Pilates

Pilates

Pilates, auch Pilates-Methode genannt, ist ein systematisches Ganzkörpertraining zur Kräftigung der Muskulatur, primär der Beckenboden-, Bauch- und Rückenmuskulatur. Das Pilatestraining kann auf der Matte und an speziell entwickelten Geräten stattfinden. Erfunden hat sie der 1883 in Mönchengladbach geborene Joseph Hubert Pilates. Er nannte seine Methode zunächst Contrology, da es bei Pilates darum geht, die Muskeln mit Hilfe des Geistes zu steuern.

Da „Pilates“ kein geschützter Begriff ist und keine einheitliche Ausbildung festgeschrieben ist, gibt es weltweit viele verschiedene Pilatestrainer. In Deutschland gibt es den Pilates Verband e. V.[1]. Dessen Mitglieder müssen eine vollwertige Ausbildung absolviert haben und sich regelmäßig fortbilden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Joseph Hubert Pilates (1883–1967) war Turner, Taucher, Bodybuilder und Zirkusartist. Er arbeitete in England als Berufsboxer und trainierte die Beamten von Scotland Yard in Selbstverteidigung. Als Deutscher wurde er zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Großbritannien interniert. In dieser Zeit entwickelte er sein Konzept eines ganzheitlichen Körpertrainings, das zu einer guten Konstitution und Haltung beitragen sollte, und zwar zunächst für mit ihm internierte Soldaten. Er studierte östliche Trainingsmethoden wie Yoga und Zen-Meditation sowie Tierbewegungen und unterrichtete seine Mitgefangenen in der von ihm entwickelten Methode, indem er sie auf Matratzen trainieren ließ.

Pilates kehrte nach dem Krieg nach Deutschland zurück und arbeitete dort mit wichtigen Vertretern der Bewegungslehre zusammen, wie etwa Rudolf von Laban. 1923 wanderte er nach New York aus. Er eröffnete ein Trainingsstudio mit seiner Frau Clara auf Anregung Labans im Gebäude des New York City Ballets, was die Nähe der Methode zum Tanz erklärt. In den frühen 1960ern zählten viele New Yorker Tänzer zu ihren Kunden. Nachdem er auch die Tänzerinnen des New York City Balletts trainierte, wurde er in ganz Amerika bekannt. Zu seiner Lebzeit eröffneten lediglich zwei seiner Schüler eigene Pilates-Studios, Bob Seed und Carola Trier.[2] In den letzten Jahrzehnten wurde Pilates zum Wellness-Trend und von immer mehr Fitnessstudios und anderen Anbietern aufgegriffen.

1967 starb Pilates im Alter von 84 Jahren, ohne ein Testament zu hinterlassen oder die Nachfolge und Weiterführung seiner Arbeit zu regeln. Für das Fortleben seiner Ideen sorgten weitere Schüler, die eigene Studios eröffneten und die Methode weiterentwickelten.

Die Methode

Grundlagen

Die Pilates-Methode ist ein ganzheitliches Körpertraining, in dem vor allem die tief liegenden, kleinen und meist schwächeren Muskelgruppen angesprochen werden, die für eine korrekte und gesunde Körperhaltung sorgen sollen. Das Training beinhaltet Kraftübungen, Stretching und bewusste Atmung. Es ist bedingt auch zur Rehabilitation nach Unfällen geeignet. Wichtig ist eine fachliche Einführung in die Methode, um Bewegungs- und Haltungsfehler zu vermeiden. Generell ist die Verletzungsgefahr jedoch eher gering.

Angestrebt werden die Stärkung der Muskulatur, die Verbesserung von Kondition und Bewegungskoordination, eine Verbesserung der Körperhaltung, die Anregung des Kreislaufs und eine erhöhte Körperwahrnehmung. Grundlage aller Übungen ist das Trainieren des so genannten „Powerhouses“, womit die in der Körpermitte liegende Muskulatur rund um die Wirbelsäule gemeint ist, die so genannte Stützmuskulatur. Die Muskeln des Beckenbodens und die tiefe Rumpfmuskulatur werden gezielt gekräftigt. Alle Bewegungen werden langsam und fließend ausgeführt, wodurch die Muskeln und die Gelenke geschont werden. Gleichzeitig wird die Atmung geschult.

Anfänger sollten das Training nach Ansicht von Anbietern mit einer Einzelstunde bei einem klassisch ausgebildeten Trainer beginnen und danach zu Geräten wechseln, die sie bei der exakten Ausführung der Übungen unterstützen. Pilates hat die fünf klassischen Geräte (Reformer, Cadillac, Chair, Barrel, Spine Corrector) erfunden, um den Schülern eine Unterstützung bei der Ausführung der Übungen zu geben. Das weit verbreitete Mattentraining wird erst für Fortgeschrittene empfohlen. Die rund 500 Pilates-Übungen wechseln ab zwischen Dehnung und Kräftigung der Muskulatur.

Wichtige Prinzipien

Die wesentlichen Prinzipien der Pilates-Methode sind Kontrolle, Konzentration, bewusste Atmung, Zentrierung, Entspannung, Bewegungsfluss und Koordination.

  • Kontrolle: Ein wesentlicher Grundsatz des Trainings ist die kontrollierte Ausführung aller Übungen und Bewegungen. Dadurch sollen auch die kleineren „Helfermuskeln“ gestärkt werden.
  • Konzentration: Mit Hilfe von Konzentration sollen Körper und Geist in Harmonie gebracht werden. Jede Bewegung soll mental kontrolliert werden, die Aufmerksamkeit soll ganz auf den Körper gerichtet sein.
  • Atmung: Bewusste Atmung spielt bei Pilates eine wichtige Rolle. Sie soll Verspannungen entgegenwirken und die Kontrolle über den Körper erhöhen. Deshalb wird die Atmung in das Zwerchfell trainiert.
  • Zentrierung: Mit Zentrierung ist die Stärkung der Körpermitte gemeint, das so genannte Powerhouse, das vom Brustkorb bis zum Becken reicht und alle wichtigen Organe enthält. Die Stärkung der Powerhouse-Muskulatur kräftigt vor allem den Rücken und kann sich bei Rückenschmerzen positiv auswirken.
  • Entspannung: Bewusste Entspannung soll helfen, Verspannungen aufzufinden und zu lösen. Entspannung ist bei Pilates jedoch nicht das Gegenteil von Körperspannung.
  • Fließende Bewegung: Alle Übungen werden in fließenden Bewegungen ausgeführt, ohne längere Unterbrechungen. Es gibt keine abrupten isolierten Bewegungen.
  • Power Engine oder Powerhouse: Die Terminologie „Power Engine“ stammt von Moshé Feldenkrais. „Power Engine“ bezeichnet ein muskuläres Netzwerk, das die grundsätzliche Stabilität und Kontrolle in der lumbopelvischen Region bereitstellt. Es besteht aus dem Beckenbodenmuskel, Transversus, Multifidus, Zwerchfell, den Muskeln der inneren Oberschenkel, und den Muskeln rund um die Sitzknochen.Die „Power Engine“ wird aktiviert, wenn man die tiefen Bauchmuskeln und den Beckenbodenmuskel (das Tiefenmuskulaturkorsett) quasi aushöhlt, indem man den Nabel in einer Reißverschlussbewegung, vom Schambein zum Brustbein, in Richtung Rückgrat zurückzieht. Dabei werden die Fersen, die Hinterseite der inneren Oberschenkel, die Tiefenmuskulatur des unteren Rückens und die Muskel rund um den Sitzknochen und das Steißbein aktiviert, ohne die natürliche Atemfunktion zu beeinflussen, also den Brustbereich zu kontrahieren oder die Luft anzuhalten. Die „Power Engine“ bietet nicht nur Kontrolle und Stabilität in der lumbopelvischen Region, sondern hebt im Sitzen den Oberkörper und bringt den Schwerpunkt des Körpers in seine höchste also effizienteste Position. Im Stehen streckt sie den Körper bidirektional und reduziert das Gewicht im oberen Körper. Im Liegen ebenso, und auch hier wird der Schwerpunkt des Körpers auf seine höchste und effizienteste Position gebracht. Die „Power Engine“ öffnet die vertikale Dimension des Körpers bidirektional, indem sie das Becken zur Erde hin bindet und das Rückgrat zum Himmel streckt, wie einen Baum, wenn man das Becken als Wurzeln und das Rückgrat als Stamm sieht.[3]
  • Posterior Lateral Breathing: Posterior laterale Atmung erleichtert die bibasale Expansion der Rippen. Um diese Atmung zu beherrschen, müssen zuerst die Rippen erweitert und wieder losgelassen werden ohne dabei das Atmen zur Hilfe zu nehmen. Die Ein- und Ausatmung erfolgt dann instinktiv als Antwort auf die Expansion und das Loslassen der Rippen. Das kann folgendermaßen gemacht werden: Platzieren Sie Ihre Hände auf den unteren Rippen, so dass die Daumen auf den hinteren Rippen liegen. Entspannen Sie dann den oberen Bauchbereich und erweitern Sie Ihre Rippen zur Seite hin gegen den sanften Druck Ihrer Hände. Nun lassen Sie die Rippen wieder los, in dem Sie den Bereich um die Schlüsselbeine „schmelzen“ lassen. Sie können das auch mit einem Handtuch um den unteren Brustkorb machen. Sie werden es nicht schaffen die Rippen effektiv zu dehnen, wenn Sie die Bauchmuskulatur angespannt haben, oder die Rippen wieder loslassen, wenn Sie vorher nicht gedehnt waren. Danach machen Sie das gleiche nochmal und konzentrieren sich diesmal bewusst auf das Ein- und Ausatmen. Die Einatmung erweitert die Rippen lateral, posterior und superior im Verhältnis 60:30:10, wenn Sie einfach kommen gelassen wird. Das fühlt sich hauptsächlich wie eine Aktivität im Rückenbereich an. Die Ausatmung erfolgt graduell, zuerst durch langsames, sanftes Nachlassen der Spannung im oberen Brust und Brustbeinbereich, ohne dabei zu einem Kolaps der vorderen Rippen zu führen. Sie endet in einer Aktivierung der Power Engine.[3]Charleston Samu Rai Marquis - Untere Rückenprobleme - Geometrische Malfunktion des tiefen Muskelkorsetts</ref>

Anwendungen

Probleme im unteren Rücken

Die Mehrheit der bestätigten Forschungen auf dem Gebiet der Dysfunktionen der unteren Rücken- und Beckenbodenmuskulatur haben klar erwiesen, dass Probleme der unteren Rückenmuskulatur stark mit einer geometrischen Funktionsstörung des Tiefenmuskulatur-Korsettsystems (englisch deep muscle corset system, abgekürzt DMCS) korrelieren.

Das DMCS ist eine „muskuläre Synergie“[4] aus dem Musculus transversus abdominis, den tiefen Fasern des Musculus Multifidus Lumborum, dem Zwerchfell und der Beckenbodenmuskulatur. Es wird auch „Power Engine“ (power house) – das „Kraftwerk“ des Körpers genannt. Das DMCS stellt segmentale Stabilität im Becken und in der Wirbelsäule her, indem es intervertebrale (d. h. zwischen den einzelnen Wirbeln) und segmentale Bewegungen des Beckens verhindert.[5]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Homepage des Verbands
  2. Leo Baeck Institute – Guide to the Papers of Carola S. Trier
  3. a b Charleston Samu Rai Marquis - Untere Rückenprobleme - Geometrische Malfunktion des tiefen Muskelkorsetts, englische Fassung hier, bei bodyhood.at
  4. siehe en:Motor coordination#Muscle synergies, Synergist
  5. malfunction of the deep muscle corset system (DMCS), bei bodyhood.at]

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