Pistoris

Pistoris

Pistoris ist der Familienname einer alten und in Einzellinien geadelten sächsischen Gelehrtenfamilie aus dem 14. Jahrhundert, welche viele herausragende Persönlichkeiten vor allem im Bereich der Rechtswissenschaften hervorgebracht hat.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Entwicklung

Die Ursprünge der Familie liegen 30 km außerhalb Leipzigs in der Kreisstadt Borna. Hier nannte die Familie sich noch "Bäcker/Begker/Becker" und sie waren zunächst möglicherweise auch tatsächlich im Bäckerhandwerk tätig. Der erste zu ermittelnde Stammvater Rudolf Becker († 1316) nannte sich erstmalig Pistoris, wobei es sich um die lateinische und deklinierte Form von „pistor, pistoris“ = der Bäcker handelt. Seitdem nennen sich alle von ihm abstammenden Nachkommen „Pistoris“, teilweise auch „Pistorius“, vielleicht später auch nur noch „Pistor“. Die Familie Pistoris hatte sich seit der Zeit Martin Luthers (1483–1546) frühzeitig zur protestantischen Religion bekannt und sich aktiv für deren Verbreitung und Entwicklung eingesetzt.

Ab Nicolaus Pistoris, dem Medizinprofessor und Leipziger Bürgermeister und Enkel des erstgenannten Ahnherrn Rudolf, erlangt die Familie ihren wissenschaftlichen Ruhm besonders auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften. Petrus Albinus (1543–1598), sächsischer Geschichtsschreiber sprach gar vom „gelehrtesten Geschlecht in Meissen, aus denen die meisten Doktoren, kurfürstlichen Ober- und Hofrichter, Hof- und Geheime Räte sowie ein sächsischer Kanzler stammten“.

Für seine Verdienste wurde Simon Pistoris der Jüngere, und somit auch seine Nachkommen, am 20. April 1521 von Kaiser Karl V. (1500–1558) in Worms in den Reichsadelstand sowie am 4. August 1555 vom römisch-deutschen König und späteren Kaiser Ferdinand I. (1503–1564) in Prag in den erblichen Reichsritterstand erhoben.

Schloss Seußlitz - Stammsitz der Familie

In diesem Zeitraum erwarb die Familie Pistoris zahlreiche Güter und Ländereien vor allem Gut und Schloss Seußlitz nebst angeschlossenen Dörfern (1546), welches bis 1720 im Familienbesitz blieb, sowie Anteile bei Merschwitz (1550) und später noch Gut und Schloss Hirschstein (ca. 1586). Aber auch in Leipzig selbst waren sie Besitzer unter anderem des alten Fürstenhauses in der Grimmaische Straße sowie des Auerbacher Hofes. Noch heute erinnert eine Straße im Leipziger Ortsteil Schleußig an die Familie.

In der Kirche zu Seußlitz befindet sich seitwärts neben dem Altar die Familiengruft, bedeckt mit einer von Georg Fabricius (1543–1603) beschrifteten Grabsteinplatte, in der die meisten der Familienangehörigen beigesetzt worden waren. An der Friedhofsmauer ist ein weiterer Grabstein erhalten auf dem das Familienwappen eingraviert ist. Die Familie selbst ist heutzutage, so weit bekannt, in Deutschland im Adelsstamm erloschen.

Hartmann Pistoris (* 1673), letzter Herr auf Seußlitz und Enkel des Prinzipalgesandten Johann Ernst Pistoris von Seußlitz und Hirschstein, zog es in die Steiermark, wo er im Raum Mürzzuschlag bedeutende Hammerwerke gründete, die über mehrere Generationen hinweg im Familienbesitz blieben. Wegen erfolgreichen Unternehmertums wurde dessen Enkel Franz Xaver Pistoris (1734–1792) der österreichische Adel verliehen und die Familie nannte sich in der Folge Pistoris, Edle von Adelfeld, gilt aber ebenfalls als erloschen.

Beweiskräftig kann man dagegen keine Verbindung zwischen der hier beschriebenen sächsischen Familie Pistoris und der hessischen Familie aus Nidda oder der württembergischen Familie gleichen Namens herstellen, die sich allerdings auch mehrheitlich „Pistorius“ nannten und ebenfalls teilweise geadelt worden waren.

Wappen und Kupferportraits

Wappen der Familie Pistoris

Vom Wappen der Familie Pistoris aus Sachsen ist bekannt, dass es seit der Adelssprechung der Familie nicht mehr mit einer Brezel sondern nun mit einer silbernen Rose im unteren Rund bestückt worden war. Ebenso wurden zahlreiche Kupferportraits und Portraitmedaillen zu den einzelnen herausragenden Persönlichkeiten der Familie mit rückseitig eingeprägtem Wappen hergestellt. Diese Portraitmedaillen können heutzutage teilweise in den verschiedenen Münzkatalogen bzw. im Münzkabinett zu Dresden besichtigt werden.

Herausragende Persönlichkeiten

Literatur und Quellen

  • Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser, Teil B, Jahrgang 1916, Seite 186 Justus Perthes
  • Carl Schmutz: Historisch-topographisches Lexicon von Steyermark, Dritter Teil; Kienreich, 1822
  • Ferdinand von Feilitsch: Zur Familiengeschichte der Deutschen, insbesondere des Meißnischen Adels 1570–1820; Leipzig 1896
  • Karl Friedrich von Gerber: Die Ordinarien der Juristenfakultät zu Leipzig; Gratulationsschrift 1869, Leipzig, Kapitel XV.
  • Johann August Ritter von Eisenhart: Pistoris von Seuselitz, Simon. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 186–194.
  • Conrad Sturmhoevel: Illustrierte Geschichte der sächsischen Lande und ihrer Herrscher, Leipzig 1898–1908; Band 2, Seite 141, 193
  • Conrad Alfred Rüger: Leben und Schicksal des sächsischen Rechtsgelehrten und Kanzlers Simon von Pistoris auf Seuselitz, Stuttgart 1977
  • Roderich von Stintzing: Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft; Bd. I, Leipzig 1880
  • Archivunterlagen Hans-Thorald Michaelis

Siehe auch

Weblink


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