Pavel Florenskij

Pavel Florenskij
Pawel A. Florenski

Pawel Alexandrowitsch Florenski (russisch Павел Александрович Флоренский, wiss. Transliteration Pavel Aleksandrovič Florenskij; * 9.jul./ 21. Januar 1882greg. nahe Jewlach, heute Aserbaidschan; † 8. Dezember 1937 in der Oblast Leningrad) war ein russischer Religionsphilosoph, Theologe, Mathematiker und Kunstwissenschaftler. Er wird auch als „russischer Leonardo da Vinci“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Florenski wurde am 21. Januar 1882 in eine Familie von Eisenbahningenieuren geboren, in der Stadt Jewlach in West-Aserbaidschan. Sein Vater kam aus einer Familie russisch-orthodoxer Priester, seine Mutter gehörte zum georgisch-armenischen Adel.[1][2]

Nach dem Schulabschluss am Gymnasium in Tiflis ging er 1900 an den Fachbereich für Mathematik an der Moskauer Universität und studierte gleichzeitig Philosophie. 1904 macht er seinen Abschluss und lehnte es ab, einen Lehrstuhl an der Universität anzunehmen; stattdessen studierte er weiter Theologie an der Moskauer Geistlichen Akademie. Zusammen mit einigen Kommilitonen gründete er die Christliche Kampfunion (Союз Христиaнской Борьбы) mit dem revolutionären Ziel, eine neue russische Gesellschaft nach den Prinzipien von Wladimir Solowjow aufzubauen. Kurz darauf im Jahre 1906 wurde er aufgrund seiner Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft verhaftet; jedoch hatte er das Interesse an der radikalen christlichen Bewegung später verloren.

Intellektuelles Interesse

Während seiner Studien an der Geistlichen Akademie interessierte sich Florenski für Philosophie, Religion, Kunst und Folklore. Er wurde ein bekannter Vertreter des russischen Symbolismus, befreundete sich mit Andrei Bely und veröffentlichte Artikel in den Zeitschriften Neuer Weg (Новый Путь) und Waage (Весы). Er begann auch sein wichtigstes philosophisches Werk Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit. Versuch über die orthodoxe Theodizee in zwölf Briefen. Das komplette Buch wurde erst 1924 veröffentlicht, er war damit aber bereits 1908 nach dem Abschluss an der Akademie fast fertig.

Nach dem Studium an der Akademie unterrichtete er dort Philosophie und lebte bis 1919 im Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad. 1911 wurde er zum Priester ordiniert. 1914 schrieb er seine Dissertation Über Spirituelle Weisheit. Er veröffentlichte Arbeiten über Philosophie, Theologie, Kunstwissenschaft, Mathematik und Elektromagnetismus. Zwischen 1911 und 1917 war er Hauptherausgeber einer der maßgebendsten orthodoxen theologischen Publikationen der Zeit, der Bogoslovskiy Vestnik. Außerdem war er der geistliche Lehrer des umstrittenen russischen Schriftstellers Wassili Rosanow und drängte diesen dazu, sich mit der orthodoxen Kirche zu versöhnen.

Naturwissenschaftliche Arbeit unter kommunistischer Herrschaft

Nach der Oktoberrevolution wurde das Dreifaltigkeitskloster 1918 geschlossen; die Kirche, wo er Priester war, 1921. Er zog nach Moskau und arbeitete am Staatsplan zur Elektrifizierung Russlands, auf Empfehlung Leo Trotzkis, der tief davon überzeugt war, dass Florenskis Fähigkeiten der Regierung bei der Elektrifizierung des ländlichen Russlands helfen können. Nach Zeitzeugen war Florenski in seinem Priestertalar neben den anderen führenden Beamten eine bemerkenswerte Gestalt.

1924 publizierte er eine große Monografie über Dielektrika sowie seine Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit. Versuch über die orthodoxe Theodizee in zwölf Briefen. Er arbeitete zeitgleich als wissenschaftlicher Berater der Kommission zum Schutz der Kunstdenkmäler des Dreifaltigkeits-Sergeij-Klosters und veröffentlichte Arbeiten über alte russische Kunst.

In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre arbeitete er hauptsächlich in den Bereichen der Physik und Elektrodynamik, als auch sein größtes naturwissenschaftliches Werk Imaginäre Zahlen in der Geometrie veröffentlicht wurde, das sich mit der geometrischen Interpretation von Albert Einsteins Relativitätstheorie beschäftigte.

Exil, Verhaftung & Tod

1928 wurde Florenski für drei Monate nach Nischni Nowgorod verbannt. Aufgrund der Fürsprache von Jekaterina Peschkow (Frau von Maxim Gorki) durfte er nach Moskau zurückkehren. 1933 wurde er wieder verhaftet und zu 10 Jahren Gulag verurteilt, aufgrund von Artikel 58 des Strafgesetzbuchs (Agitation gegen des Sowjetsystem und konterrevolutionäre Propaganda, womit hier die Monographie über die Relativitätstheorie gemeint war).

Er arbeitete im Lager der Baikal-Amur-Magistrale bis 1934, als er auf die Solowezki-Inseln verlegt wurde, um dort an der Produktion von Jod und Agar aus örtlichem Seetang zu forschen. 1937 wurde er nach Leningrad gebracht, wo ihn eine Troika des NKWD zum Tode verurteilte.

Nach offiziellen sowjetischen Informationen starb Florenski am 8. Dezember 1943 irgendwo in Sibirien, er wurde jedoch sofort nach dem Zusammentreffen der Troika im Dezember 1937 erschossen. Er wurde wahrscheinlich in der Artilleriebasis Rschew nahe Toksowo exekutiert und seine verbrannte Asche in einem geheimen Grab in Koirangakangas nahe Toksowo zusammen mit 30.000 anderen Exekutierten verscharrt.[3]

Selbstbeschreibung (für ein Lexikon)

Seine Lebensaufgabe versteht Florenski als Wegbereitung einer künftigen ganzheitlichen Weltanschauung. Für das Grundgesetz der Welt hält Florenski das Prinzip der Thermodynamik – das Gesetz der Entropie, der allgemeinen Nivellierung (Chaos). Der Welt entgegen steht das Gesetz der Ektropie (Logos). Kultur ist der Kampf mit der Nivellierung der Welt – dem Tod. Kultur (von 'Kult') ist ein organisch zusammenhängendes System von Mitteln zur Verwirklichung und Offenbarung eines Wertes, der als unbedingt angenommen wird und daher als Gegenstand des Glaubens dient. Der Glaube bestimmt den Kult, der Kult das Weltverständnis, aus dem weiter die Kultur folgt. Die allgemeine Weltgesetzmäßigkeit ist als funktionale Abhängigkeit zu verstehen, diskontinuierlich hinsichtlich der Verbindungen und diskret hinsichtlich der Realität als solcher. Diese Diskontinuität und Vereinzelung in der Welt führt zur pythagoräischen Behauptung der Zahl als Form und zu dem Versuch, die 'Ideen' Platos als Urbilder zu erklären. (Moskau 1927)

Schriften

Werkausgabe:

  • Pavel Florenskij, Christentum und Kultur, Berlin 2004, ISBN 3-931337-34-0
  • Pavel Florenskij, Denken und Sprache, Berlin 1993, ISBN 3-931337-16-2
  • Pavel Florenskij, Namen, Berlin 1994, ISBN 3-931337-17-0
  • Pavel Florenskij, Raum und Zeit, Berlin 1997, ISBN 3-931337-29-4
  • Pavel Florenskij, An den Wasserscheiden des Denkens. Ein Lesebuch, 2. Auflage, Berlin 1994, ISBN 3-931337-05-7
  • Appendix 1. Materialien zu Pavel Florenskij, Berlin 1999, ISBN 3-931337-31-6
  • Appendix 2. Materialien zu Pavel Florenskij, Berlin 2001, ISBN 3-931337-35-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Oleg Kolesnikow: Pawel Florenski. Abgerufen am 3. Mai 2009. (russisch)
  2. Pawel Florensky; Tatjana Shutowa: Pawel Florenski. Abgerufen am 3. Mai 2009. (russisch)
  3. Antonio Maccioni: Pavel Aleksandrovič Florenskij. Note in margine all'ultima ricezione italiana. In: eSamizdat, 2007, V (1-2). S. 471-478. Abgerufen am 3. Mai 2009. (italienisch)


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