Plymouth Brethren

Plymouth Brethren
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Die Brüderbewegung ist eine im 19. Jahrhundert entstandene freikirchliche Bewegung, deren örtliche Gemeinden grundsätzlich selbstständig, aber in Lehre und Praxis eng miteinander verbunden sind. Weltweit gehören der Bewegung etwa eine Million Menschen an; in Deutschland wird die Anhängerzahl auf etwa 40.000 geschätzt. Ein Teil der deutschen Gemeinden hat sich 1942 mit den Baptisten zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden vereinigt.

Inhaltsverzeichnis

Name

Ursprünglich lehnte es die Brüderbewegung ab, sich einen offiziellen Namen zu geben, da sie sich nicht als besondere Konfession verstand, sondern als „neutraler Boden“ außerhalb aller bestehenden Kirchen und Freikirchen, als bloße „Darstellung“ der Gemeinde Gottes an einem Ort. Jeder Name hätte sie nach ihrem Selbstverständnis zu einer Gruppe unter vielen gemacht und sie so von den Angehörigen anderer Gruppen getrennt, was sie – wie alle Merkmale einer spezifischen Gruppenidentität – unbedingt zu vermeiden suchte. Da sich die Bewegung jedoch nach außen hin kaum von anderen Freikirchen unterschied und zudem sehr wohl gruppentypische Besonderheiten aufwies, wurde sie bald mit verschiedenen Fremdbezeichnungen belegt. Hinzu kam, dass sie sich im Laufe der Zeit in mehrere Gruppen spaltete, die sich z.T. gegenseitig ihre Rechtmäßigkeit absprachen. Insofern wurden weitere Bezeichnungen notwendig, um zum Beispiel die „offenen Brüdergemeinden“ von den „geschlossenen“ zu unterscheiden.

Folgende Bezeichnungen für die Brüderbewegung bzw. einzelne ihrer Teile finden heute Verwendung:

  • „Brüdergemeinden“, „Brüderversammlungen“
  • „Christliche Versammlung(en)“ oder einfach nur „Versammlung“ (nach der Übersetzung des griechischen Wortes ekklesia in der Elberfelder Bibel)
  • „Darbysten“ (nach John Nelson Darby, dem Begründer des „geschlossenen“ Flügels der Brüderbewegung; von den Betreffenden selbst wird diese Bezeichnung abgelehnt, da sie sich nicht nach einem Menschen nennen wollen und das Wort zudem oft abwertend verwendet wird)
  • „Exklusive Brüder“ (in Deutschland Bezeichnung für die „geschlossenen“ Brüdergemeinden; im englischen Sprachraum versteht man unter „Exclusive Brethren“ hauptsächlich die Raven-Brüder, eine ab 1890 entstandene Richtung mit straffer internationaler Führung und extrem starker Absonderung von Andersdenkenden)
  • „Christen ohne Sonderbenennung“ oder „ohne Sonderbekenntnis“ (früher besonders im Umgang mit Behörden verwendete Selbstbezeichnung; heute eher selten)
  • „Plymouth-Brüder“ (nach engl. „Plymouth Brethren“; Plymouth war ein frühes Zentrum der englischen Brüderbewegung; heute ebenfalls selten verwendet, z.T. aber noch als Selbstbezeichnung der Raven-Brüder)

Das Wort „Brüderbewegung“ wurde wahrscheinlich in den 1920er Jahren in „offenen“ Kreisen nach dem Vorbild von engl. „Brethren Movement“ gebildet; als Oberbegriff für die Gesamtbewegung hat es sich inzwischen weitgehend durchgesetzt. Die „geschlossenen“ Gemeinden halten bis heute offiziell an der ursprünglichen Idee der Namenlosigkeit fest.

Geschichte

Irland und England

Keimzellen der Brüderbewegung waren mehrere kleine Kreise von Christen in Dublin (Irland), die sich regelmäßig zum Bibelstudium versammelten. Zentrum der Lehren war, dass Jünger Christi frei und unabhängig von Denominationen zusammenkommen, das Wort Gottes verkündigen, sich von der Welt absondern und gleichzeitig die Wiederkunft Jesu erwarten sollten. Die Zersplitterung der Christenheit in viele verschiedene Kirchen und Gemeinschaften lehnte man ab und hatte den Wunsch, der Einheit der Gläubigen, die vor Gott trotzdem bestehe (Eph 4,4 ELB), Ausdruck zu verleihen, indem man verwaltende Organisation so viel wie möglich aufgab und einfach als „lebendiger Organismus“ zusammenkam. Jeder überzeugte Christ war willkommen, von welcher Konfession er auch kam. 1829 wagte man es in einem dieser Kreise, zu dem auch der Zahnarzt und spätere Missionar Anthony Norris Groves gehörte, erstmals auch das Abendmahl zu feiern, da es nicht an eine Institution gebunden sei. Groves war der Überzeugung, „dass Gläubige, die sich als Jünger Christi versammeln, frei seien, das Brot miteinander zu brechen, wie ihr Herr es ihnen anvertraut hat“. Bald fand auch der anglikanische Geistliche John Nelson Darby durch den Juristen John Gifford Bellett Kontakt zu diesem Kreis, der der Ursprung der Brüderbewegung werden sollte.

Innerhalb weniger Jahre entstanden auch in Großbritannien ähnliche Kleingemeinden. Durch Benjamin Wills Newton kam Darby zusammen mit George Vicesimus Wigram, dem späteren Herausgeber von Konkordanzen zum biblischen Grundtext, nach Plymouth. Dort gab es einen evangelistisch tätigen ehemaligen Marineoffizier namens Percy Francis Hall, mit dem sie sich zusammenschlossen und im Januar 1832 ebenfalls eine Gemeinde gründeten. Plymouth wurde bald das Zentrum der Bewegung, weshalb die Brüderbewegung lange auch unter dem Namen „Plymouth Brethren“ bekannt war. Verschiedentlich gab es Anfeindungen von Seiten der kirchlichen Kreise.

Im Laufe der Zeit erlangte Darby großen Einfluss und wurde der informelle Führer der vor allem auf Heiligung und Absonderung bedachten Richtung der Brüderbewegung. Demgegenüber betonten Georg Müller und Henry Craik, die sich seit 1832 in der Bethesda-Kapelle im englischen Bristol versammelten, mehr die Aspekte Einheit, Mission und Diakonie. Während Darby die „philadelphische“ Gemeinde (vgl. Offb 3,7–13 ELB) jenseits aller christlichen Denominationen um den einen Tisch sammeln wollte, legten Müller und seine Gemeinde mehr Wert auf Begegnung und Zusammenarbeit mit aktiven Christen aus anderen Konfessionen. Ursprünglich waren beide Strömungen der Brüderbewegung jedoch noch miteinander verbunden und tauschten sich im Verkündigungsdienst aus.

Trennungen

Zum Bruch kam es im Jahr 1848 über die Frage der überörtlichen Verbindlichkeit von Gemeindeausschlüssen und um Newton und seine Lehren über die Leiden Christi. Die Brüder um Darby entwickelten ein sehr enges Gemeinschafts- und Gemeindeverständnis und verlangten von allen mit ihnen Verbundenen, Gemeindeausschlüsse untereinander anzuerkennen und zu beachten. Die Gemeinde in Bristol und in ihrem Gefolge auch viele andere schlossen sich diesem Weg Darbys jedoch nicht an und nannten sich deshalb später „offene Brüder“, während Darbys Gemeinden als „geschlossene“ oder „exklusive Brüder“ bekannt wurden. Diese Trennung existiert grundsätzlich bis heute.

Kurz vor und nach dem Tod Darbys (1882) wurden mehrere führende Persönlichkeiten des „geschlossenen“ Flügels (unter anderem William Kelly, Frederick William Grant und Clarence Esme Stuart) aus der Bewegung ausgeschlossen und gründeten eigene Gruppen, die sich später größtenteils untereinander vereinigten oder in anderen Gruppen aufgingen. 1890 kam zu einer weiteren Trennung über die Lehren von Frederick Edward Raven, die in England von der Mehrheit der „geschlossenen Brüder“, auf dem europäischen Kontinent aber nur von einer kleinen Minderheit akzeptiert wurden.

Deutschland

Sowohl die „geschlossene“ als auch die „offene“ Brüderbewegung fand den Weg nach Deutschland.

„Geschlossene Brüder“ in Deutschland

Am Beginn der deutschen „geschlossenen“ Brüderbewegung stehen die Namen Julius Anton von Poseck und Carl Brockhaus. Der Düsseldorfer Jurist Poseck übersetzte ab 1849 Schriften John Nelson Darbys und anderer englischer „Brüder“ ins Deutsche und gründete ab 1851 im Rheinland auch Gemeinden nach englischem Vorbild. Der Elberfelder Lehrer Brockhaus war zunächst im Rahmen des „Evangelischen Brüdervereins“ (nicht zu verwechseln mit der Schweizer Bewegung gleichen Namens) evangelistisch tätig, trat jedoch Ende 1852 mit einigen Mitarbeitern aus ihm aus und wurde zur führenden Persönlichkeit der deutschen „geschlossenen Brüder“. 1853 fand er Kontakt zu Darby, der Deutschland zwischen 1854 und 1878 achtmal besuchte.

Von Elberfeld aus verbreitete sich die Brüderbewegung schnell, zunächst im Bergischen Land, im Siegerland, im Dillkreis und im Wittgensteiner Land. Brockhaus reiste jedoch auch darüber hinaus lehrend durch Deutschland, die Niederlande und die Schweiz, sodass an vielen Orten neue Gemeinden entstanden (z.T. unter Anfeindungen durch kirchliche Kreise). Um 1900 wurden in den „geschlossenen“ Versammlungen 20.000 Anhänger geschätzt.

Mit Darby und anderen Mitarbeitern gab Brockhaus die Elberfelder Bibelübersetzung heraus (NT 1855, Psalmen 1859, AT 1871).

„Offene Brüder“ in Deutschland

Die Geschichte der deutschen „offenen Brüder“ begann in gewisser Weise bereits 1843 mit einem Besuch Georg Müllers in Stuttgart; später wurde auch eine Gemeinde in Tübingen gegründet. Größere Zahlen von „offenen“ Brüdergemeinden entstanden jedoch erst ab Ende des 19. Jahrhunderts. Die „offenen Brüder“ standen in Beziehung zu dem Evangelisten Friedrich Wilhelm Baedeker, der durch seine zahlreichen Missionsreisen zum entscheidenden Gemeindegründer der „offenen“ Brüderbewegung in West- und Osteuropa wurde. Die „offenen Brüder“ suchten auch in Deutschland die Begegnung und Zusammenarbeit mit anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften. Sie nahmen an Veranstaltungen der Evangelischen Allianz teil, waren engagiert im „Verband gläubiger Offiziere“ und waren Mitbegründer der Allianz-Bibelschule Berlin, der heutigen Bibelschule Wiedenest im Oberbergischen.

Die Brüderbewegung im Dritten Reich

Am 13. April 1937 wurden die „geschlossenen“ Brüdergemeinden von den Nationalsozialisten verboten, da man ihnen aufgrund ihrer starken Betonung der Absonderung von der Welt eine staatsfeindliche (und damit antinationalsozialistische) Haltung unterstellte (was auf die meisten aber nicht zutraf). Bereits im Mai 1937 konnte sich der größte Teil der „geschlossenen Brüder“ mit Erlaubnis der Behörden als Bund freikirchlicher Christen (BfC) neu organisieren. Diesem Bund, zu dessen Statuten ausdrücklich das Bekenntnis zum nationalsozialistischen Staat gehörte, traten im November 1937 auch die „offenen Brüder“ bei. 1942 vereinigte sich der BfC mit dem Bund der Baptisten zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG). Aus dieser Zeit datiert auch ein vom BEFG herausgegebenes Liederbuch Gemeindelieder für gemeinsame Andachten und Mahlfeiern von Baptisten und Brüdern.

Zwischen 5 und 12 % vor allem der „geschlossenen Brüder“ verweigerten sich sowohl dem BfC als auch dem BEFG und versammelten sich während der NS-Zeit im Untergrund.

Nachkriegszeit und heutige Situation in Deutschland

Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus konnten sich die „geschlossenen Brüder“ wieder frei versammeln, und viele Mitglieder des BEFG (bald auch ganze Gemeinden) kehrten zu ihnen zurück (diese Richtung wird bis heute als „alte Versammlung“ – umgangssprachlich „AV“ – bezeichnet). Andere, die dem Bund ebenfalls ohne innere Überzeugung beigetreten waren, wollten jedoch nicht wieder in die „Enge“ des „geschlossenen“ Brüdertums zurück und formierten sich zu einer dritten Gruppe, die als „bundesfreie Brüder“ oder „Freier Brüderkreis“ bekannt wurde. Dadurch schrumpften die Brüdergemeinden im BEFG zur kleinsten „Brüder“-Gruppe zusammen: Mitte der 1980er Jahre machten sie nur noch 18 % der Brüderbewegung in der damaligen BRD aus, während 45 % den „geschlossenen Brüdern“ und 37 % dem „Freien Brüderkreis“ zuzurechnen waren.[1]

Seit den 1990er Jahren trennen sich immer mehr „geschlossene“ Gemeinden – teils freiwillig, teils gezwungenermaßen – von ihrer Gruppe und nehmen eine „offenere“ Position ein. Hintergrund sind vor allem Streitigkeiten über Ausschlussverfahren und über Fragen der Gastzulassung zum Abendmahl. So sind eine Reihe von sog. „blockfreien Brüdergemeinden“ entstanden.

Damit gibt es heute (wenn man von der zahlenmäßig unbedeutenden Raven-Gruppe absieht, die nur noch wenig mit den ursprünglichen „Brüder“-Grundsätzen zu tun hat) vier Gruppen von Brüdergemeinden in Deutschland:

  • Die „Bundesgemeinden“, die dem BEFG angehören, über VEF und Evangelische Allianz auch enge Beziehungen zu anderen Freikirchen haben und mit ihnen zusammenarbeiten. Historisch gesehen „offen“, geben diese Gemeinden „brüderspezifische“ Besonderheiten in Lehre und Praxis allmählich auf und nähern sich den übrigen evangelikalen Freikirchen an. Die Zahl der Gemeinden beläuft sich auf etwa 135 mit ca. 9000 Gliedern.
  • Die „bundesfreien Gemeinden“ („Freier Brüderkreis“) sind keinem übergeordneten Gemeindeverbund zugehörig, pflegen aber gute Beziehungen zu den Brüdergemeinden im BEFG und – je nach Gemeinde – auch mit anderen Freikirchen; teilweise arbeitet man in der Evangelischen Allianz mit. Bundesfreie Gemeinden vertreten typisch „offene“ Lehrgrundsätze. Es gibt rund 195 Gemeinden mit ca. 14.000 Gliedern.
  • Die „blockfreien Gemeinden“ sind ebenfalls keinem überörtlichen Verband angehörig, sie pflegen vor allem Beziehungen zu bundesfreien Gemeinden, jedoch keine Kontakte (mehr) mit „geschlossenen“ Gemeinden. Teilweise arbeiten sie in allianzorientierten Aktionen mit. Zu dieser Gruppe gehören etwa 55 Gemeinden mit ca. 4000 Gliedern.
  • Die „geschlossenen Versammlungen“ haben keine gemeindlichen Beziehungen zu Kirchen und Freikirchen, nur zu anderen „geschlossenen“ Versammlungen. Private Kontakte zu Gläubigen aus anderen Richtungen werden aber gepflegt. Die Mitarbeit in allianzorientierten Aktionen lehnen sie grundsätzlich ab; Abendmahlszulassungen von Gästen aus „nichtgeschlossenen“ Gemeinden werden selten praktiziert. Zurzeit gibt es etwa 215 Gemeinden mit ca. 16.000 Gliedern.

Seit ca. 1980 kommt es zunehmend zu Gemeindeneugründungen, die sich allgemein brüdergemeindlich orientieren. Diese Gemeinden haben meist keinen Bezug zur Geschichte der Brüderbewegung, stimmen aber in einem Großteil der Lehren mit den Brüdergemeinden überein und suchen in Konferenzen und Werken die Gemeinschaft mit ihnen. Zu den Werken, die solche Gemeindegründungen fördern, gehören die Deutsche Inland-Mission (DIM) und indirekt die Konferenz für Gemeindegründung (KfG). Gemeinden dieser Art gibt es inzwischen etwa 60 mit ca. 4000 Gliedern.

Lehre und Praxis

Die Brüdergemeinden verstehen sich als christliche Gemeinden, die im gemeindlichen Leben wie auch im Lehrverständnis mit anderen freikirchlichen Gruppierungen in weiten Teilen konform gehen. Im Folgenden sollen daher nur die wesentlichen Unterschiede dargestellt werden.

Struktur

Viele Brüdergemeinden außerhalb des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden lehnen festgeschriebene Organisationsstrukturen ab. Die Zeit der biblischen Gemeindeämter (insbesondere des Ältestenamtes) ist entsprechend ihrer dispensationalistischen Schau der Kirchengeschichte unwiederbringlich vorbei. Einer der Gründe: Es gibt keine Apostel mehr; nur sie konnten – so die Sicht einiger Brüdergemeinden – in das Ältestenamt berufen. Für die Gegenwart gilt allein das Wort Jesu: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20 ELB). Über die Fragen des Gemeindelebens wird in sogenannten „Brüderstunden“ gesprochen, zu denen Brüder eingeladen sind, die der Gemeinde durch ihren Dienst vorstehen. Bei den Beschlüssen wird Einmütigkeit angestrebt. „Bewährte“ und begabte Brüder werden von der Brüderversammlung mit der Durchführung der Gesprächsergebnisse beauftragt.

Da im Bereich der Vermögens- und Immobilienverwaltung ein gewisses Maß an Organisation von staatlicher Seite vorgeschrieben ist, hat man innerhalb vieler Brüdergemeinden einen kleinen Trägerverein gegründet, der die genannten Aufgaben übernimmt. Dieser Verein ist meist als gemeinnützig anerkannt und kann auch die erforderlichen Spendenquittungen ausstellen.

Die überregionale Verbindung zwischen den einzelnen Ortsgemeinden wird vor allem durch mehrmals jährlich stattfindende Bibelkonferenzen gefördert. Bekannte Konferenzen der BEFG-Gemeinden waren/sind u.a. die Berlin-Hamburger und die Köln-Elberfelder Konferenz; beim „Freien Brüderkreis“ ist es die Dillenburger Konferenz, bei den „geschlossenen Brüdern“ die Hückeswagener und die Dillenburger Konferenz. Im Jugendbereich erfreut sich die Wiedenester Konferenz zu Pfingsten großer Beliebtheit. Von mehreren Brüdergemeinden fest angestellte Reiseprediger tragen ebenfalls zur Vernetzung der Gemeinden bei.

Taufe

In den deutschen Brüdergemeinden wird nahezu durchweg die Gläubigentaufe – fälschlicherweise oft als Erwachsenentaufe bezeichnet – praktiziert. Hier entscheidet sich der Einzelne bewusst für den Glauben an Jesus Christus und meldet sich bei Brüdern seines Vertrauens, um getauft zu werden. Eine Ausnahme bilden lediglich die Raven-Brüder, die Säuglinge taufen, sofern sie einer Gemeindefamilie entstammen und ihre christliche Erziehung gewährleistet ist. Diese auf John Nelson Darby zurückgehende Taufpraxis (auch Haustaufe genannt) wird in Frankreich und in der französischen Schweiz auch von den „geschlossenen Brüdern“ geübt, während sie sich unter den deutschen „geschlossenen Brüdern“ nicht durchsetzen konnte.

Die Taufe findet in einem größeren Becken (Baptisterium) statt, in dem der Täufling ganz untergetaucht wird. Diese Becken befinden sich häufig im Versammlungsraum der Gemeinde; die Taufe kann aber zum Beispiel auch im Schwimmbad, in einem offenen Gewässer oder in der Badewanne einer Privatwohnung vollzogen werden.

Abendmahl

Das allsonntägliche Abendmahl – die Brüdergemeinden bezeichnen es in Anlehnung an Apg 20,7 ELB als „Brotbrechen“ – bildet das geistliche Zentrum des gemeindlichen Lebens. Die Gestaltung der Feier unterliegt keiner festgeschriebenen Liturgie, hat jedoch oft folgende Elemente: Die Gemeinde versammelt sich in aller Stille um den Abendmahlstisch, auf dem sich Brot und Wein befinden. Die beiden Substanzen des Abendmahls werden als Zeichen des Todes Jesu Christi, aber auch als „Zeichen der Liebe Gottes“ verstanden. Nicht Menschen, sondern der Heilige Geist soll die Feier gestalten. Er bewegt nach Auffassung der „Brüder“ verschiedene Männer der Gemeinde, zur Gestaltung der Feier beizutragen. So werden in nicht festgelegter Reihenfolge freie Gebete gesprochen, gemeinsam zu singende Lieder vorgeschlagen und Bibeltexte gelesen, mitunter auch kurze Ausführungen dazu gemacht. In den meisten Brüdergemeinden schweigen die Frauen – abgesehen vom gemeinsamen Gesang und Gebet – im Gottesdienst; in konservativen Gemeinden insbesondere der „geschlossenen“ Richtung sitzen sie auch von den Männern getrennt.

Am Abendmahl teilnehmen kann in der Regel nur, wer dazu zugelassen wurde. Dies setzt den persönlichen Glauben an Jesus Christus und ggf. ein Gespräch mit den Brüdern voraus, die den Betreffenden der Gemeinde vorschlagen. Erfolgen keine Bedenken, darf der Betreffende am Brotbrechen teilnehmen. In „geschlossenen“ Gemeinden müssen auswärtige Abendmahlsteilnehmer ein Empfehlungsschreiben ihrer Heimatgemeinde vorlegen oder zumindest glaubhaft versichern, dass sie auch dort „in Gemeinschaft sind“.

„Offene“ Brüdergemeinden pflegen meist eine offene Abendmahlsgemeinschaft, zu der alle „wiedergeborenen Christen“, auch anderer Konfessionen, eingeladen sind.

Predigt

Brüdergemeinden haben in der Regel keinen Pastor oder fest angestellten Prediger. Die Predigt halten Mitglieder der Gemeinde, die sich dazu in der Lage fühlen, ebenso wie Gastprediger. Es kommt selten vor, dass ein und derselbe Prediger an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen den Verkündigungsdienst versieht (sehr kleine Gemeinden ausgenommen). Man möchte so dem biblischen Grundsatz des „Priestertums aller Gläubigen“ entsprechen. Außerdem verhindere die wechselnde Predigtverantwortung die Verengung der Verkündigung auf eine einseitige Lehre.

Stellung der Frau in der Gemeinde

In konservativen Brüdergemeinden („geschlossene Brüder“, Teile der „blockfreien Gemeinden“ und des „Freien Brüderkreises“) wird das gottesdienstliche Schweigegebot für Frauen (1_Kor 14,33 ELB) nach wie vor streng ausgelegt: Frauen beteiligen sich nur am gemeinsamen Gesang, predigen aber nicht und leiten die Gemeinde nicht (1_Tim 2,12 ELB). In den Gottesdiensten der „geschlossenen“ Richtung wird der Unterschied zwischen den Geschlechtern auch noch durch eine getrennte Sitzordnung dokumentiert. Zudem tragen Frauen dort in Gottesdiensten und gottesdienstnahen Veranstaltungen aufgrund von 1_Kor 11,5-13 ELB das Haar mit einem Kopftuch oder Hut bedeckt.

In anderen Gemeinden beteiligen sich Frauen inzwischen auch an Gebet, Schriftlesung, Bibelauslegung und Bibelgesprächen. Besonders in den Gemeinden des BEFG ist eine immer stärker werdende Einbeziehung von Frauen in die Gottesdienstgestaltung festzustellen.

Äußeres Erscheinungsbild

Vor allem in den „geschlossenen“ Kreisen sollen Frauen auch privat auf ein „bescheidenes Äußeres“ (1_Tim 2,9 ELB) achten. Dazu gehört etwa der weitgehende Verzicht auf auffälligen Schmuck wie Ketten, Armreifen und vor allem Ohrringe. Außerdem sollte das Haar nicht übermäßig gekürzt und die Kleidung nicht körperbetont sein. Auch das Tragen „unweiblicher“ Kleidung – vor allem Hosen – wird weitgehend abgelehnt.

Für Männer existieren keine vergleichbaren Vorschriften. Allerdings wird auch in ihrem Fall ein übermäßig auffallender Kleidungsstil nicht gerne gesehen.

Einfluss

Die Vorstellungen Darbys von der geheimen Entrückung aller wahren Gläubigen sind über die Brüderbewegung hinaus von vielen evangelikalen Theologen übernommen worden. Vom Gedankengut der Brüderbewegung beeinflusst ist auch die von Cyrus I. Scofield bearbeitete Scofield-Bibel, die das dispensationalistische Modell der Heilsgeschichte einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte.

Tätigkeitsfelder (Werke) und Einrichtungen in Deutschland

„Offene Brüder“ (BEFG, Freier Brüderkreis, „blockfreie“ Gemeinden)

„Geschlossene Brüder“

Einzelnachweise

  1. Vgl. Jordy, Die Brüderbewegung in Deutschland, Bd. 3, S. 316.

Literatur

  • Ulrich Bister: Die Brüderbewegung in Deutschland von ihren Anfängen bis zum Verbot des Jahres 1937. Diss. Univ. Marburg 1983.
  • Gerhard Jordy: Die Brüderbewegung in Deutschland. 3 Bände. Wuppertal: R. Brockhaus 1979–1986. ISBN 3-417-24060-3
  • Gerhard Jordy (Hrsg.): 150 Jahre Brüderbewegung in Deutschland. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft 2003.
  • Andreas Liese: Verboten – geduldet – verfolgt. Die nationalsozialistische Religionspolitik gegenüber der Brüderbewegung. Hammerbrücke: Jota-Publikationen 2003. ISBN 3-935707-12-6
  • Andreas Steinmeister: ... ihr alle aber seid Brüder. Eine geschichtliche Darstellung der „Brüderbewegung“. Lychen: Daniel-Verlag 2004. ISBN 3-935955-34-0

Weblinks


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