Paul Jaray

Paul Jaray

Paul Jaray (* 11. März 1889 in Wien; † 22. September 1974 in St. Gallen) war ein ungarischer Ingenieur und Aerodynamiker. Er gilt neben Edmund Rumpler als "Vater der Stromlinienform".

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jaray wurde als fünftes Kind des jüdischen Kaufmanns Adolf Járay (bis 1869: Jeiteles) aus Temesvár und der Therese Schönberg in Wien geboren. Er studierte Maschinenbau in Wien (ab 1906) und Prag (ab 1911) und kam 1912 nach Friedrichshafen, wo er als Chefkonstrukteur im Flugzeugbau Friedrichshafen tätig war. Ebenfalls 1912 heiratete Paul Jaray Olga Jehle, mit der er drei Kinder hatte. Ab 1914 arbeitete Jaray dann bei Zeppelin im Luftschiffbau, wo er an der Entwicklung der Typen LZ 38 bis LZ 126 beteiligt war. Bei Zeppelin forschte Jaray im Bereich Aerodynamik, ein Thema, welches ihn jahrzehntelang weiter beschäftigte. Seine Erkenntnisse beeinflussten nicht nur die Luftfahrt, sondern auch den Automobilbau und sogar die Fahrradtechnik. Jaray konvertierte 1917 zum Katholizismus. Ab 1923 lebte Jaray in der Schweiz. Zunächst betrieb er ein Ingenieurbüro in Brunnen, von wo aus er als Berater für die britische Regierung zum Thema Luftschiffe arbeitete. Ab 1925 fertigte er Lizenzbauten des Radioempfängers Alaphon, ab 1932 eigene Radios bei der Radiodienst und Radiobau AG in Luzern. 1937 verließ er seine Frau und seine drei Kinder. Im Jahr 1941 wurde Jaray technischer Leiter bei Flugzeugbau Farner AG in Grenchen, ab 1944 arbeitete er bei G. Naef Flugmechanik in Fischenthal. Die Ehe mit Olga Jaray wurde 1945 geschieden, im selben Jahr heiratete er seine zweite Frau Martha Steiner, geschiedene Bernays. 1950 lebte Jaray in Kempten (Schweiz) wo seine zweite Frau 1968 verstarb. Etwas später heiratete er in dritter Ehe Marguerite Leuenberger. Paul Jaray starb am 22. September 1974 in St. Gallen.

Luftfahrt

Paul Jaray interessierte sich bereits früh für die Luftfahrt. Bereits 1912 meldete er ein Patent für ein Flugzeug mit freitragenden Flügeln an – eine Erfindung, die er aber nicht weiter verfolgte. Bei Zeppelin baute er 1919 einen Windkanal und untersuchte die Strömungseigenschaften der Luftschiffe. Das Ergebnis dieser Forschungen waren die Zeppeline LZ 120 „Bodensee“ und LZ 121 „Nordstern“. Diese beiden waren die ersten vollständig stromlinienförmig gebauten Luftschiffe und basierten maßgeblich auf den Erkenntnissen von Paul Jaray. Bei diesen Zeppelinen war der Tragkörper tränenförmig statt wie vorher zylinderförmig gestaltet.

J-Rad

Jaray-Rad mit Schwingpedalen, Bj. 1925
Jaray-Rad 1925, Briefmarke 1985

1920 entwarf Jaray ein Trethebelrad - das J-Rad -, bei dem er seine aerodynamischen Erkenntnisse auf den Fahrradbau anwendete. Vom J-Rad wurden 1922/1923 von den Hesperus-Werken in Stuttgart ungefähr 2000 Stück gebaut, die sich vor allem in Holland großer Beliebtheit erfreuten. Nach tödlichen Unfällen durch Materialfehler wurde die Produktion 1923 eingestellt.

Automobilbau

Jaray meldete am 8. September 1921 beim Reichspatentamt in Berlin ein Patent für eine stromlinienförmige Automobilkarosserie an. Wegen Patentstreitigkeiten wurde seinem Antrag erst 1926 als DRP 441618 stattgegeben:

Der untere Teil des Karosseriekörpers hat die Form eines halben Stromlinienkörpers und überdeckt das Chassis mit den Rädern, den Motorraum und den Fahrgastraum. Die Unterseite ist eben und verläuft parallel zur Bodenfläche. Auf diesen Hauptteil ist ein wesentlich schmalerer Stromlinienkörper gesetzt, der von einer fachwerkartigen Konstruktion getragen wird, die ihrerseits auf dem Chassis aufgebaut ist.

Die Jaraysche Karosserie gestaltete bereits die Grundform heutiger Automobile: Die Front ist abgerundet und das Heck spitz zulaufend, so dass die Seitenansicht an einen fallenden Tropfen erinnert. Wie bereits das Rumpler-Tropfen-Auto (cw-Wert 0,28!) war Jarays aerodynamisch optimierte Form ihrer Zeit voraus. Beim Publikum und der Fachpresse wurden die Fahrzeuge mit der außergewöhnlichen Optik verspottet. Die damals üblichen Karossen standen mit ihren senkrechten Kühlern und den außen liegenden Rädern mit ihren gewaltigen Kotflügeln wie Scheunentore im Wind. Aufgrund der eher geringen Geschwindigkeiten spielte die aerodynamische Gestaltung der Fahrzeuge in den 1920ern keine große Rolle.

Im Gegensatz zum exzentrischen Rumpler hatten die Jaray-Wagen den Vorteil, dass sie die komplette Mechanik handelsüblicher Automobile verwenden konnten. Die ersten Fahrzeuge nach Jaray-Lizenz waren der Ley T-6 (Prototyp), der Audi Typ K und der Dixi G7. Der Audi Typ K hatte einen 3560 cm³ großen und 50 PS (37 KW) starken Vierzylindermotor und erreichte mit serienmäßiger Karosserie eine Geschwindigkeit von 95 km/h, mit Jaray-Karosserie bereits 130 km/h. Beim Dixi G7, der einen 1568 cm³ großen und 24 PS (18 KW) starken Motor hatte, steigerte die Stromlinienform die Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h auf 100 km/h.

Die Apollo-Werke unter dem Chefkonstrukteur Carl Slevogt lieferten 1914-1925 drei Typ Apollo Sport 4/20PS serienmäßig auch mit einer Jaray-Stromlienienkarosserie aus (Konstruiert 1923 im Auftrag von Apollo), Preis in dieser Ausführung 8500 Mark.[1]

Einzelnachweise

  1. "Sportwagen in Deutschland 1885-1940", Hans-Heinrich v. Fersen, Motorbuch-Verlag, Seite 41, Die großen Rennjahre, Erwin Tragatsch, Hallwaag-Verlag, Seite 33, Chronik des Automobils, Hans-Otto Neubauer, Chrinik-Verlag, Seite 96

Weblinks


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