Pannonica de Koenigswarter

Pannonica de Koenigswarter

Baronin Pannonica de Koenigswarter, geb. Kathleen Annie Pannonica Rothschild, (* 10. Dezember 1913 in London; † 30. November 1988 in New York) – eine Nachfahrin der englischen Rothschilds – war eine der wichtigsten Förderinnen des Modern Jazz. Vor allem mit dem Jazzpianisten Thelonious Monk und dessen Familie war sie eng verbunden. Monk wiederum benannte eine seiner bekanntesten Kompositionen mit dem Titel Pannonica.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Pannonica Rothschild wurde 1913 als jüngste Tochter des Bankiers und Entomologen Charles Rothschild und der Rózsika Rothschild, geb. Edle von Wertheimstein, geboren. Ihr Bruder war Victor Rothschild, der dritte Baron Rothschild, und ihre Schwester Liberty Rothschild, mit der sie 1931 nach München zog. Pannonica, auch Nica genannt, erhielt ihren Namen nach dem Geburtsland ihrer Mutter (lat. pannonica für dt. Ungarn) und einer von ihrem Vater dort neu entdeckten und von ihm gleichnamig benannten Schmetterlingsart[1] (Pannonische Tiefebene in Ungarn, die Schmetterlingen und Motten als Biotop dient). Sie wuchs in Frankreich auf und begann 1931 in München ein Studium der Malerei. Nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus brach sie ihr Studium ab und verließ 1933 Deutschland wieder. Sie wurde 1935 in Le Touquet Pilotin und lernte dort ihren späteren Ehemann Baron Jules de Koenigswarter kennen.[2] In dieser Ehe gebar sie fünf Kinder.

Während des Zweiten Weltkrieges engagierte sich ihre Familie im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur: ihr Mann setzte sich für die Résistance ein, sie begleitete ihn nach Afrika - wo sie ihr Interesse für afrikanische Kultur entwickelte -, arbeitete dort sowie in Italien und Frankreich für die Gaullisten als Chiffriererin, deren Kommentatorin bei Radio Brazzaville und als Fahrerin von Militärfahrzeugen. Ihr Bruder Victor arbeitete zeitgleich für Winston Churchill. Victor Rothschild erhielt von Teddy Wilson Klavierunterricht, und er war es auch, der Nica in Kontakt mit den aktuellen Strömungen im Jazz Amerikas brachte (Duke Ellington). Als junges Mädchen kannte und liebte sie bereits zahlreiche Jazz-Schallplatten aus der umfangreichen Sammlung ihres Vaters und besuchte mit ihrem Bruder die in England seltenen Konzerte von Benny Goodman.

Nach Kriegsende zog sie mit ihrem Mann, der Diplomat wurde, zunächst nach Norwegen, dann nach Mexiko-Stadt. 1951 ging sie – der Verpflichtungen einer Diplomatengattin leid und deshalb ohne ihn – nach New York, wo sie eine Suite im „Stanhope Hotel“ an der Fifth Avenue bewohnte. Die Scheidung wurde erst 1956 vollzogen.[3]

Sie tauchte in die New Yorker Jazzszene ein und ihre Suite wurde von unzähligen Jazzmusikern frequentiert, die sich dort erholten, unterhielten und auch Jamsessions abhielten, was de Koenigswarter, um wohnen bleiben zu können, horrende Mieterhöhungen bescherte. Schnell wurde sie für Jazzmusiker zu einer Art Patronin und half ihnen mit Geld, Unterkunft, Rat, manchmal auch durch juristischen Beistand und Entwürfe für Schallplatten-Cover. In ihrer Suite starb 1955 Charlie Parker, der die Suite einem Krankenhaus vorzog. Aufgrund ihres Engagements wird sie auch oft als Bebop-Baronesse bezeichnet, sie galt als eine Personifikation des weiblichen Hipsters.

Nach Parkers Tod musste sie das „Stanhope Hotel“ verlassen und zog für viele Jahre in das „Bolivar Hotel“. Thelonious Monks Komposition Ba-Lue Bolivar Ba-Lues-Are erinnert an diese Zeit. Pannonica de Koenigswarter traf Monk erstmals 1954 in Paris, wo sie ihm nach einem Konzert von einer gemeinsamen Freundin, der Pianistin Mary Lou Williams, vorgestellt wurde. Sie wurden Freunde fürs Leben. Koenigswarter nahm Monk und seine Familie nach einem Wohnungsbrand auf und unterstützte ihn finanziell. Durch sie erhielt er 1957 seine „cabaret card“, die Auftrittserlaubnis für New York, zurück. Diese war ihm zwei Jahre zuvor bei Baltimore auf Grund eines vermeintlichen Drogendeliktes entzogen worden. Pannonica, die ihn damals begleitete, wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, kam frei und erreichte Jahre später einen Freispruch.[4] Nica setzte sich mit einer Unterschriftenaktion erfolgreich dafür ein, dass Musikern in den New Yorker Nachtclubs nicht mehr abverlangt wurde, Fingerabdrücke abnehmen und sich eine „cabaret card“ ausstellen lassen zu müssen. Als Monk erstmals ernsthaft krank wurde, zog er 1973 in Koenigswarters Haus Weehawken, New Jersey ein, wo er zurückgezogen 1982 starb. Monk nannte sein neues Zuhause zunächst Catsville (Cats Jargon für andere Musiker). Hunderte von Katzen, die von der Tierliebe Pannonicas profitierten, sorgten für die Umbenennung des Domizils in Catshouse. De Koenigswarter nahm seit Ende der 60er-Jahre Polaroids auf, die sie mit 300 Antworten der Jazzmusiker veröffentlichen wollte, die sie 1961-66 interviewte. Der Plan wurde erst posthum verwirklicht.

1988 starb Baronin Pannonica de Koenigswarter im Alter von 74 Jahren, sie hinterließ drei Töchter, zwei Söhne und einen Enkel.[5] Ihrem letzten Wunsch gemäß wurde ihre Asche nach einem Gedenkgottesdienst in der Jazz-Kirche St. Peter (New York) [6] zur Musik von Monks ’Round Midnight auf dem Hudson River verstreut.

Würdigungen

Etwa zwanzig Jazzmusiker[7] benannten Stücke nach ihr: Gigi Gryce das Stück (und Album) Nica’s Tempo, Sonny Clark Nica, Horace Silver Nica’s Dream, Kenny Dorham Tonica, Kenny Drews Blues for Nica, Freddie Redd Nica Steps Out, Barry Harris Inca, Tommy Flanagan Thelonica und Thelonious Monk Pannonica.[8]

Clint Eastwood drehte 1988 den biographischen Spielfilm «Bird» über die Jazzlegende Charlie Parker, in dem Diane Salinger die Rolle Nica de Koenigswarters spielt. Allerdings war Koenigswarter nicht mit der Besetzung ihrer Figur einverstanden, da die Schauspielerin „wie ein Pferd“ aussehe.[9]Koenigswarter erscheint auch in Eastwoods Dokumentation Thelonious Monk: Straight, No Chaser von 1989.

Literatur

Ihre quasi-Enkelin[10], die Großnichte Nadine de Koenigswarter, eine in Paris lebende Malerin und Free Jazz-Liebhaberin, fand im Haus ihrer Großtante einen Karton mit deren Fotos von Jazzmusikern, die sie in den 60ern fotografiert hatte. Daneben fanden sich auch Notizen von jeweils drei Antworten ihrer Musikerfreunde auf die Frage: „Was sind deine drei Wünsche?“ Pannonica de Koenigswarter fand zu ihren Lebzeiten keinen Verleger für ihr Buchvorhaben. Nadine de Koenigswarter brachte es im Jahr 2006 in französischer Sprache heraus und die französische Académie du Jazz wählte es im selben Jahr zum Buch des Jahres.

  • Pannonica de Koenigswarter: Les Musiciens de Jazz et leur trois voeux. Propos recueillis et photos. Paris 2006, ISBN 2-283-02038-7
    deutsch: Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche. Fotografiert und notiert von Baronesse Pannonica de Koenigswarter. Stuttgart 2007 (mit 200 schw.-w. Abb.) ISBN 3-15-010653-2.[11]
  • David Kastin: Nica's dream : the life and legend of the jazz baroness, New York ; London : W.W. Norton, 2011, ISBN 978-0-393-06940-2

Weblinks

Quellen

  1. De Koenigswarter, Jazzmusiker, S.6
  2. De Koenigswarter: Jazzmusiker, S. 6f.
  3. Genealogical survey of the peerage of Britain, thePeerage.com
  4. De Koenigswarter: Jazzmusiker, S. 13, mit einem Verweis auf eine weitere Version der Geschichte.
  5. „Baroness Pannonica de Koenigswarter, 74“, The New York Times, 2. Dezember 1988
  6. Homepage St. Peter, Lutheran Church (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen, ältesten röm.-kath. Gemeinde in Manhattan)
  7. De Koenigswarter: Jazzmusiker, S. 13f.
  8. WDR3-Sendung am 10. Mai 2007: „Jazz & Fotografie: Pannonica de Koenigswarter, die Baronin des Jazz“.
  9. „Jazz und Fotografie. Bebop-Baronin am Drücker“, Spiegel Online, 17. Juni 2007
  10. So von Nica bezeichnet.
  11. Rezensionen im Perlentaucher und FAZ

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