Philippe Basiron

Philippe Basiron

Philippe Basiron (* um 1450 in Bourges; † kurz vor dem 31. Mai 1491 ebenda; auch Baziron, Barizon, Philippon, Philippon de Bourges) war ein französischer Komponist, Organist und Kleriker.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Philippe Basiron wurde etwa um 1450 in Bourges geboren. Seit Oktober 1458 gehörten er und sein Bruder Pierron zu den 6 Chorknaben der Sainte-Chapelle in Bourges. Diese, zwischen 1392 und 1405 für Johann I. erbaut, war Teil des Herzogspalastes. Vom Oktober 1458 bis zum 31. März 1459 war Messire Jehan Gaudier, alias Doucet, für Unterhalt und Belehrung der Basirons verantwortlich.

Im Finanzjahr 1458/59 (1. Juli 1458 - 30. Juni 1459) grassierte eine Seuche in Bourges, von der viele Geistliche befallen wurden; vielleicht auch Philippon, der Chorknabe, den ein Arzt besuchte und von einer ernsten Infektion des Beines kurierte.

Ab dem 24. Juni 1462 war Guillaume Faugues für 3 Monate Magister puerorum in Bourges. Dieser bedeutende Komponist dürfte von großem Einfluss auf die musikalische Entwicklung Basirons gewesen sein, auch wenn Genaueres nicht bekannt ist. Immerhin fällt auf, dass zu dieser Zeit ein Manicordium, eine Art Klavichord, an dem man das Orgelspiel erlernte, ausdrücklich für Basiron angeschafft wurde. Dass man bereits für einem 12- bis 13-jährigen ein Manicordium kaufte, spricht für die exzeptionelle Begabung des Kindes, die von den Verantwortlichen offenbar erkannt und gefördert wurde. Das vielversprechende Talent brachte das Kapitel dazu, die Arbeit an der Rekonstruktion der Orgel wieder aufnehmen zu lassen, die wegen des Todes des Orgelbauers unterbrochen worden war.

1462/63 benötigte Philippon wieder medizinische Hilfe. Er wurde von Phillebert Guerin wegen einer schwächenden Krankheit behandelt, die von einem Dornenstich herrührte.

Höhepunkt des Jahres 1462 dürfte der Besuch Johannes Ockeghems im November gewesen sein. Sicherlich weilte Ockeghem nicht zum ersten Mal in Bourges, denn sein Dienstherr, der französische König Karl VII. residierte zwischen 1451 und 1461 häufig in Bourges oder im Chateau in Mehun-sur-Yèvre, das 10 Meilen von Bourges entfernt liegt. Dass Ockeghem Einfluss auf Basiron gehabt hat, beweisen dessen Sätze der ockeghemschen Chanson D’ung aultre amer.

Im Mai 1464 wurde Philippon mit der Leitung der Chorknaben und deren Unterrichtung betraut: Er übernahm damit Aufgaben des magister puerorum, nahm vorerst aber diese Aufgabe nur inoffiziell wahr. Erst ab dem 1. April 1466 wurde er für seine Tätigkeit vergütet.

Etwa 1467 hat Philippon die maîtrise für kurze Zeit verlassen. Er suchte sich Patrone und fand sie in dem Kardinal von Angers und dem Erzbischof von Bourges, die zu den mächtigsten Geistlichen Frankreichs gehörten. Der Bischof von Angers war Jean de La Balue, persönlicher Almosenier und politischer Ratgeber Ludwigs XI. Der Erzbischof von Bourges war Jean Cœur, Sohn des reichen Kaufmanns Jacques Cœur, dem argentier König Karls VII.

Wenigstens seit 1467 war Basiron Vikar der Kathedrale und erhielt nun regelmäßig Brot und Wein und vierteljährlich Spenden vom Kapitel zugewiesen. 1467/68 erhält er Geld für ein chape, eine lange Festrobe, wahrscheinlich aus Anlass seiner Promotion, des symbolischen Eintritts ins Erwachsenenalter.

Am 4. Februar 1469 wurde er vom Kapitel zum Vorsteher der Chorknaben gewählt. Zuvor war er nach Paris zum Schatzmeister der Sainte-Chapelle von Bourges gesandt worden, der sich als des Königs Kanzler am Pariser Parlement nur selten in Bourges aufhielt, und ersuchte um dessen Genehmigung für die Wahl nach. Basiron selbst hatte der Wahl dadurch befördert, indem er am 21. Januar 1469 das Kapitel an das Versprechen erinnert hatte, ihn zum Magister puerorum zu bestimmen. Er erklärte, dass er im Glauben an die Versicherung seine Dienste beim Kardinal von Angers, beim Erzbischof von Bourges und bei anderen Herren niedergelegt habe, von denen ihm alle Zeichen der Gunst bezeugt worden seien. Würde er nicht bald mit dem Amt versehen, könne er nicht mehr die finanziellen Verpflichtungen seiner Mutter, Geschwister und anderen Verwandten gegenüber erfüllen. Darauf hin beschloss das Kapitel, Philippon mit der Amt zu betrauen und dem Magister puerorum, Johannes Laloyer, dit Ambrois (oder Ambois), der übrigens vor seiner Anstellung in Bourges Magister puerorum an Saint-Martin de Tours gewesen war, innerhalb eines Monats eine andere Position zu verschaffen. Laloyer aber hatte sich am 14. Januar 1469 an das Kapitel gewandt und erklärt, dass er gerüchteweise von der Absicht, ihn zu entlassen, gehört habe. Dafür gebe es jedoch keinen Grund. Würde man dennoch verfahren wollen, wie er befürchte, würde er bereits jetzt protestieren und seine Sache in die Hände Martin Bonins, des Generalvikars des Schatzmeisters, legen. Das Kapitel beruhigte ihn und versicherte, dass man nicht daran denke, ihn seiner Position zu entheben. Dennoch beschloss das Kapitel eine Woche später genau dieses. Am 4. Februar 1469 entband es Laloyer seinen Pflichten und zwar ‘aus gewissen Gründen, die es - das Kapitel - gezwungen hätten, so zu verfahren’.

Basiron blieb bis wenigstens 1473 magister puerorum. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass zwischen März 1464 und Juli 1467 nicht weniger als fünf Personen das Amt innegehabt hatten.

Aufgabe des magister puerorum war es nicht nur, für das leibliche und moralische Wohlergehen der Knaben zu sorgen, sondern sie Kontrapunkt und das Spielen eines Instrumentes zu lehren. Basiron hatte keine einfache Aufgabe. Die niederen Geistlichen waren oft nicht mehr als ein Haufen pubertierender Heranwachsender. Basiron war nicht älter als sie. In regelmäßigen Abständen verwarnte das Kapitel sie, die Statuten zu achten. Sainte-Chapelle war keine Zitadelle frommer Tugend. Wiederholt wurde den jungen Clerikern unter Androhung des Verlustes ihrer vierteljährlichen Besoldung nahegelegt, ihren Gesang zu mäßigen, Kämpfe untereinander zu unterlassen, insbesondere während der Messe, des weiteren Abstand davon zu nehmen, in der Stadt rote Hüte und Schuhe zu tragen, ihr Haar stattdessen kurz zu halten, und vor allem Konkubinen und Frauen schlechten Rufs zu meiden Diese Ermahnungen nützten nicht immer.

1471 war Basiron wieder in einen Streit verwickelt, der sich über ein Kanonikat und eine Prebende an der Kirche von Saint-Oûtrille-du-Château, einer Departance der Sainte-Chapelle, erhob. Deren Schatzmeister hatte das Recht, die dortigen Präbenden zu vergeben. Basiron brachte am 7. Juni 1471 vor, dass dieses Kanonikat und diese Prebende entgegen den Statuten einem anderen Mitglied der Sainte-Chapelle übertragen worden seien, und forderte, dass die Ernennung rückgängig gemacht und das Benefizium ihm selbst übertragen werde. König Ludwig XI. persönlich wandte sich in dieser Angelegenheit an das Kapitel, sein brevet erreicht es am 14. Juni 1471. Päpstliche Bullen zitierend, die Ludwigs Bruder, Karl von Frankreich, zugunsten Basirons erhalten hatte, erklärte der König, dass ‘unser geliebte Philippe Basiron’ besagtes Benefizium sehr wohl verdiene, weil er immerfort und hingebungsvoll in unserer Kapelle - der Sainte-Chapelle - Tag und Nacht seit seiner Kindheit gedient habe und nun die Erziehung der Chorknaben gewissenhaft überwache. Mehrere Wochen verstrichen, und das Kapitel rührte sich nicht. Schließlich befahl der König, Basiron das Benefizium zu übergeben oder die Konfiszierung der Vermögenswerte des Kapitels hinnehmen zu müssen. Am 5. Juli 1471 wurde Basiron die Präbende übertragen. Erstaunlich ist, dass sich der König so für einen Komponisten einsetzte, der gar nicht seinem Haushalt angehörte. Basiron muss, aus welchen Gründen auch immer, erheblichen politischen Einfluss gehabt haben.

Während der Zeit des Streites war Basiron bereits Student der Rechte. Er studierte an der 1463 von Ludwig XI. auf Bitten Karls von Berry gegründeten Universität zu Bourges. Offenbar hinderte das Studium Basiron nicht, seinen Pflichten als maître des enfants nachzukommen.

Am 11. Februar 1474 übernahm François Maugis das Amt des Magisters puerorum. Da die Akten der Sainte-Chapelle aus der Zeit nach 1474 nicht erhalten sind, ist nicht bekannt, wo sich Basiron nach 1473 aufgehalten hat. Wahrscheinlich ging er nach Orléans, wo zwischen 1473 und 1481 ein Organist namens Philippe Bourges nachweisbar ist. Die Verbindung nach Bourges brachen auch in dieser Zeit nicht ab. Ende der 1480er Jahre übernahm Basiron ein Vikariat an der Kirche von Saint-Pierre-le-Guillard in Bourges, die der Jurisdiktion der Sainte-Chapelle unterstand. Diese Position versorgte Bairon mit einem Haus und einem Garten in der heute noch existierenden Rue des Arènes, etwa 2 Häuserblocks entfernt von der Sainte-Chapelle.

Kurz vor dem 31. Mai 1491 verstarb Basiron in Bourges. An diesem Tag nämlich wandte sich Karl VIII. an die Sainte-Chapelle und empfahl für das frei gewordene Vikariat Philippons dessen Bruder, Johannes Basiron, Kaplan der Sainte-Chapelle. Basiron starb als Magister der Rechte; offenbar war er kein Priester, denn er wurde einfach als clericus bezeichnet.

Philippon hatte zwei Brüder. Pierre, etwa gleichaltrig mit Philippon, war mit diesem als Chorknabe in der Sainte-Chapelle eingetreten und 1469 Prior des Konvents Notre Dame de la Comtale in Bourges. 1498 betraute man ihn mit der Korrektur von zwei Psaltern. 1517 übernahm er ein Kanonikat, das Antoine de Longueval seit dem 5. März 1510 innegehabt hatte. Er starb 1529.

Johannes Basiron wurde 1475 zum ersten Mal erwähnt, war aber wohl schon 1468 in die Obhut des magister puerorum gegeben worden. Er dürfte etwa um 1460 geboren worden sein. Er wurde 1491 für das Vikariat seines verstorbenen Bruders vorgeschlagen. 1495 wurde er aus unbekannten Gründen exkommuniziert und seiner Einkünfte aus dem Vikariat beraubt, die ihm aber unter der Bedingung, dass er seiner Mutter 100 sous zahle, wieder bewilligt wurden. Zwei Wochen später, Anfang September 1495, starb er.

Werke

Messen

  1. Missa da Franza;
  2. Missa l’homme armé (am 24. März 1484 in Ferrara als neu erwähnt);
  3. Missa Regina caeli.

Basiron zugeschriebene Messe

  1. Missa D’ung aultre amer (von Dean Basiron, von Reynolds Loyset Compère zugeschrieben, Beziehungen zu Guillaume Faugues Missa Serviteur).

Motetten

  1. Inviolata integra et casta;
  2. Regina caeli (4-stimmig);
  3. Salve regina (auch Johannes Ockeghem zugeschrieben).

Chanson

  1. De m’esjouir plus n’ay puissance (Rondeau);
  2. D’ung aultre amer I (zitiert im Tenor L’homme armé);
  3. D’ung aultre amer II;
  4. Je le sçay bien (Rondeau);
  5. Nul ne l’a tele (Bergerette, zitiert Discantus aus ‘Je ne viz onques la pareille’ von Guillaume Du Fay oder Gilles Binchois oder Antoine Busnoys);
  6. Tant fort me tarde (Rondeau).

Würdigung

Der Ruhm Basirons verbreitete sich schon zu dessen Lebzeiten. Ercole I. d’Este, Herzog von Ferrara, bat in einem Brief vom 24. März 1484 um die Zusendung der neuen Missa L’homme armé Philippons. Noch einige Zeit nach seinem Tod erinnerte man sich seiner. Der Dichter-Musiker Eloy d’Amerval zählte in seinem Livre de la déablerie 1508 Basiron zu den 17 oder 20 großen Musikern des 15. Jahrhunderts. Pierre Moulu feierte ihn mit anderen Komponisten der Ockeghem-Generation in seiner Motette Mater floreat florescat. Guillaume Crétin erwähnte ihn in seiner Déploration auf den Tod Johannes Ockeghems. F. Gaffurius lobte 1496 Philippon de Bourges wegen des korrekten Notation der Sesquialtera.

Quellen


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