Pflichtversicherungsgesetz

Pflichtversicherungsgesetz
Basisdaten
Titel: Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter
Kurztitel: Pflichtversicherungsgesetz
Abkürzung: PflVG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Straßenverkehrsrecht, Versicherungsrecht
Fundstellennachweis: 925-1
Ursprüngliche Fassung vom: 7. November 1939
(RGBl. I S. 2223)
Inkrafttreten am: 1. Juli 1940
Letzte Neufassung vom: 5. April 1965
(BGBl. I S. 213)
Inkrafttreten der
Neufassung am:
1. Oktober 1965
Letzte Änderung durch: Art. 1 G vom 10. Dezember 2007
(BGBl. I S. 2833)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
18. Dezember 2007
(Artikel 9 G vom 10. Dezember 2007)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das deutsche Pflichtversicherungsgesetz (PflVG), im Langtitel „Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter”, regelt die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Halter von Kraftfahrzeugen, die auf öffentlichen Straßen und Plätzen geführt werden. Ursprünglich wurde das Gesetz als „Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter“ (Gesetz vom 7. November 1939, RGBl. I S. 2223) verkündet.

Das Gesetz gilt nur für Kraftfahrzeuge mit regelmäßigem Standort im Inland (§ 1 PflVG). Für ausländische Kraftfahrzeuge ist ein Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ergangen.

Das Pflichtversicherungsgesetz verpflichtet jeden Kraftfahrzeughalter zum Vertragsschluss mit einem inländischen Versicherungsanbieter (§ 5 PflVG) seiner Wahl und verpflichtet diese, entsprechende Vertragsanträge anzunehmen (doppelter Kontrahierungszwang). Im Ablehnungsfalle kommt das Vertragsverhältnis durch Annahmefiktion zustande (§ 5 Abs. 3 und 4 PflVG). Dies gilt auch, wenn das betreffende Fahrzeug keine Betriebserlaubnis besitzt.[1] Die damit verbundene Einschränkung der Privatautonomie hat zum Ziel, die Straßenverkehrsteilnehmer bei Unfällen vor mangelnder Liquidität der Unfallverursacher zu schützen.

Die Versicherungspflicht trifft grundsätzlich alle Kraftfahrzeughalter. Nach § 2 PflVG sind allerdings zahlreiche öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften (Bund, Länder und größere Gemeinden wie auch kommunale Zweckverbände) sowie Halter von zulassungsbefreiten Anhängern und Kraftfahrzeugen, die eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit nicht erreichen, von der Versicherungspflicht befreit. Juristische Personen können sich nach § 1 Abs. 3 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) von der Versicherungspflicht auf Antrag befreien lassen.

Mit dem seit 2008 geltenden neuen Versicherungsvertragsgesetz sind eine Reihe von versicherungsvertragsrechtlichen Spezialregelungen, die bislang im Pflichtversicherungsgesetz enthalten waren, in das Versicherungsvertragsgesetz selbst aufgenommen worden (wo sie auch für andere Arten von Pflichtversicherungen, zum Beispiel bestimmter Berufsangehöriger gelten: § 113 bis § 124 VVG). Weiterhin in § 3 und § 3a PflVG geregelt sind bestimmte Privilegierungen des anspruchsberechtigten Unfallsbeteiligten.

Die Mindestversicherungssummen sind in Anlage zu § 4 PflVG festgesetzt und können durch Verordnung des Bundesministeriums der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesverkehrsministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium angepasst werden.

Um der evidenten Gefahr von nichtregulierten Vermögens- und Personenschäden durch nichtversicherte Fahrzeuge geeignet begegnen zu können, hat der Gesetzgeber in § 6 PflVG eine Strafvorschrift eingefügt, die das Benutzen eines Kraftfahrzeugs ohne Versicherungsschutz im Straßenverkehr unter Strafe stellt. Das Pflichtversicherungsgesetz ist damit Teil des Nebenstrafrechts. Da der Versicherungsschutz beispielsweise bereits durch das „Frisieren“ von Leichtkrafträdern entfällt, ist der Anwendungsbereich nicht gering (16181 Anklagen allein in Westdeutschland 2003).

§ 7 PflVGenthält eine Ermächtigungsregelung für das Bundesverkehrsministerium, um im Einvernehmen mit dem Justiz- und dem Wirtschaftsministerium des Bundes eine Rechtsverordnung zur näheren Ausgestaltung der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Gebrauch zu machen. Die bedeutendste Verordnung nach dieser Vorschrift ist die Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung.

Nach § 8, § 8a PflVG haben die Versicherungsunternehmen Auskünfte an Geschädigte weiterzugeben. Über die regulierten Schäden wird nach § 9 PflVG eine Gemeinschaftsstatistik beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen geführt, an die die Versicherungsunternehmen die Daten zu liefern haben (§ 10 PflVG).

Die Entschädigungsleistungen bei Unfällen, bei denen der Schädiger (d. h. dessen Kraftfahrzeug) nicht ermittelt werden kann, eine Haftpflichtversicherung nicht, nicht mehr oder in nicht ausreichender Höhe oder kein Deckungsschutz bestand oder das Versicherungsunternehmen insolvent geworden ist, können gegen den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen geltend gemacht werden (§ 12 bis § 14 PflVG). Allerdings zahlt der Fonds nur subsidiär, wenn keine anderweitige Ersatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Zugleich wird eine Entschädigungsstelle für Auslandsunfälle eingerichtet, gegen die inländische Geschädigte bei Auslandsunfällen ihre Ansprüche unter Umständen geltend machen können. Die Entschädigungsstelle wird von der Verkehrsopferhilfe e. V. Hamburg getragen.

Im Falle der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens der Kfz-Haftpflichtversicherung kann ein den Versicherungsbestand übernehmendes Unternehmen die übernommenen Verträge nach § 15 PflVG durch bloße Information auf die eigenen Bedingungen umstellen. Während Opfer von Verkehrsunfällen nach der Insolvenz eines Versicherers stets mit vollem Schadenersatz rechnen können, droht Unfallfahrern in vielen Fällen die persönliche Haftung und unbegrenzter Regress. Die Verkehrsopferhilfe verweist Unfallopfer wegen Schadenersatzforderungen zunächst auf eigene Versicherungen wie die Vollkasko, wegen Verdienstausfall auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber und wegen Ersatz von Behandlungskosten etwa auf Sozialversicherungsträger wie die zuständige gesetzliche Kranken- oder Unfallversicherung. Wenn diese Leistungen erbringen, können Sie Rückgriff beim Unfallverursacher nehmen. Hat ein Unfallopfer den Verursacher in Anspruch genommen statt Schadenersatz bei der Verkehrsopferhilfe zu beantragen, kann dieser sich erst an die Verkehrsopferhilfe wenden, wenn er das Opfer entschädigt hat. Die Verkehrsopferhilfe wird dem Unfallfahrer aber nur ersetzen, was das Opfer nicht von einer eigenen Versicherung, dem Arbeitgeber oder Sozialversicherungsträgern bekommen kann. Das Pflichtversicherungsgesetz führt auf diese Weise bei Abwicklung von Unfallschäden, die der Kunde eines insolventen Versicherers verursacht hat, zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass der Unfallverursacher umso besser steht, je schlechter das Unfallopfer versichert war.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Urteile des Lübecker Amts- und Landgerichtes zu Versicherungspflicht, Kontrahierungszwang und Annahmefiktion bei fehlender Betriebserlaubnis (PDF, 351 KB)

Weblinks

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