Paläobiologie

Paläobiologie

Als Paläobiologie werden Teilgebiete, Methoden und Konzepte innerhalb der Paläontologie zusammengefasst, die der biologischen Erforschung ausgestorbener Organismen gewidmet sind - im Unterschied zur Angewandten Paläontologie, die sich mit Fossilien als Informationsquelle zur Untersuchung geowissenschaftlicher Fragestellungen befasst, sie z.B. für die zeitliche Einordnung von Sedimentgesteinen (Biostratigraphie) und für die Charakterisierung geologischer Bildungsräume (Biofaziesanalyse) heranzieht. Zum Teil werden Fragestellungen der Biofaziesanalyse, der Fossilisationslehre und der Biostratigraphie auch im Rahmen der Paläobiologie thematisiert.

Untersuchungsgegenstand der Paläobiologie sind neben den Fossilien auch molekularbiologische Daten heute lebender und kürzlich ausgestorbener Organismen ("Molekulare Paläobiologie") sowie heute lebende Vergleichsorganismen, deren Biologie nach dem Prinzip der phylogenetischen Umklammerung ("Extant Phylogenetic Bracket") oder auf Grundlage von Analogieschlüssen Aussagen zur Biologie ausgestorbener Organismen zulässt (Aktuopaläontologie).

Die Paläobiologie kann analog zur Biologie in Paläozoologie und Paläobotanik (und weiter) systematisch untergliedert werden. Insofern sie Daten über ausgestorbene Gruppen miteinbeziehen und/oder über diese Aussagen zu treffen suchen, können viele Forschungsrichtungen der Biologie heute lebender Organismen ("Neontologie") auch Teil der Paläobiologie sein. Das trifft für die Vergleichende Anatomie, die Systematik, die Phylogenetik, die Funktionsmorphologie, die Ökologie und die Biogeographie als klassische Felder paläontologischer Forschung zu. Besonders seit den 1980er Jahren sind auch weitere Teilgebiete wie die Physiologie, die Pathologie, die Skeletthistologie, die Sklerochronologie, die Entwicklungsbiologie, die Verhaltensbiologie, die Biomechanik, die Molekularbiologie und die Biochemie häufig Gegenstand paläobiologischer Forschung.

Als (ein) Begründer dieser Forschungsrichtung gilt der Wiener Othenio Abel.

Extant Phylogenetic Bracket

Um Aussagen über die Weichkörper-Anatomie oder andere nicht erhaltungsfähige Merkmale ausgestorbener Lebewesen zu treffen nutzen Paläobiologen das Prinzip der phylogenetischen Umklammerung (Extant Phylogenetic Bracket): Merkmale, die sowohl in der am nächsten und als auch in der am zweitnächsten verwandten heute lebenden Gruppe einer ausgestorbenen Gruppe auftreten, kann ich auch für diese ausgestorbene Gruppe als gegeben annehmen.

 

Gruppe A, rezent, besitzt Merkmal x


     

Gruppe B, ausgestorben, Vorhandensein von Merkmal x geschlussfolgert


     

Gruppe C, rezent, besitzt Merkmal x





Wenn beispielsweise Menschen als die nächsten und Schimpansen als die zweitnächsten heutigen Verwandten des Australopithecus ein Selbstbewusstsein haben (was sich z.B. im Bestehen des sogenannten Spiegeltests äußern könnte), dann kann ein Selbstbewusstsein auch für Australopithecus als gegeben angenommen werden.

Literatur

  • Derek E. G. Briggs, Peter R. Crowther: Palaeobiology - a synthesis. Blackwell, Oxford, 1990, 583 S., ISBN 0632033118
  • Arno H. Müller: Lehrbuch der Paläozoologie. Bd. 1. Allgemeine Grundlagen. 5. Aufl. Gustav Fischer, Jena, 1992, 514 S., ISBN 3334603784
  • Kevin J. Peterson, Roger E. Summons, Philip C. J. Donoghue: Molecular Palaeobiology. Palaeontology 50 (4), 2007, S. 775- 809
  • Laurence M. Witmer: The Extant Phylogenetic Bracket and the importance of reconstructing soft tissues in fossils. In: Jeff J. Thomason (Hrsg.), Functional morphology in vertebrate paleontology, Cambridge University Press, Cambridge, 1995, S. 19- 33, ISBN 0521629217

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