Phasentransformation

Phasentransformation

Ein Phasenübergang bzw. eine Phasentransformation ist die Umwandlung einer oder mehrerer Phasen in andere Phasen. Die notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für eine solche Umwandlung besteht darin, dass die freie Enthalpie der Reaktionsprodukte geringer ist als die der Edukte. Die freie Enthalpie hängt von den so genannten Zustandsvariablen des Systems ab: dem Druck, der Temperatur, der chemischen Zusammensetzung und der magnetischen Feldstärke. Eine graphische Antwort auf die Frage, bei welchen Kombinationen dieser Bedingungen welche Phase stabil sind, liefern Phasendiagramme. In diesen Diagrammen sind die Stabilitätsbereiche durch Phasengrenzlinien begrenzt, an denen die Phasenübergänge ablaufen.

Inhaltsverzeichnis

Klassifizierung

Phasenübergänge können zwischen festen, flüssigen und gasförmigen Phasen auftreten. Für Phasenübergänge zwischen bestimmten Aggregatzuständen gibt es spezielle Bezeichnungen:

In einigen Stoffsystemen verschwinden oberhalb eines kritischen Punktes, der durch eine kritische Temperatur und einen kritischen Druck gekennzeichnet ist, die Phasengrenzflächen zwischen flüssiger und gasförmiger Phase. Damit sind Flüssigkeit und Gas unter diesen Bedingungen nur noch eine Phase, die "überkritisch" genannt wird. Somit kann es dort auch kein Verdampfen und Kondensieren mehr geben. Ebenso kann es in einigen Stoffsystemen einen Tripelpunkt geben, an dem sowohl eine feste, als auch eine flüssige und eine gasförmige Phase im Gleichgewicht miteinander stehen und dementsprecht alle sechs genannten Formen des Phasenübergangs gleichzeitig ablaufen.

Für Phasenübergänge in Festkörpern unterscheidet man drei Klassifikationsprinzipien:

  • Thermodynamische Klassifikation
  • Strukturelle Klassifikation
  • Kinetische Klassifikation

Thermodynamisch unterscheidet man nach der Ehrenfest-Klassifikation Phasenübergänge erster und höherer Ordnung. Bei ersteren sind Größen wie Volumen, Enthalpie oder Entropie in der Umgebung des Phasenübergangs sprunghaft, bei letzteren stetig (die n. Ableitung des Ordnungsparameters ist unstetig). Da diese thermodynamischen Größen im Zusammenhang mit makroskopischen Eigenschaften wie z.B. der Doppelbrechung oder der Deformation des Kristallgitters stehen, kann man auch letztere zur Klassifikation von Phasenübergängen heranziehen (Landau-Theorie). Beispielsweise ist reines Wasser bei Normaldruck und einer Temperatur von Null Grad Celsius, also an seinem Schmelzpunkt, entweder eine Flüssigkeit oder ein Feststoff. Zur Überführung vom festen in den flüssigen Zustand muss zusätzlich Wärmeenergie (in Form von latenter Wärme) zugeführt werden, ohne dass es zu einer tatsächlichen Temperaturerhöhung kommt. Das Schmelzen von Eis ist also ein Phasenübergang erster Ordnung. Ein ferromagnetischer Stoff verliert hingegen ab einer kritischen Temperatur (der Curie-Temperatur) seine ferromagnetische Ordnung und wird paramagnetisch, ohne dass dabei zusätzlich latente Wärme auftritt. Dieses Verhalten kennzeichnet einen kontinuierlichen Phasenübergang.

Nach der strukturellen Klassifikation unterscheidet man zwischen diskontinuierlichen (=rekonstruktiven), martensitischen und kontinuierlichen Phasenübergängen. Diskontinuierliche Phasenübergänge sind durch den Bruch chemischer Bindungen charakterisiert. Ein Beispiel ist die Umwandlung von Graphit in Diamant. Bei martensitischen Phasenübergängen wird das Kristallgitter geschert. Ein Beispiel ist die Umwandlung von γ- zu α-Eisen. Martensitische Phasenübergänge werden nochmals in athermale und isothermale Phasenübergänge gegliedert. Im Unterschied zu ersteren ist der Umwandlungsgrad bei letzteren zeitabhängig. Kontinuierliche Phasenübergänge sind nur mit einer Ordnung der Kristallstruktur verbunden. Man unterscheidet zwei Subtypen: Displazive und Ordnungs-Unordnungs-Phasenübergänge. Bei ersterem kommt es zu einer Verschiebung oder Rotation der Atompositionen (z.B. bei der Umwandlung von Hochquarz in Tiefquarz), bei letzteren zu einer Ordnung mehrerer auf verschiedene Atompositionen statistisch verteilter Atome, so dass jede Position nur noch mit einer Atomsorte besetzt ist. In beiden Fällen kann es zum Auftreten großräumiger Periodizitäten kommen, welche die Gitterstruktur überlagern. Man bezeichnet diese als inkommensurable Strukturen.

Die kinetische Klassifikation unterteilt Phasenübergänge nach ihrer Reaktionsgeschwindigkeit in Phasenübergänge nullter Ordnung, bei denen die Reaktionsgeschwindigkeit konstant ist, Phasenübergänge erster Ordnung, bei denen sie von der Konzentration der Ausgangsphase abhängt und Phasenübergängen zweiter (dritter) Ordnung, bei denen sie von den Konzentrationen von zwei (drei) Ausgangssubstanzen abhängt.

Beispiele

Phasenübergänge sind oft mit der Änderung bestimmter Materialeigenschaften verbunden, z.B.:

Theorie

Die Theorie kontinuierlicher Phasenübergängen geht von einem Ordnungsparameter aus (z.B. der Magnetisierung bei der Umwandlung eines Ferromagneten in einen Paramagneten). Bei kontinuierlichen Phasenübergängen geht der Ordnungsparameter bei Annäherung an den Umwandlungspunkt kontinuierlich gegen Null (dagegen springt er an einem Phasenübergang 1. Ordnung) und die Korrelationslänge divergiert (bei einer Umwandlung 1. Ordnung bleibt sie endlich). Es lassen sich sehr unterschiedliche Arten von kontinuierlichen Phasenübergängen in Universalitätsklassen zusammenfassen, was letztlich erneut auf die Divergenz der Korrelationslänge zurückzuführen ist. Diese Klassen können durch einige wenige Parameter charakterisiert werden. Beispielsweise verschwindet der Ordnungsparameter in der Nähe des kritischen Punktes, z. B. als Funktion des Temperaturabstandes zum Übergangspunkt, in der Form eines Potenzgesetzes. Der zugehörige Exponent, der kritische Exponent, ist ein solcher Parameter.

Der Zusammenhang zwischen grundlegenden Symmetrien der jeweiligen Phasen und den Werten dieser Parameter ist im Rahmen der Statistischen Physik in den letzten Dekaden ausführlich theoretisch untersucht und auch in einer Vielzahl von Experimenten (nicht nur im Space Shuttle) sowie in Computersimulationen überprüft worden. Bei theoretischen Beschreibungen von Phasenübergängen wird mitunter die Landau- oder Mean-Field-Theorie benutzt. Dabei werden jedoch kritische thermische Fluktuationen vernachlässigt, die in der Umgebung des Übergangs eine wesentliche Rolle spielen können (und bespielsweise in der kritischen Opaleszenz beobachtet werden). Die Landau-Theorie kann trotzdem als Ausgangspunkt genauerer Theorien (von der Skalentheorie von Pokrowski und Patashinski bis hin zur epsilon-Entwicklung von K.G. Wilson und M.E. Fisher) wertvolle erste Einsichten vermitteln. Dies ist insbesondere von Kenneth G. Wilson erkannt worden, der 1982 den Nobelpreis für bahnbrechende Arbeiten über kontinuierliche Phasenübergänge erhielt. Wilson ist einer der entscheidenden Pioniere der Renormierungsgruppentheorie, die berücksichtigt, dass bei kontinuierlichen Phasenübergängen die kritischen Fluktuationen auf vielen Längenskalen in selbstähnlicher Form stattfinden. Analoge Theorien finden heute in vielen Bereichen der Physik und Mathematik Anwendung.

Bedeutung für natürliche Prozesse

Das Wissen über die physikochemischen Bedingungen, bei denen Phasenübergänge ablaufen, erlaubt Mineralogen Rückschlüsse über die Entstehungsgeschichte von Gesteinen. Wenn ein Gestein unter hohe Drücke und Temperaturen gerät, kommt es in vielen Fällen zu einer Phasenumwandlung. Unter der Voraussetzung, das die anschließende Abkühlung so rasch erfolgt, dass die Umkehrreaktion aufgrund der bei tiefen Temperaturen kaum noch möglichen Diffusion nicht mehr stattfindet, kann man davon ausgehen, dass die bei hohen Temperaturen und Drücken stabilen Minerale "eingefroren" werden und so an der Erdoberfläche erhalten bleiben. So sind Aussagen darüber möglich, welche Temperaturen und Drücke ein Gestein im Laufe seiner Genese "gesehen" hat. Beispiele hierfür sind die Phasenübergänge zwischen Andalusit, Sillimanit und Disthen im Bereich der Aluminosilikate, die Umwandlung von Graphit in Diamant und von Quarz in Coesit oder Stishovit. Das durch experimentelle Mineralogie erworbene Wissen über Phasenübergänge erklärt auch das rheologische Verhalten des Erdmantels: Das Eisen-Magnesiumsilikat Olivin wandelt sich in 410 km Tiefe in den in der β-Spinell-Struktur kristallisierenden Wadsleyit um, der sich seinerseits in 520 km Tiefe weiter in den in der γ-Spinell-Struktur auftretenden Ringwoodit umwandelt (siehe auch die Artikel 410-km-Diskontinuität und 520-km-Diskontinuität). Dabei kommt es zu keinerlei chemischen Veränderungen, sondern nur zu einer Änderung der Kristallstruktur. Am Beispiel der Umwandlung von Coesit in Stishovit kann man gut erklären, warum es zu einer Phasenumwandlung kommt: Unter normalen Bedingungen ist Silizium von vier Sauerstoffatomen umgeben, unter hohen Drücken rücken die Atome jedoch dichter zusammen, so dass die Koordination durch sechs Sauerstoffatome energetisch günstiger ist.

Bedeutung für technische Prozesse

Während des keramischen Brandes wandelt sich bei einer Temperatur von 573 °C Quarz in Hochquarz um. Dabei ändert sich das Volumen. Bei einer zu großen Heizrate kann dies zum Zerspringen der Keramik führen. Deshalb wird die Heizrate in diesem Temperaturbereich gedrosselt. Im Bereich der Konservierung von Kunstobjekten werden die Gegenstände oft kühl und trocken gelagert und auch ausgestellt. Bei Objekten aus Zinn ist dies nicht richtig, weil dieses unterhalb von 15 °C in eine andere Modifikation übergeht, deren äußeres Erscheinungsbild wenig attraktiv ist und die als Zinnpest bezeichnet wird. Für die Kunstgeschichte ist es interessant zu wissen, dass früher oft das Blaupigment Azurit für die Darstellung des Himmels verwendet wurde. Im Lauf der Jahrhunderte ist dieses jedoch in die thermodynamisch stabile Form Malachit umgewandelt worden, welche grün ist. Dadurch ist der Himmel auf alten Bildern manchmal grün. Bei der Stahlerzeugung sind mit der Umwandlung der Eisenmodifikation Ferrit in Martensit Veränderungen des Gefüges verbunden, die für die Eigenschaften des Stahls von großer Bedeutung sind. In zweidimensionalen Materialien, z. B. in dünnen magnetischen Schichten, kann es nur unter eingeschränkten Bedingungen langreichweitige Ordnung und damit einen Phasenübergang geben. Dieser interessante Aspekt wird im Mermin-Wagner-Theorem (nach N. David Mermin und Herbert Wagner) behandelt und ist auch experimentell untersucht worden.

Paraffine besitzen eine besonders große Volumenänderung um etwa 30 % beim Phasenübergang von fest nach flüssig. Dieser Hub kann für die Konstruktion von Aktoren genutzt werden.

Siehe auch

Literatur

  • H.E. Stanley, Introduction to Phase Transitions and Critical Phenomena, Oxford University Press (1971)
  • W. Gebhard, U. Krey, Phasenübergänge und kritische Phänomene, Vieweg (1980)
  • Phase Transitions and Critical Phenomena, Band 1-20 (1972-2001), Academic Press, Hrsg: C. Domb und M.S. Green bzw. J.L. Lebowitz
  • M.E. Fisher, Renormalization Group in Theory of Critical Behavior, Reviews of Modern Physics, Band 46, S. 597-616 (1974)
  • Mats Hillert: Phase equilibria, phase diagrams and phase transformations - their thermodynamic basis. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2008, ISBN 0-521-85351-6
  • Pierre Papon (et al.): The physics of phase transitions - concepts and applications. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-54-033389-0
  • Vadim V. Brazhkin New kinds of phase transitions - transformations in disordered substances. Kluwer Academic, Dordrecht 2002, ISBN 1-402-00825-2

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