Otto Kahn-Freund

Otto Kahn-Freund

Sir Otto Kahn-Freund (* 17. November 1900 in Frankfurt am Main; † 16. August 1979 in Oxford) war ein Jurist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nachdem Otto Kahn-Freund am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, studierte er von 1918 bis 1923 in Frankfurt am Main, Heidelberg und Leipzig Rechtswissenschaften und schloss sein Studium 1925 mit einer Promotion ab. Sein politisches und berufliches Vorbild war der sozialdemokratische Jurist Hugo Sinzheimer. Bei Sinzheimer studierte Kahn-Freund zusammen mit Franz Neumann, Hans Morgenthau, Ernst Fraenkel und Carlo Schmid.

1927 begann er eine Tätigkeit als Assessor. Im gleichen Jahr unternahm er eine Reise nach Großbritannien und in die Vereinigten Staaten von Amerika. 1928 wurde er am Berliner Arbeitsgericht zum Amtsrichter ernannt. Im Laufe seiner Tätigkeit am Gericht wurde er zum Amtsgerichtsrat befördert.

Unter seinem Vorsitz entschied am 14. März 1933 das Kammergericht Berlin einen Fall zu Ungunsten der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Bei dem Verfahren handelte es sich um die fristlose Kündigung von drei technischen Mitarbeitern, von denen der Arbeitgeber vermutete, dass sie Mitglieder in der KPD gewesen seien bzw. ihr nahegestanden hätten und damit der Verdacht begründet gewesen sei, dass diese Mitarbeiter in der Zukunft Sabotageakte im Rahmen des Rundfunkprogramms ausübten bzw. duldeteten.

Am 23. März 1933 wurde er nach diesem Urteil wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ mit sofortiger Wirkung und kurze Zeit später mit dem Hinweis auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Justizdienst entlassen.

Nachdem ein Stoßtrupp der SA sein Haus überfallen hatte, emigrierte er im Juni 1933 ins Vereinigte Königreich, wo er zunächst von seiner Familie unterstützt wurde. Er begann dort erneut ein Studium an der Universität London, wo er 1935 seinen Master of Laws absolvierte. 1936 begann er seine anwaltliche Tätigkeit im Bereich der englischen Anwaltskammer Middle Temple in London.

Bis 1939 war er Stellvertretender Vorsitzender des „Consulting Committee for German Questions“ im „International Department of the Labour Party“. Ende 1939 übernahm er zusammen mit der Soziologin Charlotte Lütkens die Leitung des Gillies-Ausschusses. 1940 wurde er deshalb von Richard Crossman zum Vorsitzender des Komitees deutscher Emigranten zur Evaluierung der deutschen Sendungen der BBC berufen.

Zusammen mit dem Gewerkschafter Walter Auerbach und den beiden Journalisten Fritz Eberhard und Hilde Meisel bildete er auch nach der Auflösung des Gillies-Ausschusses einen Diskussionskreis, an dem er bis 1945 aktiv beteiligt war.

Von 1940 bis 1941 setzte er sich als Vorsitzender des „Beratungskomitees deutscher Emigranten“ bei den britischen Behörden für die Entlassung von inhaftierten deutschen Flüchtlingen aus den Internierungslager ein.

Am 7. Oktober 1940 ging der von ihm mitgegründete Sender der europäischen Revolution auf Sendung. Nach dessen Einstellung am 30. April 1942 beteiligte er sich an der 1943 gegründeten „German Education Reconstruction“ (GER).

1962 gehörte er zu den Gründern des „Research Committee on Sociology of Law (RCSL)“, der bisher einzigen internationalen Organisation im Bereich der Rechtssoziologie.

Von 1964 bis 1971 lehrte er als Professor für vergleichendes Recht an der Oxford University und war Fellow am Brasenose College Oxford. Darüber hinaus war er 1965 bis 1968 Mitglied des „Royal Commandments of trade Unions and Employers Association“. Im Laufe seines Lebens erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und war Mitglied in verschiedenen juristischen Vereinigungen. 1971 wurde er emeritiert.

Für seine Verdienste im Bereich des Arbeitsrechts wurde er 1976 geadelt.

Schriften

  • Das soziale Ideal des Reichsarbeitsgerichts. Bensheimer, Mannheim, Berlin, Leipzig 1931.
  • The law of carriage by inland transport. Stevens, London 1939.
  • Beiträge zum Neuaufbau des deutschen Arbeitsrechts. Renaissance Publ., Welwyn Garden City 1944.
  • The Growth of Internationalism in English Private International Law. 1960
  • mit Karl Renner: Die Rechtsinstitute des Privatrechts und ihre soziale Funktion. Fischer, Stuttgart 1965. Übersetzung Elisabeth Kahn-Freund.
  • Delictual Liability and the Conflict of Laws. 1968.
  • mit Viktor Weidner: Parallelen und Gegensätze im englischen und amerikanischen Privatrecht. Hanstein, Bonn 1970.
  • General Problems of Private International Law. 1975.
  • Arbeit und Recht. Bund, Köln, Frankfurt am Main 1979. Übersetzung Franz Mestitz.
  • Arbeitsbeziehungen. Nomos, Baden-Baden 1981.

Literatur

  • Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945, Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München 1980.
  • Dieter Nelles: Widerstand und internationale Solidarität. Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung der Seeleute. Dissertation. 2000. Klartext, Essen 2001, ISBN 3-88474-956-0.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Otto Kahn-Freund — Sir Otto Kahn Freund Sir Otto Kahn Freund in 1950. Born 17 November 1900 Frankfurt am main Died 16 August 1979 Oxford …   Wikipedia

  • Kahn-Freund — Sir Otto Kahn Freund (* 17. November 1900 in Frankfurt am Main; † 16. August 1979 in Oxford) war ein Jurist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Kahn (Begriffsklärung) — Kahn bezeichnet: ein kleines Boot oder Schiff, siehe Kahn Kahn ist der Familienname folgender Personen: Abdul Kadir Khan (* 1936), pakistanischer Nuklearingenieur Albert Kahn (1860–1940), französischer Bankier Albert Kahn (Architekt) (1869–1942) …   Deutsch Wikipedia

  • Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern — Christian Morgenstern 1910 Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern (* 6. Mai 1871 in München; † 31. März 1914 in Meran, Villa Helioburg, Untermais) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Übersetzer. Besondere Bekanntheit erreichte seine …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Kah–Kak — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Hilda Monte — Hilde Meisel (* 31. Juli 1914 in Wien; † 17. April 1945 in Tisis bei Feldkirch) war eine Sozialistin und Publizistin. Aufgewachsen in Berlin veröffentlichte sie Artikel gegen die NS Diktatur in Deutschland. In Zeitschriften, Büchern und… …   Deutsch Wikipedia

  • List of German Jews — The Jewish presence in Germany is older than Christianity; the first Jewish population came with the Romans to the city Cologne. A Golden Age in the first millennium saw the emergence of the Ashkenazi Jews, while the persecution and expulsion… …   Wikipedia

  • Labour Broadcasting Comitee — Der Sender der europäischen Revolution (SER) war ein unabhängiger sozialistischer Hörfunksender in London, der vom 7. Oktober 1940 bis zum 30. April 1942 eine rätesozialistische Neuordnung propagierte. Eröffnet wurde der Sender mit folgenden… …   Deutsch Wikipedia

  • Transport Act 1962 — Described as the most momentous piece of legislation in the field of railway law to have been enacted since the Railway and Canal Traffic Act 1854 [ cite journal|title=Transport Act, 1962|journal=Modern Law Review|date=March… …   Wikipedia

  • Hilde Meisel — (* 31. Juli 1914 in Wien; † 17. April 1945 in Tisis bei Feldkirch) war eine Sozialistin und Publizistin. Aufgewachsen in Berlin veröffentlichte sie Artikel gegen die NS Diktatur in Deutschland. In Zeitschriften, Büchern und Rundfunksendungen rief …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”