Otto Wolff (Industrieller)

Otto Wolff (Industrieller)

Otto Wolff (* 8. April 1881 in Bonn; † 22. Januar 1940 in Berlin) war ein bedeutender deutscher Großindustrieller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vom Schrotthandel zum Kleinsten der Großen

Nach einer kaufmännischen Lehre und abhängiger Arbeit gründete Otto Wolff 1904, gestützt auf einen Kredit seitens seiner Mutter, mit dem Teilhaber Ottmar Strauß die Eisengroßhandlung Otto Wolff OHG. Der Erste Weltkrieg brachte dem Unternehmen einen Wachstumsschub. Während der Inflation wurde er der größte Aktionär der Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb und Großaktionär der Rheinischen Stahlwerke, ein starkes Standbein in der Produktion, doch war seine Firma in erster Linie ein Handelsunternehmen, Grund, nicht die Sechserkommission in den Micum-Verhandlungen zu unterstützen, sondern 1923 durch einen „Separatfrieden“ die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen mit Frankreich zu beschleunigen.[1] Die genannten Anteile brachte er 1926 in die Vereinigten Stahlwerke ein, in deren Aufsichtsrat er Mitglied wurde. 1931/32 befand sein Unternehmen sich in finanziellen Schwierigkeiten, was nicht bekannt wurde, da dessen Rechtsform nicht zu einer Veröffentlichung der Bilanzen verpflichtete.[2] Im Jahre 1940 besaß er 19 Aufsichtsratsmandate, davon 12 in der Montanindustrie.

Seine Orientierung nach Frankreich machte es leicht, ihn bei den Befürwortern eines unabhängigen Rheinlands einzuordnen, in einem Zug genannt mit Paul Silverberg,[3] für den Wolff aber ansonsten eher eine Art „Kölner Erzfeind“ darstellte.[4] Andererseits fiel bei ihm ein herausragendes Interesse für Geschäfte mit der Sowjetunion auf. Standen die ersten Versuche noch im Zeichen der zuerst im Osten anzutreffenden Hyperinflation, erregte mit Otto Wolff im Aufsichtsrat die am 9. Oktober 1922 erfolgte Gründung der Deutsch-Russischen Handels-Aktiengesellschaft (Russgertorg) Aufsehen,[5] bis er sich nach 15 Monaten wegen Meinungsverschiedenheiten zurückzog. Aber er blieb dran, sein Konzern war anschließend beteiligt an der Ausfuhrvereinigung Ost, und Wolff saß wieder im Aufsichtsrat der Industriefinanzierungs-Aktiengesellschaft Ost, die für Russlandgeschäfte seinen Firmen 1932 zu Krediten im Rahmen des „Röhrenkonsortiums“ verhalf.

Leicht erkannte man in ihm einen intelligenten, ehrbaren Kaufmann, dem obendrein seine Persönlichkeit Kreditwürdigkeit verschaffte. Die Neuerungen entlang seines Handelns waren das „Machen eines Marktes“ über das übliche Erkennen der Absatzchancen hinaus, eine Umkehrung des Verhältnisses zwischen Eisenindustrie und Eisenhandel mit dem Ideal einer kaufmännischen Führung, das Bankiers-ähnliche Vorgehen von ihm als Exporteur bei der mitfinanzierten Vermittlung von Gütern und die Handhabung dessen ebenso als Gesamtunternehmer im Konsortialgeschäft (hier im Sinne der Geschäfte von Konsortien), das auch im großen Maßstab bei präziser Anlage der Planung arbeitsteilig ohne Finanzverflechtung der Lieferwerke vollzogen werden konnte. Letzteres gelang Otto Wolff, da ihn neben seiner Anpassungsfähigkeit ein Einfühlungsvermögen in die jeweiligen Gegebenheiten auszeichnete.[6]

Einflussnahme auf die Politik

Wolff war enger Vertrauter von Heinrich Brüning, zu dessen Büro er freien Zutritt hatte, und enger Freund von Kurt von Schleicher. Für ihn prophezeite er im August 1932, er würde mit Hitler an der Macht nicht mehr sicher sein,[7] was sich 1934 fatal bewahrheitete. So klar Wolffs NS-Gegnerschaft[8] vor der Machtergreifung erscheint, so schwierig ist die Beurteilung seines Handelns danach. Wenn pauschal für die Industriellen eine sich durchsetzende "Appeasement"-Strategie[9] behauptet wird, die eine Diskriminierung jüdischer Industrieller − so auch Wolffs ehemaligen Teilhaber Ottmar Strauß − kritiklos hinnahm, deutet das Überlieferte für Wolff eher auf eine Widersetzlichkeit im Rahmen des Möglichen hin − er war zu dieser Zeit schon gesundheitlich angeschlagen.[10] Eine Unterscheidung von Verantwortlichkeit der seinen Namen tragenden, aber durch einen Generalbevollmächtigten geführten Firma und derjenigen seiner Person, lässt in Bezug auf Strauß bei Otto Wolff erkennen, dass er nicht die Beschlagnahmung von dessen Besitz betrieb und nicht auf seinen persönlichen Vorteil auf dessen Kosten bedacht war.[11]

Nach einer eigenen Aufstellung über seine Spendentätigkeit spendete er im Jahr 1931 16.900 Reichsmark und 1932 160.800 Reichsmark an die NSDAP, hingegen der DNVP 1932 nur 15.000 Reichsmark.[12] Anscheinend gingen die Gelder an Gregor Strasser, den innerparteilichen Rivalen Hitlers.[13] Walther Funk sagte im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher aus, dass Wolff den NS-Politiker Robert Ley, der in dieser Zeit Teil des Stabs von Strasser war, vor 1933 finanzierte.[14] Dasselbe berichtete auch ein Informant von Franz Bracht im Oktober 1932 an Bracht.[15]

Familiäres und Steckenpferde

Otto Wolff war Sohn eines katholischen Organisten und Kantors der Bonner Stiftskirche und einer evangelischen Mutter, deren Bekenntnis er folgte, was ihn trotz dessen Bejahung im späten Leben nicht davon abhielt, protestantische Geistliche aufzufordern, sich Bischof Clemens August Graf von Galen als Vorbild zu nehmen.[16] Otto Wolff legte eine umfangreiche Sammlung wirtschaftshistorischer Literatur an, die später der Kölner Universitätsbibliothek zugute kam und tauschte mit Oscar Schlitter alte Ausgaben der Werke Voltaires aus. Selbst verfasste er unterstützt von einem Historiker die biographische Arbeit Die Geschäfte des Herrn Ouvrard und begann nach deren Veröffentlichung 1932 eine Arbeit über Finanzierungsmethoden zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die nicht abgeschlossen wurde.[17]

Der Unternehmer Otto Wolff von Amerongen war sein unehelicher Sohn, den er 1935 adoptierte. Nachdem sein Freund und Arzt Paul Beek im Sommer 1934 für die Firma nach China gegangen war, hatte Wolff mit der Einbindung von Erwin Planck − er entwickelte sich zum Vertrauten und Berater − bereits für die Gegenwart einer Persönlichkeit gesorgt, die dem Firmenerben als Vorbild dienen konnte.[18]

Zitate

Robert Pferdmenges über Otto Wolff:

„Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass eine andere als die Kaufmannstätigkeit einen vernünftigen Sinn habe.“[19]

Paul Silverberg an Richard Merton am 7. Juli 1929:

„Mein persönliches Verhältnis mit Otto Wolff ist nicht schlecht, d.h. so, wie es mit Herrn Otto Wolff sein kann.“[4]

Einzelnachweise

  1. Boris Gehlen: Paul Silverberg (1876-1959). Ein Unternehmer, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte Nr. 194, Stuttgart 2007, S. 256
  2. Eckart Conze: »Titane der modernen Wirtschaft«. Otto Wolff (1881 - 1940), in: Peter Danylow / Ulrich S. Soénius (Hrsg.): Otto Wolff. Ein Unternehmen zwischen Wirtschaft und Politik, München 2005, S. 129
  3. Henning Köhler: Adenauer und die rheinische Republik. Der erste Anlauf 1918−1924. Westdeutscher Verlag, Opladen 1986, S. 243
  4. a b Boris Gehlen: Paul Silverberg (1876-1959). Ein Unternehmer, Stuttgart 2007, S. 130
  5. Hubert Schneider: Das sowjetische Außenhandelsmonopol 1920−1925, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1973, S. 89−90
  6. Walther Herrmann: Otto Wolff (1881 - 1940), in: Volks- und Betriebswirtschaftliche Vereinigung im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet u. a. (Hrsg.): Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 8, Münster 1962, S. 129, 132, 140, 146, 147, 133
  7. Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985, S. 316.
  8. Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985, S. 504, Anmerkung 51
  9. Reinhard Neebe: Großindustrie, Staat und NSDAP 1930 - 1933. Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik, Göttingen 1981, S. 195
  10. Elfi Pracht: Ottmar Strauß: Industrieller, Staatsbeamter, Kunstsammler, in: Julius H. Schoeps u. a. (Hrsg.): Menora. Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte. 1994, München 1994, S. 54
  11. Eckart Conze: »Titane der modernen Wirtschaft«. Otto Wolff (1881 - 1940), in: Peter Danylow / Ulrich S. Soénius (Hrsg.): Otto Wolff. Ein Unternehmen zwischen Wirtschaft und Politik, München 2005, S. 137
  12. Wolfgang Ruge, Wolfgang Schumann (Hrsg.): Dokumente zur deutschen Geschichte 1929-1933. Frankfurt am Main 1977, S. 89.
  13. Eckart Conze: »Titane der modernen Wirtschaft«. Otto Wolff (1881 - 1940), in: Peter Danylow / Ulrich S. Soénius (Hrsg.): Otto Wolff. Ein Unternehmen zwischen Wirtschaft und Politik, München 2005, S. 130
  14. Nürnberger Dokument EC-440, Statement Funk vom 28. Juni 1945. Zitiert nach: Office of the United States Chief of Counsel For Prosecution of Axis Criminality (Hrsg.): Nazi Conspiracy and Aggression. Supplement A, Washington 1946. online
  15. Henry Ashby Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler Verlag, Berlin 1985, S. 317.
  16. Walther Herrmann: Otto Wolff (1881 - 1940), in: Volks- und Betriebswirtschaftliche Vereinigung im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet u. a. (Hrsg.): Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 8, Münster 1962, S. 123
  17. Walther Herrmann: Otto Wolff (1881 - 1940), in: Volks- und Betriebswirtschaftliche Vereinigung im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet u. a. (Hrsg.): Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 8, Münster 1962, S. 155
  18. Astrid von Pufendorf: Die Plancks. Eine Familie zwischen Patriotismus und Widerstand. Propyläen Verlag, Berlin 2006, S. 380. ISBN 978-3-549-07277-6
  19. Walther Herrmann: Otto Wolff (1881 - 1940), in: Volks- und Betriebswirtschaftliche Vereinigung im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet u. a. (Hrsg.): Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 8, Münster 1962, S. 125

Literatur

  • Walther Herrmann: Otto Wolff (1881 - 1940), in: Volks- und Betriebswirtschaftliche Vereinigung im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet, Historische Kommission Westfalens, Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv und Westfälisches Wirtschaftsarchiv (Hrsg.): Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Band 8, Münster 1962, S. 123 - 156
  • Hans Radandt: Wolff Otto. in: Autorenkollektiv: Biographisches Lexikon zur deutschen Geschichte. Berlin 1970, S. 755 f.
  • Eckart Conze: »Titane der modernen Wirtschaft«. Otto Wolff (1881 - 1940), in: Peter Danylow / Ulrich S. Soénius (Hrsg.): Otto Wolff. Ein Unternehmen zwischen Wirtschaft und Politik, München 2005, Siedler Verlag. ISBN 3-88680-804-1, S. 99 - 152

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