Panthera (römischer Soldat)

Panthera (römischer Soldat)

Panthera ist der Name eines römischen Soldaten, der gemäß dem römischen Philosophen Celsus (Kelsos) aus dem 2. Jahrhundert der leibliche Vater von Jesus Christus aus einer unehelichen Beziehung mit (und nach Gerd Lüdemann Vergewaltiger von) Maria sein soll. Die Panthera-Legende lässt sich ab dem späten 2. Jahrhundert nachweisen, teilweise könnten Vorformen ins 1. Jahrhundert und in die Zeit der Evangelien zurückreichen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt und Überlieferungen der Legende

Jesus Christus, so die Panthera-Legende, entstamme in Wahrheit einer Beziehung Marias zu einem anderen Mann während ihrer Verlobungszeit mit Josef; Jesus sei somit ein uneheliches Kind. Dieser Umstand habe vertuscht werden sollen, indem Maria (bzw. Jesus selbst) eine Empfängnis durch den Heiligen Geist behauptet habe.

Der angebliche leibliche Vater Jesu wird nicht in allen Quellen näher bezeichnet; die bekannteste Quelle, Origenes' Schrift Contra Celsum, die die Legende zu widerlegen sucht, nennt jedoch konkret einen römischen Soldaten namens Panthera.

Origenes

Origenes (frühes 3. Jahrhundert) gibt eine Erzählung wieder, die einige Jahrzehnte vor ihm der alexandrinische Philosoph Kelsos bzw. Celsus überliefert hatte. Kelsos berichtete in seiner heute verlorenen Schrift demnach Aussagen eines jüdischen Gewährsmannes. In Kap. 1 (28–38) von Origenes' Entgegnung wird die Behauptung erwähnt, die Jungfrauengeburt sei von Jesus selbst erdichtet worden. In Wahrheit sei er ärmlicher Herkunft gewesen und entstamme einer ehebrecherischen Beziehung seiner Mutter, einer Handarbeiterin, mit dem römischen Legionär Panthera.

Hier die entscheidenden Passagen in deutscher Übersetzung: 1, 28: „Hierauf lässt Kelsos einen Juden auftreten, der sich mit Jesus selbst auseinandersetzt und ihn, wie er meint, wegen vieler Dinge zur Rechenschaft zieht. Zuerst wirft er ihm vor, dass er sich fälschlich als den Sohn einer Jungfrau ausgegeben habe, er schmäht ihn aber auch, weil er aus einem jüdischen Dorf und von einer einheimischen armen Handarbeiterin abstamme. Er sagt dann, diese sei von ihrem Manne, der seines Zeichens ein Zimmermann gewesen, verstoßen worden, weil sie des Ehebruchs schuldig war. Weiter bringt er vor, von ihrem Mann verstoßen und unstet und ehrlos umherirrend, habe sie den Jesus heimlich geboren. Dieser habe sich dann aus Armut nach Ägypten als Tagelöhner verdungen und dort an einigen Zauberkräften versucht, auf welche die Ägypter stolz seien; er sei denn auch zurückgekehrt und habe sich viel auf diese Kräfte eingebildet und sich ihretwegen öffentlich als Gott bezeichnet.“

1, 32: „Doch wir wollen uns nun wieder zu den Worten zurückwenden, die Kelsos den Juden sagen lässt, zu der Behauptung nämlich, die Mutter Jesu sei von dem Zimmermann, mit dem sie verlobt war, verstoßen worden, weil sie des Ehebruchs überführt worden sei und von einem Soldaten namens Panthera ein Kind geboren habe.“

Der „Jude“ des Kelsos vereinigt offenbar die wesentlichen Argumente, die von jüdischer Seite im 2. Jh. gegen die christliche Lehre einer übernatürlichen Zeugung Jesu erhoben wurden. Ob sie in das 1. Jh. zurückreichen, ist auf der Grundlage der Schrift des Celsus/Kelsos allein kaum zu entscheiden, gilt aber als wahrscheinlich.

Jüdische Legenden

Rabbinischen Quellen der tannaitischen Zeit (bis 220 n. Chr.) erwähnen an keiner Stelle Maria oder Jesus. Jedoch berichten die Toledot Jeschu, eine Sammlung volkstümlich-romanhafter Erzählungen über Jesus, in aller Ausführlichkeit von der Verführung (nicht Vergewaltigung) der jungen Maria. Doch sind diese Erzählungen im Mittelalter entstanden, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie gegenüber Origenes' Referat unabhängiges Material aus früherer Zeit enthalten können. Da Kelsos, dessen Schrift Origenes wohl zum allergrößten Teil wiedergibt, aber nichts von der Legende des Diebstahls des Leichnams Jesu, die die Toledot berichten, weiß, kann man kaum auf eine ältere Form der Toledot, die schon Kelsos vorlag, schließen.

Ursachen/Erklärungen

Die Legende von Panthera klingt sicher für moderne Ohren relativ plausibel und realistischer als Jungfrauengeburt und Geistzeugung. Aber sie lässt sich schriftlich erst im 2. Jahrhundert n. Chr. greifen, wenn diese Texte auch möglicherweise auf ältere Überlieferungen zurückgehen. Zumeist sehen Wissenschaftler in der Behauptung der illegitimen Geburt Jesu eine naheliegende Reaktion der nichtchristlichen Umwelt auf die Behauptung der Jungfrauengeburt.

Auch kann man diesbezüglich vielleicht den Namen des (angeblichen) Vaters Jesu, Panthera, entschlüsseln als eine Entstellung bzw. Karikierung des Begriffs parthenos, des griechischen Wortes für Jungfrau. Jesus, der Sohn der parthenos, sei eben der Sohn des Panthera.

Es stellt sich bezüglich dieser von einigen Forschern vermuteten Karikatur von parthenos zu Panthera jedoch die Frage, wer eine solche Anspielung hätte verstehen können, dies umso mehr, als Panthera ein bekannter griechischer Eigenname war, der auf lateinischen Inschriften der frühen römischen Kaiserzeit besonders als Name römischer Soldaten erscheint und möglicherweise auch den Spitznamen eines Feldzeichenträgers aufgrund dessen Kleidung darstellt. Zudem wird Jesus in den christlichen Quellen der ersten beiden Jahrhunderte niemals „Sohn der Jungfrau“ genannt. Ebenso wäre der Vorgang nur im griechisch sprechenden Judentum denkbar, da die Erwartung der Geburt des Messias durch eine "Jungfrau" nach Ansicht vieler Forscher mit der Fehlübersetzung eines alttestamentlichen Weissagungszitates aus dem Hebräischen/Aramäischen („junge Frau“ statt „Jungfrau“) zu erklären ist.

Die mögliche Erklärung des Panthera-Gerüchts als Gegenlegende des Judentums weist dennoch große Wahrscheinlichkeit auf, da beispielsweise auch die Kunde vom Diebstahl des Leichnams Jesu statt der Auferstehung, wie sie schon in Matthäus 28, 15 vorliegt, eine solche Gegenreaktion darstellt. Die Benennung nach der Mutter, wie sie in Markus 6 vorliegt, erscheint im Alten Testament zur Unterscheidung dort, wo die Söhne von einem Vater, aber von verschiedenen Müttern abstammen (vgl. Gen 21, 9: Sohn der Hagar im Unterschied vom Sohn der Sara oder Adonija Sohn der Haggit und Absalom Sohn der Bathseba), evtl. auch wo Reste matriarchalischen Denkens vorliegen (etwa wenn in 1. Samuel 26, 6 drei der militärischen Führer Davids nach ihren Müttern benannt werden). Zum anderen erfolgt die Benennung nach der Mutter in Mischehen zwischen Heiden und einer jüdischen Frau (vgl. Leviticus 24, 10f: Sohn der Schelomith) oder bei illegitimen Söhnen.

Es existieren also durchaus mehrere mögliche Gründe für die Bezeichnung "Jesus, Sohn der Maria". Zudem muss es sich nicht um eine überlieferte tatsächliche Benennung durch Juden handeln, sondern könnte schon eine Reflexion auf die Gottessohnschaft sein. So wird später die Bezeichnung Sohn der Maria zu einem – weiteren – Ehrentitel Jesu wie Sohn Gottes, Lamm Gottes, Gottesknecht, Menschensohn und Messias. Die Bezeichnung „Sohn der Maria“ beruht hier auf einer möglicherweise schon damals einsetzenden Verehrung Marias als Gottesmutter. In jedem Fall entstammt der Ausdruck „Sohn der Maria“ einer Überlieferung, die in der allerersten, bald von der Kontroverse um die Vollmacht Jesu geprägten, Zeit geläufig war.

Es bleibt letztendlich unklar, ob die Vorstellung der Geistzeugung Jesu und der Jungfrauengeburt Reaktion auf oder Voraussetzung für den jüdischen Vorwurf der Nichtehelichkeit Jesu ist. Die Panthera-Legende selbst steht schon einer ausgeprägten Christologie am Ende des 2. Jahrhunderts gegenüber, unabhängig davon, ob Parthenos zu dieser Zeit als Titel Marias im Gebrauch ist. In Verbindung mit Markus 6 gesehen, mag sie jedoch bekräftigen, dass Josef schon zu einer frühen Zeit nicht uneingeschränkt als Vater Jesu galt. Nikodemusevangelium und Toledot Jeschu belegen die Existenz dieses Vorwurfs in der jüdischen Polemik über einen langen Zeitraum hinweg. Jedoch sprechen keine dieser Quellen von einer Vergewaltigung. Der Name Panthera ist nicht konstitutiv für die Legende und überdies nur bei Kelsos belegt, so dass auch das Vorliegen der antichristlichen Polemik vor dem Ende des 2. Jahrhunderts nicht dagegen spräche, dass der Name ein Zusatz ist, der im hellenistischen Judentum entstanden ist.

In deutsch-nationalistischer Literatur, vor allem zur Zeit des Dritten Reiches, wurde die Panthera-Legende, verbunden mit dem Hinweis, in Palaestina seien Legionen aus Gallien, womöglich mit germanischen Auxiliartruppen, stationiert, dazu benutzt, Jesus eine germanische Abkunft zuzuschreiben. Diese These entbehrt jeder Grundlage in den Quellen.

Der Panthera der Legende wird zuweilen mit dem historisch belegten Tiberius Iulius Abdes Pantera identifiziert, einem Syrer in römischem Militärdienst, der um das Jahr 40 n. Chr. bei Bingerbrück starb. Sein Grabstein wurde 1859 entdeckt.

Literatur

  • Eugen Drewermann: Die vier Evangelien. Patmos Verlag, 2004
  • Gerd Lüdemann: Jungfrauengeburt? Radius-Verlag, 1997
  • Gerd Lüdemann: Was mit Jesus wirklich geschah. Radius-Verlag, 1995
  • Hans Windisch: Die Legende von Panthera. In: Christliche Welt. Band 49. 1935, S. 689–694.

Siehe auch


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