angriffen in Kilwa, bei denen die beiden deutschen DOAG-Angestellten getötet wurden. In Lindi und Mikindani flüchteten die DOAG-Angestellten auf Booten. Bis auf das umkämpfte Bagamoyo und Dar es Salaam wurden alle Stationen der DOAG verlassen.

Eingreifen der Reichsregierung

Die DOAG war nicht in der Lage, der Aufstandsbewegung entgegenzutreten. Die beiden letzten Stationen konnten nur mit Hilfe von deutschen Marinesoldaten gehalten werden. Daraufhin gab es ein offizielles Hilfeersuchen der DOAG an die Reichsregierung.

Diese entsandte den afrikaerfahrenen Offizier Hermann von Wissmann als Reichskommissar nach Ostafrika, der dort eine Streitmacht aus deutschen Offizieren und afrikanischen Söldnern aufstellte („Wissmanntruppe“), mit der er die Aufstandsbewegung niederschlug. Mehrere Tausend Menschen starben hierbei – neben einigen deutschen Soldaten eine Mehrheit afrikanischer Männer, Frauen und Kinder.

Die mittelfristige Konsequenz des Eingreifens war es, dass das Reich per Vertrag vom 20. Nov. 1890 die Herrschaftsansprüche der DOAG übernahm, die sich danach auf eine Rolle als Betreiberin von Plantagen und Handelsbetrieben beschränkte.

Führer des Aufstandes

Die Führung des eigentlichen Aufstandes, der im September um sich griff, lag im Norden bei Abushiri ibn Salim al-Harthi, den die Deutschen „Buschiri“ nannten. Er war Plantagenbesitzer in der Nähe von Pangani und sammelte Bewaffnete um sich. Dem Sultan hatte er die Loyalität aufgekündigt, da er die Abtretung des sansibarischen Gebietes an die DOAG als Verrat ansah.

Buschiri lieferte den militärisch überlegenen Deutschen einen ausgedehnten Buschkrieg, bis er im Dezember 1889 gefangen genommen und hingerichtet wurde. Ihm hatte sich weiter südlich der Sultan Bwana Heri (in deutschen Quellen auch: Bana Heri, Banaheri) von Saadani angeschlossen. Auch er leistete den Deutschen mit Hilfe von Stämmen des Hinterlandes bis in den April 1890 hinein Widerstand. Durch Vermittlung der Regierung von Sansibar ergab er sich schließlich Wissmann und konnte nach Saadani zurückkehren.

Araberaufstand?

In zeitgenössischen deutschen Quellen – siehe den Artikel im Koloniallexikon[2] – wird die Erhebung oft als „Araberaufstand“ bezeichnet, die von den ortsansässigen arabischen Sklavenhändlern ausgegangen sei, die befürchteten, dass die Deutschen das Verbot des Sklavenhandels durchsetzen würden.

Diese Bezeichnung verkennt die kulturelle Eigenart der ostafrikanischen Küste. Die führende Schicht der alteingesessenen Schirazi-Familien sprach Swahili, auch wenn viele ihrer Angehörigen durch den Islam, Handelsreisen, den Haddsch und Heiratsbeziehungen nach Oman des Arabischen mächtig waren. Diese Schirazi befassten sich mit dem Fernhandel mittels Trägerkarawanen ins Inland (Islamischer Sklavenhandel in Afrika), die Elfenbein und Sklaven an die Küste lieferten, aber sie waren auch Grundbesitzer, die Zuckerrohr für den Export anbauten. In den zeitgenössischen deutschen Berichten wird häufig nicht zwischen Schirazi und Arabern unterschieden.

Neben ihnen hatten sich von Sansibar aus auch arabische Grundbesitzer aus omanischen Familien angesiedelt, die hier in die Plantagenwirtschaft einstiegen. In Kilwa spielten auch Sklavenhändler eine wesentliche Rolle in der Aufstandsbewegung. Die Masse der Beteiligten an der Aufstandsbewegung setzte sich aber aus der afrikanischen Bevölkerung der Küste und des Hinterlandes zusammen. Offenbar wurden sie zwar, v.a. zu Beginn des Aufstandes, von Schirazi und Arabern angestachelt, hatten aber auch eigene Motive, sich gegen die Kolonialherrschaft zur Wehr zu setzen, und je mehr von ihnen bei den Aufständen getötet wurden, umso mehr stieg auch die Ablehnung gegenüber den Kolonialtruppen und verstärkte die Motivation, den Aufstand fortzusetzen.

Tatsächlich spielten wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle, wie aus einem Bericht des Afrikaforschers Meyer über eine Unterhaltung mit Abushiri hervorgeht[3]. Aber für die Masse der Bevölkerung dürfte einschneidender gewesen sein, was Meyers Mitreisender Baumann aus der Unterhaltung mit Abushiri wiedergibt: Die deutschen Vertreter der DOAG „benahmen sich … völlig rücksichtslos, rissen Flaggen herab und hissten andere auf, gaben uns Befehle und Vorschriften, und benahmen sich überhaupt, wie wenn sie die Herren des Landes und wir Alle ihre Sklaven seien. Wir sahen der Sache eine Weile zu, dann jagten wir die Weissen einfach fort, wie man übermüthige Jungen fortjagt.“[4]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Köfler-Sauer a. a. O. bei Anm. 39 und 40
  2. Artikel „Araberaufstand“ a. a. O.
  3. Siehe den Bericht der Freiburger Zeitung vom 12. Januar 1898 a. a. O.
  4. Wiedergabe bei Köfler-Sauer a. a. O. bei Anm. 96

Quellen im Netz

/aufstand_doae2.php3, /aufstand_doae3.php3 usw.


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