Pickelhaube

Pickelhaube

Die Pickelhaube (amtlich seinerzeit: „Helm mit Spitze“) war eine zunächst rein militärische, dann auch polizeiliche Kopfbedeckung, die erstmals ab 1843 in der preußischen Armee Verwendung fand und später auch von anderen Ländern übernommen wurde.

Bayerische Pickelhaube

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Der vom preußischen Militär 1843 eingeführte „Helm mit Spitze“ wurde im Volksmund bald „Pickelhaube“ genannt, was schlicht auf die „pieksende“ Spitze, also den „Pickel“, verwies.[1] Die „Haube“ hingegen war im Deutschen schon immer ein anderes Wort auch für den militärischen Helm, wie etwa bei der Sturmhaube und der Beckenhaube. Letztere war – nach einigen Lautverschiebungen in manchen Teilen des deutschen Sprachraums – schon „Bickelhaube“ bzw. „Pickelhaube“ genannt worden.[2] Helmtyp und Name dieser mittelalterlichen Beckenhaube verschwanden aber nach 1450 ganz.[3] Der 1842/43 entwickelte preußische „Helm mit Spitze“ weist daher keine historische Verbindung zur Beckenhaube bzw. „Bickelhaube“ auf.

Im amtlichen Sprachgebrauch kam der Begriff „Pickelhaube“ niemals vor, und auch in seriösen Publikationen (z.B. in Herstellerkatalogen, in sachlichen Artikeln der preußischen Tagespresse etc.) wurde meist nur vom „Helm“ bzw. vom „Helm mit Spitze“ oder „Lederhelm“ gesprochen. Der preußische Helm mit Spitze erlangte in anderen deutschsprachigen Staaten jedoch gerade unter seiner volkstümlichen Bezeichnung „Pickelhaube“ rasch größere Bekanntheit, nach 1871 auch im nicht-deutschsprachigen Ausland. Dort wurde die Pickelhaube bald als typisch preußisch-deutsche Kopfbedeckung bzw. als Sinnbild des preußischen Militarismus betrachtet.[4]

Der preußische „Helm mit Spitze“

Helm des preußischen Garde-Du-Corps (Zeichnung von Anton von Werner, 1871)

1842 wurde unter König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen für die preußische Armee (mit Ausnahme der Jäger, Schützen, Husaren und Ulanen) ein neuer Helm verordnet, der dann 1843 eingeführt wurde. Er war aus gepresstem Leder mit Metallverstärkungen gefertigt und hatte einen Augen- und Nackenschirm. Charakteristisch war die Metallspitze; sie sollte Hiebe mit Säbeln oder ähnlichen Blankwaffen seitlich ablenken. Bei einigen Regimentern (insbesondere bei der Garde) wurde zur Paradeuniform die Spitze durch einen Haarbusch ersetzt. Bei der Artillerie wurde anstelle der Spitze eine Kugel getragen, da sonst bei der Bedienung der Geschütze das Risiko von Verletzungen bestanden hätte. Die Kürassiere trugen eine Ausführung mit stählerner Helmglocke und tief nach unten gezogenem Nackenschirm.

Helm der Garde du Corps, 1900
Kaiser Wilhelm II. beim Oberkommando der 11. Armee 1915

Bei der Garde du Corps, der Leibgendarmerie und den Gardekürassieren wurde zur großen Uniform statt der Spitze eine metallene Adlerskulptur getragen. Der metallene Helmtyp wurde später auch von den Teilen der Jäger zu Pferde (Regimenter Nr. 1 bis 7, 8 bis 13 trugen Lederhelme) übernommen, bestand jedoch aus Tombak. Die beiden sächsischen schweren Kavallerie-Regimenter trugen ab 1875 den Kürassierhelm in Gelbmetall mit weißem Haarbusch zur großen Uniform, ab 1910 beim 1. Regiment zur großen Uniform mit einer Löwenskulptur anstelle der Spitze.

Ob die moderne Pickelhaube wirklich in Preußen erfunden wurde, ist nicht sicher. Der Legende nach sah Friedrich Wilhelm IV. 1842 bei einem Besuch in Russland auf dem Schreibtisch des Zaren das Vorserienmodell einer russischen Pickelhaube und war davon so begeistert, dass er diese Helmform sofort in Preußen einführte, während Russland erst 1846 folgte. Angeblich wurden aber auch schon vor 1842 bei einer bayerischen Feuerwehr Helme dieses Typs getragen.

Von Preußen ausgehend verdrängte diese Helmform nach und nach bei allen deutschen Staaten andere Helmtypen und den bis dahin üblichen Tschako. 1857 wurde die Helmglocke flacher und bekam ihre heute bekannte, charakteristische Form. Dieses Modell wurde in der Kaiserzeit (ab 1871) von allen deutschen Ländern verwendet und mit einem Messingemblem in Form von Landestier oder Landeswappen getragen. 1897 bekam sie zwei Kokarden (eine in den Reichs- und eine in den Landesfarben), die seitlich unter den Ansatzrosetten des Kinnriemens bzw. der Schuppenkette angebracht waren. 1886 gab letztlich sogar Bayern den für sein Heer bis dahin typischen Raupenhelm auf und übernahm die Pickelhaube (wobei in Bayern, anders als in den übrigen Bundesstaaten, auch bei der Artillerie eine Spitze und kein Kugelaufsatz getragen wurde), auch wenn die bayerischen Generäle mit Rücksicht auf Vorbehalte von Prinzregent Luitpold weiterhin den in Bayern üblichen Generalshut trugen.

Den Einsatzbedingungen eines modernen Krieges war das 1895 eingeführte, vorletzte Pickelhaubenmodell zu Beginn des Ersten Weltkrieges nicht mehr gewachsen. Die Messingbeschläge reflektierten das Licht und erschwerten die Tarnung des Soldaten im Feld. Als Konzession an die moderne Kriegführung trug man deshalb schon seit 1892 im Kampf- und Manövereinsatz einen beigefarbenen Helmüberzug mit roter, aufgenähter oder aufgemalter Regimentsnummer. Die meisten Kopfverletzungen im Krieg infolge des gewaltig gesteigerten Artillerieeinsatzes wurden durch Granatsplitter verursacht, gegen die der alte Helm unzureichenden Schutz bot. Weiter ragte die Helmspitze oft verräterisch aus dem Schützengraben heraus. Als Übergangslösung ordnete die Oberste Heeresleitung daher 1915 an, die Spitze im Fronteinsatz nicht mehr zu tragen. Beim letzten, noch während des Krieges hergestellten Pickelhaubenmodell ließ sich die Spitze auf sehr einfache Weise abschrauben, auch der Helmüberzug wurde entsprechend abgeändert. Die Farbe wurde generell feldgrau, die auffällige rote Regimentsnummer entfiel. Um Leder einzusparen, wurde die letzte Generation der Pickelhaube zum Teil auch aus Ersatzmaterialien wie Filz oder Pappe hergestellt. Als verbesserter Kopfschutz wurde dann im Laufe des Jahres 1916 im deutschen Heer der Stahlhelm aus heißgepresstem Chromnickelstahl eingeführt.

Spätere Verwendung

Die Svea Livgarde trägt einen Kürassierhelm in der klassisch-preußischen Form.

Die Pickelhaube blieb nach dem Weltkrieg teilweise noch bei Polizei und Feuerwehr in Gebrauch. In den 20er Jahren wurde sie häufig von Weltkriegsoffizieren und Kriegervereinsmitgliedern bei Veteranentreffen, Beerdigungen und ähnlichen Gelegenheiten getragen. Auch Hindenburg trug diese Kopfbedeckung bei manchen offiziellen Anlässen noch während seiner Amtszeit als Reichspräsident, z. B. am „Tag von Potsdam“.

Auch in einigen anderen europäischen Ländern (z.B. von einigen englischen Regimentern), in lateinamerikanischen Staaten und in den USA wurden von einigen militärischen oder polizeilichen Formationen zeitweilig Pickelhauben getragen.

In England, Chile und Schweden werden Helme in Pickelhaubenform heute noch von Paradeeinheiten bei besonderen Anlässen getragen. Auch der Helm der britischen Bobbys ist eine Abwandlung der ursprünglichen, höheren Version der Pickelhaube. Ein englisches Polizeimodell hat auch eine Spitze mit einer Kugel. Bei der Paradeuniform der britischen Gardekavallerie ist die Spitze durch den Rosshaarbusch ersetzt.

Symbolische Bedeutung

US-amerikanischer Rekrutierungsaufruf von 1917, nach einem britischen Original
Australische Karikatur auf deutsche Weltmachtambitionen
Französische Karikatur auf deutsche Ambitionen auf französische Gebiete

Zwischen 1842 und 1871 wurde die Pickelhaube im deutschsprachigen Raum bald als charakteristisches Symbol des preußischen Militarismus betrachtet. Nach der Gründung des Deutschen Reichs durch Preußen 1871 wurde dieser preußische Militarismus auch im nicht-deutschsprachigen Ausland zu einem deutschen Militarismus umgedeutet, als dessen charakteristischer Ausdruck die Pickelhaube wahrgenommen wurde. In zahlreichen Karikaturen wurde diese Einschätzung durch die Darstellung pickelhaubentragender deutscher Aggressoren ausgedrückt. Dies war insbesondere bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (und damit bis zum Ende der preußischen Vormachtstellung in Deutschland) der Fall. Aber auch heute noch steht die Pickelhaube im Ausland mitunter stellvertretend für das Deutsche als solches. So wird sie zum Beispiel bei sportlichen Wettkämpfen von manchen deutschen Fans getragen, oder gegnerische Fans stellen „die Deutschen“ mit Pickelhauben dar.

In der Gebärdensprache der Gehörlosen symbolisiert der ausgestreckte, nach oben zeigende und über die Stirn gehaltene Zeigefinger die Pickelhaube und bedeutet deutsch.

Der Dichter Heinrich Heine erwähnt die Pickelhaube ironisch in seinem Epos Deutschland. Ein Wintermärchen:

Nicht übel gefiel mir das neue Kostüm
Der Reuter, das muß ich loben,
Besonders die Pickelhaube, den Helm
Mit der stählernen Spitze nach oben.

(...)

Ja, ja, der Helm gefällt mir, er zeugt:Vom allerhöchsten Witze!
Ein königlicher Einfall war's!
Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze!
Nur fürcht ich, wenn ein Gewitter entsteht,
Zieht leicht so eine Spitze
Herab auf euer romantisches Haupt
Des Himmels modernste Blitze!

Literatur

  • Ulrich Schiers, Die Verbreitung der Pickelhaube in den deutschen Staaten (Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums im Schloss Rastatt, Reihe 5: Kopfbedeckungen. Band 1), Freiburg 1988
  • Laurent Mirouze: Infanteristen des Ersten Weltkriegs Verlag Karl-Heinz Dissberger, Düsseldorf 1990 ISBN 3-924753-28-8
  • Hein, Das kleine Buch vom Deutschen Heere, Kiel und Leipzig 1901 (Reprint Augsburg 1998)

Weblinks

 Commons: Pickelhaube – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Günther Drosdowski (Bearbeitung): Duden – Das Herkunftswörterbuch – Etymologie der deutschen Sprache, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim 1989, ISBN 3-411-20907-0, S. 530 f.
  2. Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. Auflage. De Gruyter: 1999.
  3. Liliane und Fred Funcken (1990): Historische Waffen und Rüstungen vom 08. bis 16. Jahrhundert. Orbis Verlag, S. 26-44, S. 241-257.
  4. http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/print_document.cfm?document_id=1405

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