Pershing II

Pershing II
Start einer Pershing I (MGM-31A) im Februar 1966

Die Pershing I/IA (MGM-31A) war eine militärische Kurzstreckenrakete aus US-amerikanischer Produktion. Der zweistufige, feststoffgetriebene, eigengelenkte Flugkörper hatte ein Trägheitsnavigationssystem auf Basis eines sogenannten „Stable-Table“ . Dieses wurde durch Kreiselsysteme während des ganzen Fluges stabilisiert und ermöglichte dem Bordrechner so die laufende Ermittlung der Position sowie die genaue Einhaltung der Flugbahn bis zum sogenannten „Punkt im Raum“. Dort erfolgte die Abtrennung des nuklearen W-50-Sprengkopfes, der in drei Varianten zur Verfügung stand (60kT-200kT-460kT).

Die Flugbahn wurde unmittelbar vor dem Abschuss von einem Programmierstand am Boden in die „Guidance and Control Section“ (G&C) des Flugkörpers eingespielt, und endete wenige Minuten nach dem Start mit Abstoßen des Gefechtskopfes, welcher auf einer ballistischen Bahn - mit Stabilisierung durch Eigenrotation - ins Ziel stürzte.

Inhaltsverzeichnis

Pershing I

Eine Pershing-Rakete der Bundeswehr während einer NATO-Parade 1969

Die Rakete wurde Anfang der 1960er-Jahre in den USA von der Martin Marietta Corporation als Ersatz für die SSM-A-14 Redstone Rakete entwickelt und war nach dem US-General des Ersten Weltkrieges John Joseph Pershing benannt. Hintergrund der Entwicklung war der Kalte Krieg und der Bedarf nach taktischen Kurz- und Mittelstreckenraketen. Ab Mitte der 1960er-Jahre gingen 79 Stück an die Bundesrepublik Deutschland und weitere 169 an die USA. Pershing I waren auch in Südkorea stationiert.

Von 1969 bis Juli 1983 befand sich u.a. eine Pershing IA-Raketenstellung der 81. Field Artillery der US-Armee in Inneringen in Baden-Württemberg mit neun einsatzbereiten Raketen, bestückt mit atomaren Gefechtsköpfen.[1]

Pershing II

Die USA entwickelten ab 1976 die Mittelstreckenrakete Pershing II (MGM-31B) als Nachfolgemodell für die älteren Pershing-I-Raketen mit größerer Reichweite von bis zu 1.800 km. Die Pershing II war im Vergleich zu ihrem Vorgängermodell Pershing IA technisch völlig neu konzipiert. Durch das Endphasen-Leitsystem (siehe: MaRV) ihres Sprengkopfes, bei dem ein beim Zielanflug aufgenommenes Radarbild mit einer digital gespeicherten Radarsignatur auf Abweichungen verglichen und durch ein Steuerungssystem nachkorrigiert wurde, ergab sich eine erheblich verbesserte Treffgenauigkeit (CEP50) in der Größenordnung von etwa 50 Metern. Dadurch war die Verwendung von W-85-Nuklear-Sprengköpfen von wesentlich geringerer Sprengkraft von 5 bis 50 kt möglich, um ein vorgegebenes Ziel zu zerstören. Seitens der Bevölkerung und der Politik wurden deshalb Bedenken gegen die Stationierung solcher Waffen laut: Der Atomkrieg sei „präziser und damit führbarer“ geworden und die politisch-militärische Hemmschwelle zum Einsatz dieser Waffen müsse so zwangsläufig sinken.

Nachdem die 1981 begonnenen Abrüstungsverhandlungen gemäß dem NATO-Doppelbeschluss vom 12. Dezember 1979 erfolglos geblieben waren, begann auch in Westdeutschland wenige Tage nach der Zustimmung durch den Deutschen Bundestag vom 22. November 1983 die Stationierung der Pershing II-Mittelstreckenraketen (MRBM), die innerhalb der NATO-Staaten nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgte und 1985 abgeschlossen war.

Nach dem Ende des Kalten Kriegs wurden entsprechend den Vereinbarungen des INF-Vertrags vom 8. Dezember 1987 bis 1989 alle US-amerikanischen Pershing I, bis 1991 alle deutschen Pershing-IA und bis Mai 1991 alle Pershing-II-Raketen unter Kontrolle der Vertragspartner (USA und UdSSR) demontiert und zerstört.

Das Gegenstück der Sowjetunion zu den Pershing-II-Raketen im atomaren Bedrohungszenario des Kalten Krieges waren die Mittelstreckenraketen SS-20. Die UdSSR sah in den Pershing-II-Raketen Waffen für einen atomaren Erstschlag und eine Enthauptungsstrategie, da diese von der Bundesrepublik Deutschland aus in knapp 5 Minuten Ziele im Raum Moskau mit hoher Präzision treffen konnten.

Stationierungen in der Bundesrepublik Deutschland

Pershing II (MGM-31B) in Abschussrampe

Die 79 Pershing IA wurden von der Luftwaffe in zwei Geschwadern betrieben, in den Flugkörpergeschwadern (FKG) 1 in Landsberg und 2 in Geilenkirchen. Jeweils eine Staffel wurde in 'QRA'-Bereitschaft (Quick Reaction Alert) gehalten. Da die Bundeswehr weder über nukleare noch thermonukleare Waffen verfügen durfte, wurden für die Pershing unter US-Bewachung stehende amerikanische Sprengköpfe vorgesehen. Im Gegensatz zum Nachfolgemodell Pershing II waren die Pershing I und IA rein ballistische Waffen.

Die Pershing II wurde nur von den US-Truppen im Rahmen der NATO in Westdeutschland benutzt, die Luftwaffe der deutschen Bundeswehr behielt weiterhin die Pershing IA. Die USA unterhielten drei mit Pershing-II ausgerüstete Raketenartilleriebataillone, die dem 56th Field Artillery Command in Schwäbisch Gmünd unterstanden. Jeweils eine von vier Batterien eines Bataillons befand sich in ständiger Einsatzbereitschaft im sogenannten QRA-Status (Quick Reaction Alert) in den speziell hierzu angelegten drei QRA-Bereitschaftsstellungen:

  • Bei Inneringen (Spitzname „Fort Blackjack“), etwa 13 km nördlich von Sigmaringen bei 48° 10′ 39″ N, 9° 17′ 17″ O48.17759.28805555555567, für das in Schwäbisch Gmünd stationierte 1st Battalion 41st Field Artillery Regiment.

Bei 48° 48′ 54″ N, 9° 48′ 22″ O48.8159.80611111111117 auf der Mutlanger Heide am Ortsrand von Mutlangen nördlich von Schwäbisch Gmünd befand sich ein Pershing-II-Depot (MSA, Missile Storage Area), das durch die Proteste und Blockaden der Friedensbewegung bekannt wurde.

Insgesamt befanden sich 120 Pershing-II-Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik Deutschland. Eine der letzten davon steht mittlerweile als Dekoration vor der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck.

Übersicht Varianten der MGM-31 Pershing

NATO-Code MGM-31A Pershing I MGM-31B Pershing II
Länge 10,55 m 10,61 m
Rumpfdurchmesser 1.020 mm 1.036 mm
Startgewicht 4.600 kg 7.400 kg
Sprengkopf 1 RV vom Typ W50 mit 60, 200 oder 400 kT 1 MaRV vom Typ W85 mit 5 bis 80 kT (variabel)
Einsatzreichweite 740 km 1.770 km
Steuerung Trägheitsnavigationsplattform Trägheitsnavigationsplattform plus aktive Radarzielsuche
Treffergenauigkeit (CEP) 150-300 m 50-100 m

Weitere Bilder

Trivia

Namensgeber der Pershing-Raketen war General John J. Pershing, der im Ersten Weltkrieg Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Truppen an der Westfront gewesen war.

In Anlehnung an das Lied „Marmor, Stein und Eisen bricht“ von Drafi Deutscher mit der Textzeile „Alles, alles geht vorbei, doch wir sind uns treu“ gibt es von Ludwig Hirsch eine Version mit „Alles, alles geht vorbei, durch die Pershing II“ die in den 80ern ein vielgesungenes Protestlied war.

Bezogen auf die Pershing entstand auch der Sponti-Spruch "Petting statt Pershing".

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://www.y-punkt.de/portal/a/ypunkt/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLNzKL9zU0A8mB2T5hpvqRcNGglFR9X4_83FR9b_0A_YLciHJHR0VFAP40VZ8!/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfMjZfTTE2?yw_contentURL=%2F01DB131000000001%2FW27K8GW2870INFODE%2Fcontent.jsp

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