Patientenakte

Patientenakte

Krankengeschichte (KG) ist im Alltag ein Synonym für die Anamnese, d. h. der vom Arzt im Gespräch erhobene Gesundheitsverlauf, die Vorerkrankungen, und frühere Behandlungen eines Patienten. Nach anderem Sprachgebrauch kann auch die Gesamtheit aller dokumentierten Informationen über den Krankheitsverlauf eines Patienten gemeint sein, also die Kranken- oder Patientenakte.

Inhaltlich umfasst die Akte u. a. Diagnosen und Verdachtsdiagnosen, Laborbefunde, Röntgenbilder, OP-Berichte, Arzneimittelverordnungen, an den Patienten ausgegebene Warnungen, Arztbriefe, Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen, Notizen zu besonderen Zwischenfällen und die Dokumentation der durchgeführten Untersuchungen und Therapiemaßnahmen, zu der Krankenhäuser, Ärzte und Psychotherapeuten gesetzlich verpflichtet sind.

Die KG dient zur Verlaufskontrolle einer Erkrankung. Sie gibt dem Gesundheitspersonal eine Übersicht über die Diagnosen und Therapien und beinhaltet auch die Beobachtungen des Pflegepersonals. Sie dient dem Arzt als Selbstkontrolle und als Mittel der Kommunikation mit anderen behandelnden Kollegen. Auch der Patient hat das Recht, seine Krankenakte einzusehen. In der Epidemiologie dienen archivierte Patientenakten als wichtige Informationsquelle. Auch im Rahmen des Medizinstudiums und der ärztlichen Fortbildung dienen Krankengeschichten einzelner Patienten als Anschauungsmaterial. Unter dem Schlagwort "Problemorientiertes Lernen" werden solche praxisorientierten Unterrichtsbestandteile an den medizinischen Fakultäten zusehends mehr ins Curriculum integriert. Neben ihrer zentralen Funktion für die ärztliche Kommunikation erfüllt die Krankengeschichte auch den Sinn eines Rechtsdokumentes. Die Eintragungen können vor Gericht als Beweisstück herangezogen werden. Dies hat beispielsweise Relevanz in Verfahren, in denen es um den Beweis eines ärztlichen Kunstfehlers oder um Abrechnungsbetrug geht. Für Krankenkassen ist die Krankengeschichte als Abrechnungsgrundlage wichtig.

Die klassische Patientenakte in Papierform hat mehrere Schwächen:

  • Verlustgefahr (vor allem von einzelnen Schriftstücken)
  • Hoher Aufwand bei Kooperation mehrerer Behandler
  • Schlechte Auffindbarkeit von Einzelinformationen bei großen Datenmengen
  • Keine automatisierte Auswertung (z. B. Vergleich von Befunden, automatische Ausgabe von Impferinnerungen etc.)
  • Zugriffe können nicht protokolliert werden

Mittlerweile kommen für die Organisation von Krankengeschichten in Praxen und Krankenhäusern auch zunehmend elektronische Patientenakten (computergestützte Systeme) zum Einsatz (z.B. Medistar, MedDoc). Diese bieten gewisse logistische Erleichterungen. So ermöglichen sie beispielsweise eine automatische Kodierung der erbrachten Leistung für die Abrechnung bei den Krankenkassen.

Inhaltsverzeichnis

Historie

Im Papyrus Smith, der Abschrift eines Textes aus dem 16. Jahrhundert v. Chr., sind 48 chirurgische Fälle beschrieben; mit Schilderung der Symptome, Diagnosen, und Prognosen nach dem Muster "kann man heilen", "kann man vielleicht heilen", "kann man nicht heilen". Im Papyrus Ebers fand man Beschreibungen zu Symptomen und ihren Diagnosen, Anweisungen für Behandlungen sowie Rezepte für Heilmittel, z.B. bei Verletzungen, Krankheiten, Parasiten und Zahnbeschwerden, aber auch für die Empfängnisverhütung. Hippokrates verwendete um 400 v. Chr. patientenbezogene Krankengeschichten. In der Neuzeit wurde diese Form der medizinischen Dokumentation im 16. Jahrhundert wieder entdeckt, z.B. richtete das St. Bartholomäus-Krankenhaus in London auf Anweisung Heinrichs VIII ein Medical Record Departement ein. Der Nürnberger Stadtarzt Johann Magenbuch legte 1526 ein chronologisches Tagebuch mit Patientennamen, Angaben über deren Krankheiten, medikamentöse Verordnungen und den Krankheitsverläufe an[1]. Im Unterschied zur heutigen Form der patientenorientierten Krankengeschichte wiesen solche Tagebücher einen privaten Charakter auf; als Journale dienten sie vorrangig der Wissenserweiterung des einzelnen Arztes und repräsentierten seinen persönlichen Erfahrungsschatz. Noch im 19. Jahrhundert verwendeten amerikanische Krankenhäuser noch solche (stationsbezogenen) Fallbücher. In Deutschland vollzog sich der Übergang zur patientenzentrierten, standardisierten Krankenakte früher; beispielsweise sind im Archiv der Charité Patientenakten aus den 1850er Jahren zu finden.

Rechtliche Grundlagen

Die Musterberufsordnung der deutschen Ärzteschaft[2] (Grundlage der in der Regel textgleichen, verbindlichen Landesberufsordnungen) legt im § 10 den Umfang der Dokumentationspflicht, die Aufbewahrungsfrist, und die Pflicht, dem Patienten Einsicht zu gewähren, fest.

Im Bundesland Berlin definiert die Krankengeschichtenverordnung den Mindestinhalt einer Krankengeschichte: Sie soll mindestens das Krankenblatt sowie alle notwendigen Aufzeichnungen über Krankenvorgeschichte (Anamnese), Aufnahmebefund, Beobachtung und Behandlung und Untersuchungsergebnisse, sowie der Abschlussbericht (Epikrise) einschließlich der Entlassungsdiagnose enthalten. Für die Vollständigkeit der Krankengeschichte ist der behandelnde Arzt verantwortlich. Bezüglich Form, Archivierung und Umgang mit Daten der Krankengeschichte gibt es auch im übrigen Deutschland Vorgaben.

Siehe auch

Medizinische Dokumentation

Quellen

  1. http://www.bvmi.de/hist_1600_01.htm
  2. http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=2.49.1758
  • Böhm, K., Köhler, C.O., Thome R.: Historie der Krankengeschichte
  • Lichtenthaeler, C.: Geschichte der Medizin
  • Historische Entwicklungen nach: Timmermans, Berg – „The Gold Standard“, 2003, Temple University Press, Philadelphia (USA)

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