Plan Wahlen

Plan Wahlen
Gedenktafel zur Anbauschlacht in Regensberg, Kanton Zürich
Lebensmittelrationierung vom 9. Oktober 1940 bis 24. Juni 1948

Der Plan Wahlen war ein Programm zur Förderung des innerschweizerischen Lebensmittelanbaus seit 1940, auch Anbauschlacht genannt. Vor dem Zweiten Weltkrieg importierte die Schweiz die Hälfte ihrer Nahrungsmittel. Um eine Lebensmittelknappheit bei einem drohenden Embargo der Achsenmächte abzuwenden, brachte der Landwirtschaftsspezialist und spätere Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen seinen seit 1937 vorbereiteten Anbauplan am 15. November 1940 an eine breitere Öffentlichkeit. Durch Erhöhung der Eigenproduktion, Reduzierung der Viehzucht unter gleichzeitiger Ausweitung des Ackerbaus und durch Rationierung sollte die Selbstversorgung in der Schweiz gesichert werden. Die Selbstversorgungs-Anbaufläche sollte schrittweise von 180'000 auf 500‘000 Hektar erhöht werden. Die Grundlagen zur Anbauschlacht von Wahlen waren jedoch schon älter. Bereits im Ersten Weltkrieg war ein entsprechender Plan umgesetzt worden, allerdings noch wesentlich lückenhafter.[1]

Bis auf grosse Höhen wurden nun Nahrungsmittel angepflanzt und zur Ausdehnung des Ackerbaus sollte Land durch Rodungen, Melioration und durch den Einbezug von nicht-landwirtschaftlich genutzten Flächen wie Brachen oder öffentlichen Parks und Sportplätzen gewonnen werden. Die bepflanzte Landwirtschaftsfläche wurde zwischen 1940 und 1945 von 183.000 auf 352.000 Hektaren erweitert. Eine halbe Million Kleinpflanzer und die Arbeiter von 12.000 Industriebetrieben bewirtschafteten zusätzlich über 20.000 Hektaren nicht-landwirtschaftlich genutzte Fläche. Dank dieses gemeinsamen Einsatzes musste die Schweiz als einziges Land in Europa Kartoffeln, Gemüse und Obst nie rationieren.[2]

Als der Plan Wahlen mit dem Kriegsende abgebrochen wurde und nicht mehr länger Grundlage der schweizerischen Agrarpolitik bildete, lag er 60'000 ha über den für diesen Zeitpunkt geplanten 300'000 ha. Am 30. Juni 1945 trat F.T. Wahlen vom Amt des Beauftragten für das Anbauwerk zurück, um die Umstellung der Agrarwirtschaft auf Friedenswirtschaft zu ermöglichen. Das ursprüngliche Ziel der Anbauschlacht von 500'000 ha konnte damit nicht mehr erreicht werden.

Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz (SVG) mit Lebensmittel war von 1940 bis 1945 von 52 % auf 70 %[3] gestiegen. Die Brotgetreideproduktion verdoppelte sich, die Kartoffelernte wurde verdreifacht, und die Gemüseernte konnte vervierfacht werden. Der Selbstversorgungsgrad lässt sich nur schwierig abschätzen, da die ganze Agrarstruktur verändert worden war. Als Mittelwert aus verschiedener Literatur wird er für 1939 auf 52 Prozent, für 1943 bis 1945 auf 70 bis 75 oder 80 Prozent geschätzt. [4].

Der Plan Wahlen hatte die Schweizer Bevölkerung und die rund 300'000 Flüchtlinge vor Hunger und allzu grossen Entbehrungen bewahrt. Die Anbauschlacht hatte auch eine psychologische Wirkung und galt als Symbol für den Widerstandswillen der Schweiz.

Ein ähnliches Programm im nationalsozialistischen Deutschland nannte sich Erzeugungsschlacht.

Inhaltsverzeichnis

Übrige Rationierungs-Bereiche

Der Wahlen-Plan umfasste aber nicht nur die Nahrungsmittel-Versorgung. Eine zeitgenössische Briefmarke etwa rief die Bevölkerung auf, "zum Durchhalten" Altstoffe zu sammeln[5]. Zudem war z.B. auch das Heizmaterial (v.a. Steinkohle, Öl wurde im 2. Weltkrieg praktisch nicht zum Heizen verwendet) drastisch verknappt: Ein Zeitzeuge berichtet, dass die Hausheizungen auch mit Tannenzapfen und anderem Restholz befeuert werden mussten, weil bei normalem Brennholz die Industrie Vorrang genoss.

Künstlerische Umsetzung

Obwohl der Grossteil der Bevölkerung den durch die Notlage notwendigen staatlichen Eingriffen Verständnis entgegenbrachte, gab es auch Fälle, wo die staatlichen Regulierungen umgangen wurden oder ihnen Widerstand entgegengebracht wurde. Ein Beispiel derartiger Auseinandersetzungen zeigt der Spielfilm Der schwarze Tanner (1986) in der Regie von Xavier Koller mit Otto Mächtlinger in der Hauptrolle. Unter demselben Titel wird das Thema in einem Theaterstück behandelt, das 2007 am Freilichtmuseum Ballenberg aufgeführt wurde.

Ein Dokumentarfilm von 2006 soll das Andenken an Friedrich Traugott Wahlen und sein Anbauwerk bewahren helfen. Zeitzeugen erzählen der heutigen Generation von dieser Zeit, in der eine Hungersnot abgewendet werden konnte. Der „Verein zur Wahrung der Erinnerung an Bundesrat Prof. Dr. Friedrich Traugott Wahlen und den Anbauplan 1940 bis 1945“ (kurz: Verein F.T. Wahlen & Anbauplan) hat sich mit dem neuen Dokumentarfilm die folgenden Ziele gesetzt: Das Anbauwerk soll als markantes Stück der Schweizer Geschichte informativ und illustrativ erleuchtet werden. So auch Wahlen, der Denker, Initiator und Leiter dieses grössten Projekts der schweizerischen Landwirtschaft.

Siehe auch

Literatur

  • Peter Maurer: Anbauschlacht. Landwirtschaftspolitik, Plan Wahlen, Anbauwerk 1937-1945. Chronos, Zürich 1985, ISBN 3-905278-03-0.
  • Meinrad Inglin: Der schwarze Tanner. SJW-Heft, Nr. 1308. 3. Auflage, Egg/Zürich 2006, ISBN 978-3-25-0010524.
  • Wahlen, F. T.: Unsere Landwirtschaft in der Kriegszeit. Die Aufgaben unserer Landwirtschaft in der Landesversorgung der Kriegszeit. Vortrag, gehalten in der Gesellschaft Schweizerischer Landwirte in Zürich am 15. November 1940 von Dr. F.T. Wahlen, Chef der Sektion für landw. Produktion und Hauswirtschaft im Eidg. Kriegsernährungsamt. Benteli, Bern, 1940.

Einzelnachweise

  1. Silvio Bucher: Die Geschichte des Kantons St. Gallen im Überblick; in: Der Kanton St. Gallen - Landschaft, Gemeinschaft, Heimat. Loepfe-Benz, Rorschach 1985, ISBN 3-85819-084-5, Seite 33 (Bild von der Ansbauschlacht im Ersten Weltkrieg auf dem Klosterplatz in St. Gallen)
  2. Berner Zeitung: Pflüge statt Panzer auf der Allmend
  3. http://www.parlament.ch/D/Suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20063880 Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Februar 2007
  4. Peter Maurer: Anbauschlacht: Landwirtschaftspolitik, Plan Wahlen, Anbauwerk 1937-1945. Zürich 1985
  5. Briefmarken-Sammlung des Schreibenden

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Plan Wahlen — Monument à Regensberg en l honneur du Plan Wahlen Le Plan Wahlen est un programme d autosuffisance alimentaire mis en place en 1940 par la Suisse pour pallier la pénurie de ressources et de matières premières vitales [1 …   Wikipédia en Français

  • Wahlen — steht für: Wahl, ein politischer Entscheidungsprozess, bei dem Personen ausgewählt werden Wahlen, geographisch: Wahlen BL, eine Gemeinde im Kanton Basel Land, Schweiz Wahlen BE, ein Ortsteil der Gemeinde Thierachern im Kanton Bern, Schweiz Wahlen …   Deutsch Wikipedia

  • Wahlen — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Wahlen, commune suisse du canton de Bâle Campagne Wahlen, Ortsteil (=quartier) de la commune de Losheim am See en Allemagne Friedrich Traugott Wahlen,… …   Wikipédia en Français

  • Plan von La Noria — Porfirio Díaz José de la Cruz Porfirio Díaz Mori/Mory (* 15. September 1830 in Oaxaca; † 2. Juli 1915 in Paris) war ein mexikanischer General und Politiker. Er regierte als Präsident von 1876/77 bis 1880 und von 1884 bis 1911. Seine… …   Deutsch Wikipedia

  • Wahlen in Irland (Details - ab 1949) — Die folgende Aufstellung enthält Details zu den bisherigen Wahlen in Irland zum Dáil Éireann, dem irischen Unterhaus. Siehe auch: Wahlen in Irland und Wahlen in Irland (Details 1918 bis 1949) Inhaltsverzeichnis 1 14. 19 Dáil Éireann 1.1 1951 1.2… …   Deutsch Wikipedia

  • Plan von Ayala — Der Plan von Ayala war das politische Programm Emiliano Zapatas und seiner Anhänger (Zapatistas). Der Text wurde am 25. November 1911, nach anderen Quellen am 28. November 1911, in Ayoxustla im Bundesstaat Puebla unterzeichnet und nach Ayala… …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich Traugott Wahlen — Gedenktafel zur Anbauschlacht Friedrich Traugott Wahlen (* 10 …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich Traugott Wahlen — Photo officielle de Friedrich Traugott Wahlen Mandats 72 e conseiller fédéral …   Wikipédia en Français

  • Volksentscheid gegen den Young-Plan — Das Volksbegehren und der Volksentscheid gegen den Young Plan waren ein Versuch zur Volksgesetzgebung in der Weimarer Republik. 1929 initiierten rechte Parteien und Organisationen eine Kampagne, mit der sie die Einigung der Regierung Müller mit… …   Deutsch Wikipedia

  • Eden-Plan — Als Eden Pläne bezeichnet man die nach dem britischen Außenminister Robert Anthony Eden benannten und von ihm am 16. September 1952 sowie während der Berliner Außenministerkonferenz vom 25. Januar bis 18. Februar 1954 vorgestellten Pläne zum… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”