Ossian

Ossian
Ossians Traum (Jean Auguste Dominique Ingres 1813, Musée Ingres, Montauban)

Ossian ist eine angebliche Figur aus der gälischen Mythologie. Bekannt wurde sie vor allem durch die angeblichen Gesänge des Ossian, die in Wirklichkeit der Schotte James Macpherson (1736–1796) geschrieben hat. Als namensgebendes Vorbild suchte er sich Oisín aus, den Sohn des Fionn mac Cumhail. Inhalt der Gesänge sind episch dargestellte Schlachten und die Schicksale auserwählter edler Helden, die sich meist um die Rettung von Königreichen bemühen.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Ein Kritiker aus Edinburgh, Hugh Blair, gab 1760 „Fragments of Ancient Poetry“ („Bruchstücke alter Dichtung, in den schottischen Highlands gesammelt, aus dem Gälischen oder Ersischen übersetzt“) heraus. Blair hatte einen Hauslehrer namens James Macpherson dazu aufgefordert, die „alten gälischen Gesänge der Heimat“ zu sammeln. Da dieser nicht wusste, wo er solche finden sollte, schrieb er sie selbst und behauptete, sie aus dem Gälischen ins Englische übersetzt zu haben.

Blair war begeistert und vermutete, die vorgeblichen Gesänge aus keltischer Vorzeit seien Fragmente eines Nationalepos, wie es bislang in Schottland noch nicht aufgewiesen werden konnte. Als Verfasser des Werkes „identifizierte“ Blair den aus der schottisch-gälischen Mythologie bekannten Ossian, und sein Held müsse der sagenhafte König Fingal (Fionn) sein. Auf Blairs Drängen hin lieferte Macpherson die epischen Dichtungen „Fingal“ und „Temora“, die 1762 bzw. 1763 veröffentlicht wurden.

Samuel Johnson bezeichnete diese Dichtungen im selben Jahr als „nicht authentisch und zweitens dichterisch ohne Wert“. 1764 äußerte auch das „Journal de Savants“ in Paris ernstliche Zweifel. In einer öffentlich geführten Auseinandersetzung warf Johnson Macpherson „pure Hochstapelei“ vor und forderte ihn auf, Originalmanuskripte vorzulegen. Von dieser Kontroverse nahm jedoch das Publikum wenig wahr. Vielmehr wurden die Gesänge begierig aufgenommen, welche 1765, inzwischen zu „Works of Ossian“ („Ossians Gesänge“) vervollständigt, zusammengefasst herausgebracht wurden. Die Anfälligkeit bereits der vorromantischen Zeit für alles Düstere und Vorzeitliche (siehe Schauerroman) ließ seine Leser an die Wiederentdeckung eines Nationalepos nur allzu bereitwillig glauben.

Internationale Rezeption

Ins Deutsche wurden die Werke „Ossians“ erstmals 1768/69 von dem österreichischen Schriftsteller und Bibliothekar Michael Denis übersetzt. 1787 veröffentlichte der in Pfälzischen Diensten stehende Oberst Edmund von Herold, weitere angebliche Gesänge. Louise Otto-Peters verfasste eine freie Nachdichtung auf den Ossian, als Textvorlage für die Oper „Armor und Daura“ des Komponisten Ferdinand Heinrich Thieriot (1838–1919).

Weit über die Grenzen Schottlands hinaus begeisterte „Ossian“ eine ganze Dichtergeneration und trug zum „Sturm und Drang“ bei. Herder, ein Philosoph und Sammler von Volksgesängen, brachte seinem Schützling Goethe den „Homer des Nordens“ nahe, der ihn wiederum im Werther zitierte. In Frankreich gehörten Madame de Staël und Napoléon zu den Lesern und Bewunderern. 1841 reichte der dänische Komponist und Dirigent Niels Wilhelm Gade seine später unter dem Titel „Nachklänge von Ossian“ als op. 1 erschienene Ouvertüre bei einem vom Kopenhagener Musikverein ausgerichteten Kompositionswettbewerb ein und gewann mit dem Werk den ersten Preis.

Auch bei den Herrschern der Zeit fanden die Ossianischen Heldenvisionen Anklang: 1811 beauftragte Napoleon Bonaparte den Maler Ingres mit einem Gemälde zu Ossianischem Thema für sein künftiges Schlafzimmer im Quirinalspalast in Rom, das 1813 fertiggestellt wurde: der Sänger erschaut im Traum seinen Vater Fingal, seinen Sohn Oskar und dessen Geliebte Malvina. Die bleibende Popularität des Vornamens Oskar ist übrigens auch auf die Ossianrezeption zurückzuführen.[1]

Ossian empfängt die Helden (Anne Louis Girodet-Trioson 1801, Musée National de Malmaison, Paris)

Aber bereits 1801 hatte Bonaparte Aufnahme in den Ossianschen Heldenhimmel gefunden: Anne Louis Girodet-Trioson, ein Schüler von David, zeigte den jugendlichen General, der die Gefallenen seines Heeres dem von Adlerflügeln umrauschten und von harfeschlagenden Nixen umgebenen Sänger Ossian empfiehlt.

Ausgaben

  • The poems of Ossian and related works. Hrsg. von Howard Gaskill. Edinburgh University Press, Edinburgh 1996, ISBN 0-7486-0707-2

Es hat seit 1768 insgesamt 14 ins Deutsche übertragene Gesamtausgaben der Ossianischen Gedichte gegeben, darunter die bekannte von Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg:

  • Die Gedichte von Ossian, dem Sohne Fingals 3 Bde., Hamburg 1806 Bd. 1 Bd. 2 Bd. 3

Eine kommentierte deutsche Ausgabe ist 2003 als 3. Band von Wolf Gerhard Schmidts Dissertation über die Ossian-Rezeption erschienen (siehe Abschnitt Literatur).

Literatur

  • Wolf Gerhard Schmidt: „Homer des Nordens“ und „Mutter der Romantik“. James Macphersons Ossian und seine Rezeption in der deutschsprachigen Literatur. De Gruyter, Berlin 2003 (zugl. Dissertation, Universität Saarbrücken 2002)
    • Band 1: James Macphersons Ossian, zeitgenössische Diskurse und die Frühphase der deutschen Rezeption. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017924-5
    • Band 2: Die Haupt- und Spätphase der deutschen Rezeption. Bibliographie internationaler Quellentexte und Forschungsliteratur. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017924-5
    • Band 3: Kommentierte Neuausgabe deutscher Übersetzungen der „Fragments of ancient poetry“ (1766), der „Poems of Ossian“ (1782) sowie der Vorreden und Abhandlungen von Hugh Blair und James Macpherson. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017923-7
    • Band 4: Kommentierte Neuausgabe wichtiger Texte zur deutschen Rezeption. De Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-017937-7
  • Susanne Strasser-Klotz: Runge und Ossian. Kunst, Literatur, Farbenlehre. Dissertation, Universität Regensburg 1995 (Volltext)
  • Maathias Wessel: Die Ossian-Dichtung in der musikalischen Komposition. (= Publikationen der Hochschule für Musik und Theater Hannover; Bd. 6). Laaber-Verlag, Laaber 1994, ISBN 3-89007-295-X (zugl. Dissertation, HMT Hannover 1992)

Weblinks

 Commons: Ossian – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alexander Demandt: Die Kelten. München 1998, S. 115

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