Platen-Affäre

Platen-Affäre

Der Begriff Platen-Affäre bezeichnet die öffentliche Auseinandersetzung zwischen dem Dichter Heinrich Heine und seinem Kollegen August Graf von Platen, eine der heftigsten Kontroversen der deutschen Literaturgeschichte.

Heinrich Heine veröffentlichte als Anhang seiner Reisebilder. Zweiter Teil (1827) Xenien des Dichters Carl Leberecht Immermann, in denen er die Orientsucht in der Poesie verspottet:

Oestliche Poeten.
Groß’ mérite ist es jetzo, nach Saadi’s Art zu girren,
Doch mir scheint's égal gepudelt, ob wir östlich, westlich irren.

Sonsten sang, bei’m Mondenscheine, Nachtigall seu Philomele;
Wenn jetzt Bülbül flötet, scheint es mir denn doch dieselbe Kehle.

Alter Dichter[1], du gemahnst mich, als wie Hameln’s Rattenfänger;
Pfeifst nach Morgen, und es folgen all’ die lieben, kleinen Sänger.

Aus Bequemlichkeit verehren sie die Kühe frommer Inden,
Daß sie den Olympus mögen nächst in jedem Kuhstall finden.

Von den Früchten, die sie aus dem Gartenhain von Schiras stehlen,
Essen sie zu viel, die Armen, und vomiren dann Ghaselen.“

Platen bezog diese Kritik auf sich und verübelte Heine die Veröffentlichung der Epigramme. In seinem Theaterstück Der romantische Ödipus (1828) ließ er (als Anspielung auf Immermann) eine Figur namens Nimmermann auftreten und griff Heine unter Bezug auf dessen jüdische Herkunft an: er bezeichnet ihn als „den herrlichen Petrark des Lauberhüttenfestes“ (Immermann hatte seinen Freund Heine in einer Rezension mit Petrarca verglichen), „Synagogenstolz“ etc. und dichtet ihm zudem, antisemitische Klischees bedienend, einen „Knoblauchsgeruch“ an.[2]

Im wenig später erscheinenden dritten Band der Reisebilder (1830), im elften und letzten Kapitel der Bäder von Lukka, rechnet Heine nun mit dem „Dichter und warmen Freund“ Platen ab und spart dabei nicht mit abfälligen Bemerkungen, häufig bezogen auf Platens Homosexualität: Platen, den „nie ein Weib berührt“ habe, sei „mehr ein Mann von Steiß als ein Mann von Kopf“, eine „männliche Tribade“; gelobt werde am Grafen seine „Zuvorkommenheit gegen Jüngere, bei denen er die Bescheidenheit selbst gewesen sei, indem er mit der liebreichsten Demuth ihre Erlaubniß erbeten, dann und wann zu ihnen auf’s Zimmer kommen zu dürfen“. Auch andere homosexuelle Künstler, so „der ghaselige Iffland“, finden nebenbei Erwähnung.

Unter anderem wegen der Angriffe Platens scheiterte Heines Bewerbung um eine Professur in München. Dieser „Vernichtungskrieg“, wie er die Kontroverse einmal bezeichnete, beeinflusste auch Heines Entscheidung, 1831 nach Paris zu gehen. Zudem zeigt die Auseinandersetzung, dass seine protestantische Taufe im Jahr 1825 nicht den erhofften Schutz vor Anfeindungen und Diskriminierung bot.

Zeitgenossen verübelten Heine seine abfälligen Bemerkungen über Platens Homosexualität und bis heute gilt die Platen-Affäre als dunkler Fleck in der Biographie des Dichters. Der Literaturkritiker Karl Herloßsohn urteilte jedoch 1830: „In der Art, wie Heine angegriffen wurde von Platen, lag auch schon die Art, wie er sich verteidigen musste.“ Demnach habe sich Heine lediglich derselben Waffen bedient, mit denen er angegriffen worden war.

Fußnoten

  1. Gemeint ist Goethe.
  2. Auszug aus dem Theaterstück

Literatur

  • Heinrich Heine: Reisebilder. Sonderausg. Pawlak, Herrsching 1985, ISBN 3-8224-1148-5 (2 Bde.).
  • Hans Mayer: Der Streit zwischen Heine und Platen. In: ders.: Außenseiter. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1981, ISBN 3-518-37236-X, S. 207-223.

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