Otto Weddigen

Otto Weddigen
Otto Weddigen

Otto Eduard Weddigen (* 15. September 1882 in Herford; † 18. März 1915 auf See vor Schottland) war ein deutscher Marineoffizier, zuletzt Kapitänleutnant sowie U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Otto Weddigen wurde als elftes und jüngstes Kind eines Leinenfabrikanten geboren. Die Firma Weberei Weddigen besteht bis heute. Die weitverzweigte Familie gehörte zu den angesehensten des Ravensberger Landes und hat über mehrere Generationen u. a. evangelische Geistliche, Wissenschaftler, Schriftsteller und Kaufleute hervorgebracht. Weddigen besuchte von 1890 bis 1901 das Friedrichs-Gymnasium in seiner Heimatstadt, um anschließend als Offizieranwärter in die Kaiserliche Marine einzutreten. Im Gegensatz zum nach wie vor vom preußischen Adel dominierten Kaiserlichen Heer bot die Marine ehrgeizigen jungen Männern aus dem Bürgertum durchaus Aufstiegschancen.

1902 wurde er zum Fähnrich zur See und 1904 zum Leutnant zur See befördert. Im Mai 1906 wurde Weddigen zum Ostasiengeschwader, das in der damals deutschen Kolonie Tsingtau in China stationiert war, versetzt. Er wurde Wachoffizier auf dem Flusskanonenboot SMS Vaterland. Er wurde zum Oberleutnant zur See befördert. 1907 diente er als Wachoffizier auf dem Kanonenboot SMS Tiger.

Nach Deutschland zurückgekehrt, kam Weddigen im Oktober 1908 zur U-Boot-Waffe. Diese befand sich gerade im Aufbau. Von April 1909 bis September 1910 fuhr er auf SM U 1, SM U 2 und SM U 4 als Wachoffizier. Dann erhielt er mit U 4 sein erstes eigenes Kommando. Während des nächsten Jahres kommandierte er zeitweise auch SM U 3 und SM U 5, bevor er am 1. Oktober 1911 Kommandant von SM U 9 wurde. U 9 gehörte zu dieser Zeit zu den neuesten Booten. Am 25. April 1912 wurde Weddigen zum Kapitänleutnant befördert.

Die Besatzung von U 9, Otto Weddigen stehend in der Mitte

Wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs lief Weddigen mit U 9 und neun weiteren Unterseebooten von Helgoland zum ersten Einsatz aus. Diese erste Kriegshandlung durch deutsche U-Boote überhaupt misslang. Zwei Boote gingen verloren und U 9 musste, angeschlagen und mit technischen Problemen, in die Kaiserliche Werft Wilhelmshaven zurückkehren. Die wochenlange Ruhezeit nutzte Otto Weddigen zur Eheschließung mit einer Jugendfreundin. Am 20. September 1914 lief U 9 über den Marinestützpunkt Helgoland zu einer Aufklärungsfahrt in Richtung Westen aus. In den Morgenstunden des 22. September 1914 wurden ca. 50 km nördlich von Hoek van Holland drei britische Kriegsschiffe gesichtet, die in Kiellinie liefen. Es gelang Weddigen, die drei technisch veralteten britischen Panzerkreuzer HMS Aboukir, HMS Hogue und HMS Cressy nacheinander in nur 75 Minuten zu versenken. Nach dem Bericht des Kommandanten der Cressy, Bertram W.L. Nicholson, hatte ein Beobachtungsposten auf der Aboukir offenbar das Periskop von U 9 für ein Stück Treibholz gehalten. Ein Zufallstreffer in das Waffenmagazin der Cressy löste eine gewaltige Explosion und Chaos an Bord des britischen Schiffes aus. Bei der zu Hilfe eilenden Cressy kam erschwerend hinzu, dass die Besatzung nahezu ausschließlich aus kampfunerprobten Reservisten bestand.

Dass neben militärischen Fähigkeiten auch eine große Portion Glück bei der für die Deutschen erfolgreichen Aktion im Spiel gewesen ist, gibt Weddigen in einem später verfassten Bericht unumwunden zu und hebt deutlich die Tapferkeit der gegnerischen Soldaten hervor. Etwa 1.500 Mitglieder der britischen Besatzungen verloren dabei ihr Leben. 800 Überlebende wurden, u. a. von einem britischen Fischerboot und den niederländischen Passagierdampfern Flora und Titan, geborgen. U 9 gelang trotz Verfolgung durch britische Schiffe unbeschadet die Rückkehr nach Helgoland. Anschließend wurde es in Wilhelmshaven triumphal empfangen. Otto Weddigen wurde als Kriegsheld gefeiert.

Das Versenken von drei gegnerischen Schiffen innerhalb kürzester Zeit etablierte U-Boote als Mittel der Kriegsführung. Für die deutsche U-Boot-Waffe war es ein bis dahin nicht für möglich gehaltener Erfolg. Otto Weddigen wurde von Kaiser Wilhelm II. mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet. Die übrigen 20 Besatzungsmitglieder erhielten das Eiserne Kreuz II. Klasse. Das Boot U 9 durfte fortan das Eiserne Kreuz am Turm führen.

Knapp drei Wochen später, am 15. Oktober, versenkte Weddigen vor Aberdeen den britischen Kreuzer HMS Hawke, wofür er vom Kaiser am 24. Oktober 1914 als erster deutscher Marineoffizier überhaupt mit dem Pour le Mérite, der höchsten preußischen Tapferkeitsauszeichnung, persönlich ausgezeichnet wurde.

Nachdem in der Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges durch die Reichsregierung, zwar wider das Völkerrecht, aber in Reaktion auf die ebenfalls völkerrechtswidrige Blockade Deutschlands durch Großbritannien, ausdrücklich auch die Versenkung gegnerischer Handelsschiffe vorgesehen war, versenkte U 9 unter Weddigen auch drei solcher Schiffe.

Im Januar 1915 musste Weddigen sein Kommando wegen einer Verletzung an seinen Ersten Offizier Johannes Spieß abgeben. Nach seiner Genesung übernahm er am 13. Februar SM U 29. Dieses Boot hatte im Gegensatz zu dem Petroleumboot U 9 Dieselmotoren. Am 10. März lief U 29 von Zeebrügge zum ersten Einsatz unter Weddigen aus. Es erreichte sein Operationsgebiet in der Irischen See und konnte in den nächsten Tagen vier Schiffe mit 12.934 BRT versenken. Auf dem Rückmarsch um Schottland herum begegnete U 29 am 18. März 1915, östlich des Pentland Firth (zwischen dem schottischen Festland und den Orkney-Inseln), der Grand Fleet. Diese war auf dem Heimweg zu ihrem Stützpunkt Scapa Flow. Nach einem Fehlschuss auf das Schlachtschiff HMS Neptune wurde das Periskop des U-Bootes auf dem Schlachtschiff HMS Dreadnought gesichtet. Es gelang Weddigen nicht mehr, rechtzeitig auf Tiefe zu gehen. Gegen 13.40 Uhr rammte die HMS Dreadnought das deutsche Boot, das dabei für kurze Zeit mit dem Vorschiff an die Oberfläche schoss. Dabei wurde die Bootsnummer ausgemacht. Dann versank U 29 und Otto Weddigen sowie seine gesamte Mannschaft fanden den Tod. Es war die einzige Kampfhandlung der HMS Dreadnought während des Ersten Weltkriegs. Der 1917/1918 gebaute und eingesetzte U-Boot-Kreuzer U 140 erhielt den Namen Kapitänleutnant Weddigen.

Nachwirkung

Otto Weddigen wurde in Deutschland infolge seiner als sensationell empfundenen militärischen Erfolge als Kriegsheld gefeiert, seine Heimatstadt ernannte ihn mit 32 Jahren zum Ehrenbürger. Verehrung und Legendenbildung griffen rasch um sich, propagandistisch geleitet durch die kaisertreue Boulevardpresse. Bierkrüge, Medaillen, Wandteller und Porträtbüsten von ihm wurden in großer Zahl in Umlauf gebracht. Bald hieß es, in nahezu jedem deutschen Haushalt stehe ein Erinnerungsstück an Weddigen. Übertroffen wurde der Kult um den U-Boot-Kommandanten während des Ersten Weltkriegs später nur von dem am 21. April 1918 abgeschossenen Jagdflieger Manfred von Richthofen.

Auch in der Weimarer Republik blieb die Erinnerung an den Marineoffizier lebendig. Heinz Paul drehte 1927 den Spielfilm „U 29 Weddigen“ mit Carl de Vogt in der Hauptrolle. Unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde das Andenken an den einstigen „Kriegshelden“ noch einmal forciert, und es erschienen mehrere Biografien. An der Universität Kiel bildete der dortige Verein Deutscher Studenten zusammen mit anderen Studentenverbindungen 1933 eine Kameradschaft Otto Weddigen. Beim Wiederaufbau der deutschen U-Boot-Waffe wurde die erste neugegründete Flottille 1935 nach Weddigen benannt. Erster Chef wurde Karl Dönitz. Das Boot U 9 trug, wie Weddigens SMS U 9, das Eiserne Kreuz als Turmabzeichen. In dieser Zeit baute die Firma Leitz unter dem Markennamen Leica sowohl eine Unterwasserkamera als auch ein Prismenfernglas mit Namen „Weddigen“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Otto Weddigen – anders als von Richthofen – außerhalb Marine-interessierter Kreise weitgehend in Vergessenheit. Anfang der 1950er Jahre erschienen bei Pabel-Moewig einige Heftromane rund um die U 9 und Weddigen, u. a. 1953 „Mit Weddigen auf großer Kriegsfahrt“. Bücher über Otto Weddigen wie auch Devotionalien der im Deutschen Reich erfolgten Heldenverehrung sind heute allenfalls in Antiquariaten und bei auf Militaria spezialisierten Flohmarkthändlern zu finden. Allerdings beginnen sich Forschung und Feuilleton im Zuge eines neu belebten Interesses an den Vorgängen des Ersten Weltkriegs auch wieder für die Person Otto Weddigen zu interessieren. (siehe Literatur)

Geburtshaus Otto Weddigens
Gedenktafel

In Herford ist an dem Geburtshaus Otto Weddigens in der Petersilien-/Ecke Frühherrenstraße eine Gedenktafel angebracht. Das Weddigenufer an der Werre wurden nach ihm benannt. Ein dort 1935 - in der NS-Zeit - angelegtes Freibad, das lange Zeit als Militäreinrichtung genutzt wurde (nach dem Krieg auch durch die britische Armee), trug den Namen. Die Herforder Bevölkerung machte daraus in den letzten Jahren vor seinem Abriss jedoch kurz „Otto-Bad“. 1997 entstand an der Stelle ein Freizeitbad mit dem Namen „H2O“, was die Interpretation „Herfords Zweites Otto“ zulässt. Auch die in der Stadt ansässige Marinekameradschaft Otto Weddigen erinnert an ihn.

U 9 der Bundesmarine führte als Wappen ebenfalls das Eiserne Kreuz.

Eine Schwimmpier im Marinestützpunkt Kiel heißt nach ihm Weddigenbrücke.

In Berlin wurden mehrere Straßen nach dem U-Boot-Kommandanten benannt, der Weddigenweg im Bezirk Steglitz-Zehlendorf existiert bis heute. Auch in Oberhausen-Sterkrade wurde 1936 die Thalstraße nach ihm umbenannt und heißt bis heute Otto-Weddigen-Straße.

In Augsburg, Aurich, Freiburg im Breisgau, Gerlingen, Hannover, München, Münster, Nürnberg, Oldenburg und Wuppertal sind ebenfalls Straßen nach ihm benannt. In der niederrheinischen Kleinstadt Neukirchen-Vluyn tragen drei Straßen einer 1919 erbauten Zechensiedlung seinen Namen (Weddigenplatz, Weddigenallee, Weddigenstraße).

In Düsseldorf-Niederkassel trägt die Schützenkompanie Otto-Weddigen-Kompanie seit 1935 – dem im Dritten Reich groß gefeierten zwanzigsten Todesjahr des U-Boot-Kommandanten – seinen Namen.

In dem privaten, öffentlich zugänglichen Museum U-Boot-Archiv in Cuxhaven ist der Otto-Weddigen-Raum nach ihm benannt.

Quellen

  • Source Records of the Great War, Vol.II, ed. Charles F. Horne, National Alumni 1923 (Quellensammlung, darin Berichte von Weddigen und Nicholson zum 22. Sept. 1914)

Literatur

Der Name von Otto Weddigen auf einer Liste der Herforder Gefallenen im I. Weltkrieg
  • Jürgen Busche: Heldenprüfung. Das verweigerte Erbe des Ersten Weltkriegs, Frankfurt (DVA) 2004
  • Volker Jakob: Von der Verfallszeit des Ruhmes (essayistisches Porträt Weddigens), in: Westfalenspiegel 1 (2006), S. 56f.
  • Rene Schilling: „Kriegshelden“. Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland von 1813 bis 1945, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh) 2002
  • Heinrich Richter: Otto Weddigen, Ein Lebensbild, Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig, 1915.

Filmografie

U9 - Weddigen. Regie: Heinz Paul. Drehbuch: Willy Rath. Darsteller: Carl de Vogt, Mathilde Sussin u.a., Deutschland 1927

Im besetzten Rheinland wurde der Streifen im Dezember 1927 von den Zensoren der Interalliierten Rheinlandkommission wegen befürchteter „Störung der öffentlichen Ordnung“ verboten, wenige Wochen später jedoch mit Streichungen unter dem Titel Brüder. U9, Kapitän Weddigen wieder freigegeben. Der geänderte Titel ist insofern treffend, da der Film den deutsch-britischen U-Boot-Krieg über eine private deutsch-britische Familiengeschichte als tragischen Bruderkrieg aufrollt. Weddigen wird weniger als mariner Haudegen, sondern als eine Art romantischer Held gezeichnet. Siehe [1]

Weblinks

 Commons: U-9 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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