Phantasiestil

Phantasiestil

Die römische Wandmalerei (nach dem wichtigsten Fundort auch römisch-pompejanische Wandmalerei) bezeichnet die verschiedenen Wandmalstile, die im römischen Reich vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zur Spätantike gebräuchlich waren. Nie vorher und nie wieder nachher in der Geschichte der Menschheit hatten Wandmalereien eine so weite Verbreitung. Sie finden sich in den Wohnungen der Reichen, aber auch in kleinen Wohnbauten in der tiefsten Provinz, von Britannien bis nach Ägypten, von Pannonien (Ungarn) bis nach Marokko. [1]

Teilansicht der Aldobrandinischen Hochzeit, Rom, augusteisch

Inhaltsverzeichnis

Die Malerei in den Vesuvstädten

Der Ascheregen, verursacht durch den Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr., konservierte die Malereien in den verschütteten Städten Pompeji und Herculaneum. Diese Werke dienen, aufgrund ihres guten Erhaltungszustandes, als Ausgangspunkt der meisten Untersuchungen über römische Wandmalerei.

Pompeji wurde Ende des 16. Jahrhunderts durch Domenico di Trana wiederentdeckt. Di Trana grub einen Stollen bis ins Forum, erkannte jedoch nicht, dass er auf die Reste Pompejis gestoßen war. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die Grabungen durch Fürst d’Elboeuf fortgesetzt. Auch er arbeitete willkürlich und grub, ohne eine Vorstellung zu haben, an welchem antiken Ort er sich befand. Erst Karl III., König von Neapel und Sizilien, ließ gezielte Ausgrabungen durchführen. 1735 wurden die Arbeiten in Herculaneum begonnen, 10 Jahre später fanden erneut Ausgrabungen in Pompeji statt. Durch Joseph und Caroline Bonaparte (Geschwister Napoleons), die nacheinander den Thron Neapels bestiegen und die Grabungen förderten, erlebten diese einen neuerlichen Aufschwung. Im 19. Jahrhundert machte der italienische König Viktor Emanuel II. Giuseppe Fiorelli zum Ausgrabungsleiter. Dieser leitete erstmals systematische Ausgrabungen ein: der Schutt wurde entfernt, die Häuser mit Nummern versehen und in Regiones (Stadtteile) und Insulae (Wohnblocks) eingeteilt.

Stile

1882 teilte August Mau die Wandmalerei von Pompeji in vier Stile ein:

  • 1. Stil / Mauerwerkstil: ca. 200–80 v. Chr.
  • 2. Stil / Architektur- oder Illusionsstil: ca. 100–15 v. Chr.
  • 3. Stil / ornamentaler Stil: ca. 15 v. Chr.-50 n. Chr.
  • 4. Stil / Phantasiestil: 50–79 n. Chr.

Bei den Stilen handelt es sich um Wanddekorationen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Stilen sind fließend. 79 n. Chr. brach der Vesuv aus und Pompeji wurde verschüttet, die einzelnen Stile lassen sich in Pompeji, aber auch an anderen Orten nachweisen.

Techniken

Die meisten Malereien wurden mit einer Mischung aus Fresko- und Temperatechnik hergestellt. In mehreren Schichten wurde Putz auf die Wände aufgetragen, wobei die Anzahl der Schichten variieren konnte. Generell zeigen frühere Malereien und solche in reicheren Häusern mehr Schichten als spätere und solche in nicht so reichen Wohnbauten. Von oben beginnend wurden die Putzschichten und dann die Malereien auf die Wand aufgetragen und unten zum Schluss fertiggestellt. Aufwendigere Malereien wurden zusätzlich poliert.

Wandaufbau

Die Wände sind trotz großer Variationen im Detail nach demselben Schema aufgebaut. Es gibt immer eine Sockelzone, eine Mittelzone und eine Oberzone. Die Sockelzone ist meist eher einfach gestaltet, sie kann einfarbig sein, kann aber auch Imitationen von Marmor oder einfache Malereien von Pflanzen tragen. Geometrische Muster sind auch sehr beliebt. In der Mittelzone entfaltet sich dagegen das Hauptgewicht der Bemalung. Hier findet man je nach Stil aufwendige Architekturen oder einfache Felder, wobei der Wandmitte meist ein besonderes Gewicht zukam und von einem Gemälde geziert wurde. Feldermalereien, die vor allem ab dem 3. Stil sehr verbreitet waren, bestehen aus einem Wechsel breiter einfarbiger und schmaler, oft reich mit Pflanzen, irrealen Architekturen oder anderen Mustern dekorierter Felder. In der Oberzone finden sich gerne leichte Architekturen. Die Oberzone fehlt bei vielen einfachen Wandmalereien in den Provinzen.

Deckenmalereien, die viel weniger gut erhalten sind als solche der Wände, folgen zwei Grundtypen. Es gibt einfache Muster, vor allem Kreise oder Kassetten, die endlos wiederholt werden oder die Decke ist auf einen Mittelpunkt hin, oft mit einer Figur, komponiert.

An einigen wenigen Befunden lässt sich eine einheitliche Komposition von Fussbodengestaltung, Wand und Decke auch technisch nachweisen und mit der schriftlichen Überlieferung verbinden.[2]

1. Stil

Wand in Herculaneum

Beim Mauerwerkstil oder (nach Mau) Incrustationsstil wurde auf den Wänden durch farbige Malerei, Ritzungen oder plastische Gestaltung (Stuck), Aufbau und Aussehen von monumentalen Quadermauern nachgeahmt. Es handelt sich im engeren Sinne noch nicht um einen Malereistil. Geometrie spielte eine wichtige Rolle und wurde hier durch eingeritzte Linien erzeugt. Dreidimensionalität wurde durch Licht- und Schattenreflexe geschaffen. Der Stil ahmte allgemein die hellenistische Architektur nach: die Wand weist einen Sockel, eine hohe rechteckige Mittelzone und eine durchlaufende Oberzone auf.

Die Platten der nachgeahmten Quadern wurden an den Rändern so gestaltet, als handelte es sich um wirklich behauene Steinblöcke, die in die Wand eingebunden sind. Der Fugenschnitt ist deutlich zu sehen. Im oberen Wandbereich wurden die angrenzenden Felder an den Ecken mit kontrastreichen Farben gemalt.

Beispiele: Räume in Casa di Sallustio, Casa del Fauno.

2. Stil

Wand im Haus des Augustus in Rom

Der 2. Stil der römischen Wandmalerei wird auch Architekturstil genannt. Von 80 bis 20 v. Chr. wurde ein architektonischer Hintergrund auf die glatte Wand gemalt. Die Wand wurde durch axialsymmetrische Scheinarchitektur oder Ausblicke in Landschaften und Megalographien aufgelöst und so vergrößert. Der Architekturstil bezog seine Vorbilder stark aus dem hellenistisch-römischen Theater. Der reife Zweite Stil ist gut im Haus des Augustus zu beobachten.

Die Sockelzone ist meist dunkel gestaltet, während die Mittelzone hell erscheint. Die meistverwendeten Farben sind dunkelrot, dunkelgrün, schwarz und gelb. Gelb wurde für Architekturelemente verwendet, blau und grün für Details.

Der Stil kann in verschiedene Subphasen unterteilt werden. Das älteste Beispiel dieses Stiles in Rom findet sich in der Casa dei Grifi auf dem Palatin und datiert um 80 v. Chr. Die Dekoration erinnert noch stark an den ersten Stil. Die Wand ist malerisch durch Marmorplatten gegliedert. Eine Neuerung sind jedoch, gemalte, vor die Wand gesetzte Säulen. Die Wand erscheint dadurch also zweischichtig.

In einer weiteren Stilphase wird die Wand plötzlich durchbrochen. In der Mysterienvilla finden sich in den Nebenräumen Wandbilder, die im oberen Drittel einen Ausblick auf dahinter gelegene Bauten zeigen. Meist werden Tempel sichtbar.

In der Villa von Boscoreale ist die Wand vollkommen aufgelöst. Die Wände sind durch Säulen gegliedert und zeigen Ausblicke auf Landschaften oder Tempelanlagen.

Im späten Zweiten Stil sind weitere Neuerungen zu beobachten. Die Wände sind weiterhin architektonisch gegliedert, doch gibt es nun oftmals ein Mittelbild mit Ausblick, nicht auf einen Bau, sondern auf eine mythologische Landschaft. Ganz am Ende des Stils ist eine Verflachung der Wände zu beobachten. Die Wand wird wieder geschlossen und es gibt nur noch das zentrale Mittelbild. Die Architekturen, die vorher realistisch waren, werden nun mit irrealen Figuren angereichert. Bekannte Beispiele sind die Malereien in der Villa Farnesina und in der Aula Isiaca.

3. Stil

Wand im Haus des Lucretius Fronto, Pompeji, Tablinum

Beim ornamentalen Stil wurde die Raumtiefe wieder zurückgenommen. Die Wand dient in ihrer Fläche als Bildträger und ist horizontal und vertikal gegliedert. Die Hauptzone der Wand ist meist in verschiedene, vollkommen flächige Felder geteilt (Felderdekoration). Ein Mittelbild zeigt meist einen Landschaftsausblick mit mythologischem Thema. Die Oberzone der Wand spielt mit ihrer ornamentalen Verzierung die beherrschende Rolle. Hier finden sich manchmal auch noch Architekturen, die aber bei weitem nicht die Plastizität des 2. Stils haben. Daher wird dieser Stil auch oft Ornamentstil genannt. Eine Untergruppe des 3. Stils stellt der Kandelaberstil dar. Benannt ist er nach der häufigen Verwendung des Kandelabers als beliebtes Dekorationsmotiv. Zarte Kandelaber umrahmen statt Säulen die Bildfelder. Er steht am Übergang vom 2. zum 3. Stil. Während die Wände meist sehr flach gestaltet sind, sind die Kandelaber sehr plastisch gemalt.

Seinen Höhepunkt erreichte dieser Stil in der Wandmalerei in den Jahren von 15 v. Chr. bis 50 n. Chr.

Ein typisches Beispiel für diesen Stil ist die Villa Farnesina in Rom, die Villa von Boscotrecase[3], die Villa Imperiale, das Haus der Ceii in Pompeji und die Villa Poppaea.

4. Stil

Wand in der Domus Aurea in Rom

Der Phantasiestil ist der unabhängigste Stil der römisch-pompejanischen Wandmalerei und vereinigt Elemente aus den vorhergehenden Stilen. Er beginnt etwa 40 oder 50 n. Chr. und erstreckt sich mindestens bis in die flavische Zeit. Es gibt einfache Dekorationen, bei denen Felder aneinandergesetzt wurden, aber auch aufwendige Architekturen. Der Stil ist von einem Reichtum an Ornamenten gekennzeichnet. Die Wand zeigt im Mittelbild ein Gemälde. Die Seitenfelder zeigen oft kleine schwebende Figuren. Daneben gibt sie Durchblicke auf barockisierende Architekturelemente frei. Der Stil ist ganz und gar illusionistisch: er stellt die künstliche Welt der realen gegenüber. Weiße, rote und schwarze Felder mit stereotypen Elementen überwiegen (Szenografien). Als Rückgriff auf den 2. Stil weist der Phantasiestil architektonische Elemente auf. Elemente des 1. Stils sind Stuckreliefs. Typisch für diesen Stil sind auch filigrane Ornamentbänder, die einzelne Felder rahmen können.

Daneben gibt es auch sehr einfach gestaltete Wände, die an den 3. Stil erinnern und nur an bestimmten Ornamenten als zum 4. Stil gehörig zu erkennen sind. Diese Wände finden sich oftmals in weniger wichtigen Räumen. Eine weitere Innovation sind tapetenartige Muster. Ein bestimmtes Motiv wurde hier endlos auf einer Wand wiederholt.

Beispiele sind die Domus Aurea in Rom, das Haus der Vettier in Pompeji oder das Macellum von Pompeji.

Nachpompejanische Wandmalerei

Die Wandmalerei der Zeit nach 79. n. Chr. ist verständlicherweise weit weniger bekannt als die aus den gut erhaltenen Städten Pompeji und Herculaneum. Trotzdem lassen sich auch hier diverse Stilstufen unterscheiden.[4]

Hadrianische Wandmalerei

Aus dieser Periode (ca. 117 bis 140 n. Chr.) gibt es verschiedene Dekorationstypen. Bei aufwendigen Ausgestaltungen griff man in dieser Zeit auf den 2. Stil zurück (z. B. Rom, Villa der Numisia Procula, Villa Negroni). Es gibt dabei die Darstellung fester Architekturen, die teilweise ein großes Mittelbild aufweisen. Andere Wände der hadrianischen Zeit stehen noch in der Tradition des 4. Stils. Schließlich gibt es zahlreiche Wände (z. B. in der Hadriansvilla), deren Dekoration auf einfache Flächen reduziert worden ist. Geometrische Formen sind hier vorherrschend.

Antoninische Wandmalerei

Typisch für diese Periode (ca. 140 bis 180 n. Chr.) sind Wände in der Tradition des 3. Stils mit vorgesetzten Säulen und eine besondere Vorliebe für gelbe Wände mit Durchblicken in rot (z. B. die Casa del Soffitto Dipinto) in Ostia [5]. Daneben waren auch einfarbige Dekorationen sehr beliebt, deren Hauptdekoration oft aus Ädikulen besteht. Schließlich gibt es einfache Felderdekorationen ohne jegliche Architekturen. Im Allgemeinen ist ein Streben nach Harmonie in der Wandmalerei festzustellen, was vor allem im Gegensatz zu der folgenden Stilperiode steht. [6] Die figürlichen Mittelbilder verlieren ab dieser Zeit immer mehr an Bedeutung und werden in der Folgezeit immer kleiner und verschwinden ganz.

Spätantoninisch-severische Wandmalerei

Diese Stilperiode (ca. 180 bis 240 n. Chr.) stellt in vielem einen Bruch zu den vorhergehenden Stilen dar. Fast überall ist das Bemühen festzustellen, etwas Neues zu schaffen.[7]

Es gibt weiterhin eine große Bandbreite von Wanddekorationen. Architekturwände geben sich meist als vereinfachte Versionen des 4. Stils, wobei die Architekturen relativ fest und weniger verspielt als im 4. Stil wirken. Vorspriegende Säulen sind sehr beliebt, die jeweils als Doppelsäulen erscheinen. In den zwischen ihnen stehenden Feldern erscheinen schwebende oder stehende Figuren. Ab dieser Zeit wurden Alltagsfiguren immer häufiger in der Wandmalerei benutzt. Reihen von Dienerfiguren ersetzten mythologische Szenen. Die Darstellung des eigenen Wohlstandes schien wichtiger als die zur Schaustellung von griechischer Bildung.

Felderwände dieser Stilperiode fallen vor allem durch ihre Unregelmäßigkeit auf. Während frühere Felderdekorationen eher um Symmetrie bemüht waren, wurden jetzt oftmals ungleich große Felder aneinandergesetzt.[8] Figuren in Feldern, die bisher immer innerhalb dieser standen, durchstoßen jetzt oftmals die Begrenzungslinien. Eine besondere Innovation dieser Stilperiode sind Wände im rot-grünen Liniensystem. Die Dekoration der Wand ist hier auf ein Netz aus Linien reduziert. Figuren sind spärlich und meist sehr impressionistisch gemalt. Diese Dekorationen sind vor allem aus den römischen Katakomben bekannt, sind aber nicht nur in ihnen bezeugt (siehe z. B. Die Villa Piccola unter S. Sebastiano in Rom [9])

Spätes 3. und 4. Jahrhundert

Es kamen in dieser Zeit noch vereinzelt Architekturwände vor, doch verloren sie viel von ihrer Plastizität. Oftmals handelte es sich nur um die Darstellung von Säulen, die die Wände gliederten. Felderdekorationen waren weiterhin relativ beliebt, wobei oftmals Marmordekorationen von Wänden nachgeahmt wurden. Dekorationen im rot-grünen Liniensystem kamen bis in das 4. Jahrhundert vor und fallen durch immer weniger Ornamente auf. Schließlich gab es Dekorationen, in denen kleine Muster endlos wiederholt wurden wodurch ein Effekt entstand, der unseren heutigen Tapeten ähnelt.

Aus dem Beginn der konstantinischen Zeit gibt es einige wenige Malereien, die durch ihre hohe Plastizität und Bemühungen um räumliche Tiefe auffallen. Sie haben einen klar klassizistischen Charakter, ohne dass es möglich wäre einen bestimmten Stil als Vorbild auszumachen. Typisch sind auch rötlich-braune Farbtöne. Das bekannteste Beispiel ist eine reich mit Eroten und Figuren bemalte Decke eines kaiserlichen Gebäudes in Trier. In nachkonstantinischer Zeit dominieren dagegen wieder stark impressionistische Malereien, die wieder stark an Raum verlieren.

Aus der Zeit nach dem Beginn des 5. nachchristlichen Jahrhunderts gibt es keine weiteren erhaltenen Beispiele für ausgemalte Wohnhäuser, obwohl diese literarisch bezeugt sind. In der Folgezeit verlagert sich die Wandmalerei auf die Ausschmückung von Kirchen etc.

Provinzialrömische Wandmalerei

Die Entwicklung der römischen Wandmalerei in den Provinzen ist schwerer zu verfolgen als in Italien, da es wenige sehr gut erhaltene Reste von Wandmalereien gibt und der Forschungsstand zu einzelnen Provinzen noch sehr unterschiedlich ist. Während die römischen Wandmalereien z. B. für Deutschland, die Schweiz oder Großbritannien sehr gut aufgearbeitet sind, fehlen übergreifende Untersuchungen für andere Provinzen (z. B. Nordafrika), obwohl mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass Wandmalereien überall den gleichen Stellenwert hatten.

Römische Wandmalerei in den nordwestlichen Provinzen

Die Wandmalerei dieses Gebietes (Deutschland, Schweiz, Niederlande, Belgien, und Westfrankreich) ist gut aufgearbeitet. Zu einigen Städten (Köln [11], Xanten[12]) und Regionen (Schweiz[13], nördliches Obergermanien [14],) gibt es mittlerweile Monografien, in denen alle Funde von Wandmalereien behandelt worden sind. Die Materialbasis ist daher breit, auch wenn es vergleichsweise wenige wirklich gut erhaltene Wandmalereien gibt. Viele Rekonstruktionen von Dekorationen sind daher unsicher.

Die spärlichen ältesten Reste von Wandmalereien in diesem Gebiet gehören dem 3. Stil an und sind teilweise von hoher Qualität und italischen Vorbildern sehr verwandt. [15] Anscheinend kamen mit den römischen Truppen auch Maler in die neu eroberten Gebiete und etablierten eigene Malwerkstätten. In der Folgezeit lösten sich diese Werkstätten aber von den Vorbildern in Italien. Die Wandmalereien in diesem Gebiet entwickelten ein eigenes Repertoire. Besonders beliebt waren in der Folgezeit Kandelaberwände, daneben sind Felderwände ebenso häufig anzutreffen, während Architekturen bei weitem nicht so häufig wie in Italien sind. Der 4. Stil ist daher zwar auch in diesen Provinzen vorhanden, aber oftmals nur an den typischen filigranen Ornamentbändern erkennbar (z. B. Augsburg[16], Thermen Windisch AG (Schweiz)[17] Vidy (Schweiz))[18], Rübenach (Stadtteil von Koblenz)), die nicht die Verbreitung wie in Italien fanden. In der hadrianischen und folgenden Zeit wurde der 4. Stil fortgesetzt, doch sind die Wände einfacher gestaltet. Es kommen nicht mehr so viele verspielte Ornamente vor. Felderdekorationen sind weiterhin vorherrschend, es gibt aber auch noch Kandelaberwände. Ganz selten sind Architekturen bezeugt. Am Ende des 2. Jahrhunderts und mit dem Beginn des 3. Jahrhunderts verschwanden dann die Kandelaberwände. Felderdekorationen waren nun vorherrschend, wobei es einerseits sehr farbenprächtige Beispiele gibt, andererseits aber auch eher einfach gestaltete Wände, deren Dekoration in roten Linien auf weißem Grund gemalt wurde (z. B. Villa in Schwangau (Ostallgäu)[19]. Im ganzen 2. Jahrhundert lassen sich auch Dekorationen in einem Tapetenstil nachweisen.

Durch die ständigen Einfälle von Germanen in diese Provinzen ab der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts verarmte dieses Gebiet. In die Folgezeit datieren nur wenige Beispiele von Wandmalereien.

Ungarn

Durch einen guten Forschungsstand sind die Malereien in diesem Land gut bekannt. Die Funde scheinen zu belegen, dass diese Provinz zu Beginn stark italischen Vorbildern folgte. Bei Nemesvamos-Balacapuszta fand sich eine römische Villa, deren prächtige Malereien im 4. Stil kaum Beispielen aus Pompeji nachstehen. In dem sog. schwarz-lila Zimmer gibt es schwebende Figuren in Feldern, die von architektonischen Durchblicken gerahmt werden. Auf den Architekturen in den Seitenfeldern erscheinen Kentaueren und vollplastisch gemalte Kandelaber.[20] Malereien, die sich in Budapest fanden, erinnern stilistisch an solche aus dem parthischen Kunstbereich und mögen auf Soldaten aus diesem Bereich hindeuten.[21] Die Wandmalereien aus dem dortigen Statthalterpalast, die in das vierte Jahrhundert datieren, sind mit ihren Marmorimitationen typisch für ihre Zeit.

Römische Wandmalerei in der Provinz Britannia

Auch die Malerei dieser Provinz ist gut aufgearbeitet. Im Gegensatz zu den anderen nordwestlichen Provinzen folgte Britannia aber weitestgehend den Entwicklungen in Italien. Dies mag zunächst überraschen, doch wurde die Provinz erst relativ spät erobert. Die hier gegründeten Malerwerkstätten entwickelten nie in dem Umfang einen eigenen Stil, wie es z. B. in Germania geschah. So gibt es aus dem zweiten Jahrhundert gute Belege für architektonische Wände und auch für solche in rot-gelber Farbgestaltung[22].

Römische Wandmalerei im Osten des Reiches und in Nordafrika

Die Entwicklung der Wandmalerei als Ganzes ist im Osten des Reiches relativ schwer zu verfolgen und ist auch noch nicht aufgearbeitet. In Ephesos fanden sich in den Hanghäusern zahlreiche Beispiele. Sie stellen den bisher größten Corpus von Wandmalereien aus dem Osten des Reiches dar. Hier gibt es Wände, die im 4. Stil gemalt sind und rot-gelbe Wände der antoninischen Zeit, die einen vergleichbaren Stilverlauf, wie in Italien belegen. Der Großteil der dort gefundenen Malereien datiert in das dritte Jahrhundert n. Chr. und zeigt Felderwände auf hellen Grund.[23] Aus Athen[24] und Delos[25] stammen Dekorationen des 1. Stils. Aus Petra und von der Masada[26] gibt es Beispiele des 2. Stils. In Sabratha gibt es Beispiele aufwendiger Malereien, wohl hadrianischer Zeit, in Anlehnung an den 2. Stil.[27] Generell hat man den Eindruck, dass zumindest große städtische Zentren der Entwicklung in Italien folgten. Im Detail mag es aber Eigenentwicklungen gegeben haben, wie die es die eigenwilligen Malereien im 2. Stil aus Petra belegen, die zwar diesem Stil zugeordnet werden können, aber sich doch in der Gestaltung von den Malereien aus Italien unterscheiden.

Einzelbilder und Sonderformen

Gartenlandschaften

In allen Perioden gibt es Belege für Gartenlandschaften. Ein Raum wurde vollkommen wie ein Garten ausgemalt. Meist ist dieser Garten von einer niedrigen Mauer umzäunt, über die man in ihn hineinschauen konnte. Der Garten ist meist reich mit Vögeln bevölkert. Es finden sich manchmal die Darstellungen von Brunnen und Statuen. Bei einigen pompejanischen Häusern gewinnt man den Eindruck, dass diese Gartenlandschaften einen sonst nicht im Haus vorhandenen Garten mit Statuenausstattung ersetzten. Die Gartenlandschaften sind seit dem 2. Stil belegt und sind nur an kleinen Details einem Stil zuweisbar. Die Malereien im Haus der mit Blumen ausgemalten Zimmer stammen z. B. aus der Zeit des 3. Stils und sind dementsprechend eher flach angelegt, während die Landschaften des 2. und 4. Stils sehr um räumliche Tiefe bemüht sind.

Mythologische Bilder

Das Zentralbild einer Wand bildete in der Regel ein mythologisches Bild, andere Motive als Zentralbild sind vergleichsweise selten. Das Bild ist meist hochrechteckig. Solche Bilder tauchen erst in der letzten Phase des 2. Stils auf und sind eher typisch für aufwendige Bemalungen, während einfachere oft auf solche Bilder verzichten. Die meisten dieser Bilder waren wohl Kopien griechischer Tafelbilder, die ihren Vorbildern jedoch eher locker folgten und je nach Geschmack verändert wurden, so dass es verschiedene Versionen eines einzigen Bildes geben kann, die sich wesentlich unterscheiden. Es kam immer wieder vor, dass weitere Figuren, wie kleine Eroten oder Zuschauer um die Hauptfiguren angeordnet werden.

Auch bei diesen mythologischen Bildern lassen sich je nach Stil bedeutende Entwicklungen feststellen. Im 2. Stil agieren die Figuren meist in einer deutlich wiedergegebenen Landschaft, während im 3. Stil diese oftmals nur angedeutet ist und die volle Aufmerksamkeit auf die Figuren gelegt wird. Die Darstellungen der Landschaft wird im 4. Stil wieder wichtiger. Gerade aus dieser Zeit gibt es auch sehr viele künstlerisch eher anspruchslose Bilder, was vielleicht einfach auf den Zufall der Erhaltung beruht. Mythologische Bilder sind bis in das 4. Jahrhundert belegt, verlieren aber schon in antoninischer Zeit an Bedeutung. Die Bilder werden innerhalb der Wand immer kleiner und nehmen nicht mehr die zentrale Position ein, die sie vorher hatten. In den Provinzen sind diese Bilder zwar auch belegt, scheinen aber doch seltener zu sein.

Alltagsdarstellungen

Neben den mythologischen Bildern nehmen Darstellungen des Alltags einen breiten Raum ein. Diese findet man eher selten in den Wandmalereien der Wohnräume, sondern oftmals in Geschäften oder Garküchen, wo sie als Werbeträger dienten. Diese Alltagsdarstellungen sind stilistisch oftmals eher unbeholfen und unterscheiden sich daher deutlich von den mythologischen Szenen. Erotische Darstellungen in Bordellen gehören wohl sicherlich in einen ähnlichen Kontext. Auch diese sind stilistisch oftmals eher einfach gehalten.

Andere Darstellungen

Ab dem 4. Stil sind schwebende Figuren sehr beliebt, die in den Felder neben den Hauptbildern gemalt wurden. Meist handelt es sich auch hier um Figuren aus der Mythologie. An deren Stelle konnten auch kleine Landschaftsbilder treten, die manchmal auch das Hauptbild einer Wand darstellten. Diese Landschaften, unter denen die Darstellungen von Villen sehr beliebt waren, sind oftmals sehr skizzenhaft, impressionistisch gemalt, haben dadurch aber einen besonderen Reiz. Sie konnten sogar, vor allem in Garten eines Hauses, eine ganze Wand einnehmen. Neben diesen Bildern sind Stillleben sehr beliebt. In Thermen findet man oft die Darstellung von Wasser mit den darin schwimmenden Fischen und manche Speisesäle stellen auch bildlich einen Bezug zu Banketten her.

Dekoration und Raumfunktion

Es ist sicherlich davon auszugehen, dass viele Malereien Bezug auf die Funktion des Raumes nahmen und auch den Geschmack und die finanziellen Möglichkeiten des Auftraggebers widerspiegeln. Generell kann festgestellt werden, dass Nebenräume viel weniger aufwendig als Repräsentationszimmer gestaltet wurden. Die Verbindung von gemalten Themen und der Raumfunktion ist jedoch überraschend selten wirklich eindeutig. In Gelageräumen wurden gerne Stillleben und dionysische Szenen angebracht, doch kommen hier auch andere Themen vor und diese Szenen finden sich wiederum auch in Räumen, die sicherlich keine Gelageräume waren. Im Macellum, dem Fisch- und Fleischmarkt von Pompeji finden sich im obersten Register der Malereien Fische, die also klar Bezug zur Funktion des Baues nehmen. In der Hauptzone befinden sich dagegen mythologische Bilder, wie Argos und Io oder Odysseus und Penelope. Die Verbindung zur Funktion des Baues ist schwer nachvollziehbar.

Belege

  1. Vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. war die Wandmalerei im gesamten Römischen Reich in allen Lebensbereichen präsent: in Tempeln wie in öffentlichen und privaten Bauten – nicht nur in den Villen der Wohlhabenden, sondern auch in einfachsten Räumen – und in den Grabstätten. All diese Gebäude wurden mit schier unerschöpflicher Phantasie ausgestaltet, Zitat nach Mielsch: Römische Wandmalerei: Klappentext
  2. Cornelius Steckner: Boden, Wand und Decke: Archäologischer Befund und Designanalyse antiker Räume, in: Eric M. Moormann: Functional and Spatial Analysis of Wall Painting, Proceedings of the Fifth International Congress of Ancient Wall Painting, Amsterdam 1992, Leiden 1993, S. 194–204.
  3. [1]
  4. die folgenden Ausführungen folgen, Mielsch: Römische Wandmalerei, S. 93–138
  5. [2]
  6. Mielsch: Römische Wandmalerei, S. 101–106
  7. Mielsch: Römische Wandmalerei, S. 107–122
  8. http://www.ostia-antica.org/regio4/2/2-6.htm
  9. Es handelt sich um eine sehr vereinfachte und stilisierte Variante der gleichzeitigen Felderwände.[3]
  10. [4]
  11. Renate Thomas: Römische Wandmalerei in Köln, Mainz am Rhein 1993 ISBN 3-8053-1351-9
  12. B. Janzen, Ch. Schreiter, M. Zelle: Die römische Wandmalereien aus dem Stadtgebiet der Colonia Ulpia Traina, Mainz am Rhein 2001 ISBN 3-8053-2873-7
  13. Drack: Die römische Wandmalerei der Schweiz
  14. Gogräfe: Die Römischen Wand- und Deckenmalereien im nördlichen Obergermanien
  15. Beispiel eine Wandmalerei im 3. Stil, Commugny (Schweiz)
  16. N. Willburger: Die römische Wandmalerei in Augsburg Augsburg 2004, S. 40, 50, 58, ISBN 3-89639-441-X
  17. Drack: Die römische Wandmalerei der Schweiz, S. 120–29, Tafel VII
  18. Drack: Die römische Wandmalerei der Schweiz, S. 115-, Abb. 116, 117
  19. Günther Krahe,Gisela Zahlhaas, Römische Wandmalereien in Schwangau Lkr. Ostallgäu, Lassleben, 1984, ISBN 3-7847-5043-5
  20. B. Thomas: Römische Villen in Pannonien, Budapest 1964, Tafel XXIX-XXXV
  21. B. Thomas: Römische Villen in Pannonien, S. 229, Abb. 117
  22. Malerei aus London
  23. Volker Michael Strocka: Die Wandmalerei der Hanghäuser in Ephesos. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1977 (Forschungen in Ephesos, 8, 1,)
  24. Wirth: Wandmalerei, S. 25, Abb. 5
  25. I.Baldassarre, A. Pontrandolfo, A. Rouverert, M. Salvadori: Pittura romana, Milano 2002, S. 70, ISBN 88-7179-329-3
  26. I.Baldassarre, A. Pontrandolfo, A. Rouverert, M. Salvadori: Pittura romana, fig. auf S. 117
  27. I.Baldassarre, A. Pontrandolfo, A. Rouverert, M. Salvadori: Pittura romana, S. 330–331

Literatur

Die Literatur zu römischen Wandmalereien erscheint unendlich. Jede neue Grabung an römischen Orten erbringt auch neue Funde von Wandmalereien. Die folgende Liste ist daher eine stark gekürzte Auswahl. Zu den Häusern in Pompeji sei aber trotzdem die Reihe Häuser in Pompeji, die von Volker M. Strocka herausgegeben wird und in jedem Band ein Haus mit besonderen Hinblick auf die Wandmalereien veröffentlicht, genannt.

  • Hendrik Gerard Beyen: Die pompejanische Wanddekoration, vom zweiten bis zum vierten Stil, Haag 1938–1960 (die in mehreren Bänden angelegte Publikation sollte alle Stile umfassen; der Autor hat aber nur den 2. Stil in zwei monumentalen Bänden aufgearbeitet)
  • Norman Davey, Roger Ling: Wall-painting in Roman Britain London 1982 (Monografie zu den Malereien in Großbritannien)
  • Walter Drack: Die römische Wandmalerei der Schweiz, Birkhäuser, Basel 1950,(Monografie zu der römischen Wandmalerei in der Schweiz, eine der ersten, die ein ganzes Gebiet abdeckte)
  • W. Ehrhardt: Stilgeschichtliche Untersuchungen an römischen Wandmalereien von der späten Republik bis zur Zeit Neros, Mainz 1987 (Untersuchungen zum 3. Stil)
  • Rüdiger Gogräfe: Die Römischen Wand- und Deckenmalereien im nördlichen Obergermanien, Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstrasse 1999 ISBN 3-9805635-2-9 (Monografie zu der römischen Wandmalerei einer Region)
  • A. Laidlow: The First Style in Pompeji, Rom 1985
  • August Mau: Geschichte der decorativen Wandmalerei in Pompeji, Berlin 1882 (das grundlegende Werk zu der Einteilung in vier Stile)
  • Harald Mielsch: Römische Wandmalerei, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001, ISBN 3-534-01360-3 (allgemeiner Überblick zur römischen Wandmalerei in Italien)
  • Donatella Mazzoleni und Umberto Pappalardo: Pompejanische Wandmalerei, Architektur und illusionistische Dekoration, Hirmer, München 2005, ISBN 3-7774-2445-5 (Kurzbesprechung)
  • Karl Schefold: Vergessenes Pompeji. Unveröffentlichte Bilder römischer Wanddekorationen in geschichtlicher Folge, Bern 1962 (in den Thesen überholtes Werk, jedoch reich bebildert)
  • Fritz Wirth: Römische Wandmalerei. Vom Untergang Pompejis bis ans Ende des 3. Jahrhunderts, Berlin 1934 (erste Monografie, die der nachpompejanischen Malerei gewidmet ist)

Weblinks


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