Oskar von Niedermayer

Oskar von Niedermayer

Oskar Ritter von Niedermayer (* 8. November 1885 in Freising; † 25. September 1948 in Wladimir, Russland) war ein deutscher Offizier, zuletzt Generalmajor im Zweiten Weltkrieg sowie Professor und Abenteurer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung

Oskar Niedermayer stammte aus einer Regensburger Beamten- und Kaufmannsfamilie. Am 15. Juli 1905 trat er als Fahnenjunker in das 10. Feldartillerie-Regiment in Erlangen ein. Nachdem er zum Leutnant befördert worden war, erhielt er innerhalb der Armee Gelegenheit zum Studium der Naturwissenschaften, Geographie und der iranischen Sprachen. Im Anschluss wurde er bei vollem Gehalt für eine zweijährige Forschungsreise beurlaubt, welche ihn ab September 1912 durch Persien und Indien führte. Dabei durchquerte Niedermayer als erster Europäer die Wüste Lut. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914-1918) kehrte er nach Deutschland zurück.

Erster Weltkrieg

Bereits am 15. Dezember 1914 entsandte die deutsche militärische Führung Niedermayer mit einer kleinen Expedition nach Afghanistan, um dort, ähnlich wie später Lawrence von Arabien, zu versuchen, die von Großbritannien abhängigen Perser, Afghanen und die benachbarten Inder gegen die Kolonialmacht aufzuwiegeln. Am 26. September 1915 erreichte die Niedermayer-Hentig-Expedition Kabul, konnte dort jedoch nichts Entscheidendes beim Emir Habibullah ausrichten und startete im Mai 1916 die Rückkehr. Der gefährliche Rückmarsch, auch durch feindliches russisches Territorium endete am 1. September 1916 im Osmanischen Reich, wo sich Niedermayer der deutschen Militärmission im Osmanischen Reich unter Generalfeldmarschall Freiherr Colmar von der Goltz (1843-1916) anschloss. In den folgenden Monaten übernahm er Kommandos bei den deutschen Truppen im Nahen Osten. Erst im März 1918 wurde er nach Deutschland zurückbeordert, wo er am 28. März im Großen Hauptquartier eintraf. Niedermayer erhielt für seine Verdienste den Militär-Max-Joseph-Orden und einen Posten als Hauptmann an der Westfront. Dort erlebte er die Kämpfe in der Champagne und in Flandern, bevor der Krieg zu Ende ging.

Zwischenkriegszeit

Am Ende des Krieges wurde Niedermayer beurlaubt und hatte so Gelegenheit an der Universität München zwei weitere Semester Philologie und Geographie zu studieren. Er erwarb dabei den Grad eines Dr. phil. summa cum laude. In dieser Zeit (ab 29. April 1919) war er jedoch auch Leiter Werbeabteilungen des Freikorps Epp, welches die Münchner Räterepublik bekämpfte. Am 12. Dezember des gleichen Jahres wurde Niedermayer wieder in die Reichswehr aufgenommen. Er diente zunächst in der Kraftfahrabteilung 23 und wurde schließlich Adjutant im Ministerium des Reichswehrministers Otto Geßler (1875-1955). Am 23. Dezember 1921 schied Niedermayer offiziell aus der Reichswehr aus, jedoch nur, um danach inoffiziell für sie in der Sowjetunion tätig zu sein. Bis 1932 arbeitete er im Büro der Reichswehr in Moskau. Danach kehrte er nach Deutschland zurück und trat der Reichswehr (2. Preußisches Artillerieregiment) offiziell wieder bei. Doch schon am 29. Januar 1933 schied er als Oberstleutnant erneut aus dem aktiven Dienst aus, um sich einer akademischen Karriere zu widmen. Noch vor dem 1. Mai 1933, an dem die Aufnahmesperre in Kraft trat, wurde er Mitglied der NSDAP.[1]

Am 31. Juli 1933 habilitierte er sich mit einer Arbeit über „Wachstum und Wanderung im russischen Volkskörper“ und trat eine Stelle als Privatdozent für „Wehrgeographie“ und „Wehrpolitik“ an der Universität Berlin an. Vier Jahre später, am 27. Juli 1937 übernahm Niedermayer auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers die Leitung des „Instituts für allgemeine Wehrlehre“ an der Berliner Universität. Zwischenzeitlich war er am 1. November 1935 als Ergänzungsoffizier erneut in die Wehrmacht eingetreten, doch als er am 1. Oktober 1939 ein planmäßiges Ordinariat erhielt, gab er seine Planstelle als Oberst im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) wieder auf. Seit 1939 gehörte zum Beirat der „Forschungsabteilung Judenfrage“ innerhalb des nationalsozialistischen Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands.[1]

Zweiter Weltkrieg

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges ersuchte Niedermayer um eine Verwendung in der Wehrmacht, entweder an der Front oder mit einer Beteiligung seines Institutes an der Verwaltung des besetzten Polens. Da die Wehrmachtführung darauf nicht reagierte, bat er einige befreundete Generäle um Fürsprache. Dennoch lehnte das Oberkommando des Heeres sein Ersuchen am 20. Februar 1941 erneut ab. Daraufhin wandte sich Niedermayer am 25. Mai 1941 noch einmal persönlich an Wilhelm Keitel (1882-1946), den Chef des OKW. Zwar hatte er Gelegenheit an einigen Lehrgängen teilzunehmen, doch erst am 30. Mai 1942 wurde Niedermayer mit der Führung der 162. (Turk)-Infanteriedivision beauftragt. Dabei handelte es sich nicht um eine reguläre Division, sondern lediglich um einen Stab, der dazu vorgesehen war, im Hinterland der Heeresgruppe Süd in der Ukraine aus nicht-russischen (kaukasisch, turkestanisch, georgisch, armenisch) Kriegsgefangenen Truppen gegen die UdSSR zu formieren. Diese Aufgabe war ihm übertragen worden, weil er sich in den vorangegangenen Jahren mit vielen Artikeln und Denkschriften als Kenner der Geographie und der Völker jener Regionen profiliert hatte.

Die Division lag zunächst in der Ukraine, wo sie für die Ausbildung der so genannten „Ostlegionen“ sorgte. Im Februar 1943 verlegte sie jedoch nach Neuhammer im Deutschen Reich. Dort wurde sie vom Frühjahr bis zum Herbst 1943 in eine reguläre Felddivision umgegliedert, bestand jedoch nach wie vor aus kaukasischen, georgischen und turkotartarischen Soldaten. Als Kommandeur dieser Division wurde Niedermayer im Kampf gegen Partisanen auf dem Balkan eingesetzt. Im März 1944 erfolgte die Verlegung nach Italien, um dort den alliierten Vormarsch aufzuhalten. Im Rahmen der 10. Armee kam die Division am 9. Juni 1944 zum ersten größeren Einsatz, bei dem sie sich nicht bewährte. Doch Niedermayer war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Kommandeur der Einheit. Er war bereits am 21. Mai 1944 auf Verlangen des Feldmarschalls Albert Kesselring abgelöst worden. Kesselring hatte einige Wochen zuvor in einer Beurteilung über Niedermayer geschrieben: „Die allgemeine Bildung steht über dem Durchschnitt … Er ist jedoch mehr Gelehrtennatur als Truppenkörper. In der Entschlussfassung zu zögernd und in der Befehlsführung zu langsam.“[2]

Niedermayer wurde zum „Kommando der Freiwilligenverbände beim Oberbefehlshaber West“ versetzt. Seine Tätigkeit dort ist nicht näher bekannt. Doch im August 1944 äußerte er sich abfällig über Hitlers Ostpolitik. Zwei Offiziere seines Stabes meldeten ihn daraufhin, was zu Niedermayers Verhaftung und zu einer Anklage wegen Wehrkraftzersetzung und Defätismus führte. Der Fall wurde vor dem Reichskriegsgericht in Torgau verhandelt. Zahlreiche Freunde schrieben Eingaben, u.a. an Heinrich Himmler und erinnerten an Niedermayers Verdienste. Diese Eingaben erreichten jedoch nichts und Niedermayer wurde erst durch US-amerikanische Verbände aus dem Gefängnis in Torgau befreit. Er kehrte nach der Kapitulation am 9. Mai 1945 in seine Heimatstadt Regensburg zurück, wurde jedoch in Karlsbad von den Sowjets verhaftet und in ein Moskauer Gefängnis gebracht. Dort erkrankte er an Tuberkulose. In einem Prozess wurde Niedermayer zu 25 Jahren Haft verurteilt, die er in der Strafanstalt Wladimir verbüßen sollte. Nach wenigen Tagen verstarb er am 25. September 1948 im Krankenhaus des Gefängnisses.

Werke

  • Meine Rückkehr aus Afghanistan, München 1918.
  • Die Binnenbecken des Iranischen Hochlandes, München 1918.
  • Afghanistan, Leipzig 1924.
  • Unter der Glutsonne Irans - Kriegserlebnisse der deutschen Expedition nach Persien und Afganistan, Dachau 1925.
  • Krieg in Irans Wüsten, Hamburg 1940.
  • Wehrgeographische Betrachtung der Sowjetunion, Berlin 1933.
  • Sowjet-Rußland - Eine geopolitische Problemstellung, Berlin 1934.
  • Wehrpolitik - Eine Einführung und Begriffsbestimmung, Leipzig 1939.
  • Wehrgeographischer Atlas von Frankreich, Berlin 1939.
  • Soldatentum und Wissenschaft, Hamburg 1940.
  • Wehrgeographie am Beispiel Sowjetrusslands, Berlin 1940.
  • Wehrgeographischer Atlas von Grossbritannien, Berlin 1940.
  • Krieg und Wissenschaft, in: Das Reich 21/ 1941.
  • Wehrgeographischer Atlas der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Berlin 1941.
  • Wehrgeographie, Berlin 1942.

Literatur

  • Peter März: Der erste Weltkrieg. Deutschland zwischen dem langen 19. Jahrhundert und dem kurzen 20. Jahrhundert. Ernst Vögel, Stamsried 2004, ISBN 3-89650-193-3, (Berlin & München 1).
  • Franz W. Seidler: Oskar Ritter von Niedermayer im Zweiten Weltkrieg. In: Wehrwissenschaftliche Rundschau. 20, 1970, ISSN 0342-4847, S. 168–174, 193–208.
  • Hans-Ulrich Seidt: Berlin, Kabul, Moskau. Oskar Ritter von Niedermayer und Deutschlands Geopolitik. Universitas Verlag, München 2002, ISBN 3-8004-1438-4.
  • Christoph Jahr: Generalmajor Oskar Ritter von Niedermayer. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite. Band 1: Von den Anfängen des Regimes bis Kriegsbeginn. Primus Verlag, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-083-2, S. 178–184.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 434–435.
  2. Zit. nach: Franz W. Seidler: Oskar Ritter von Niedermayer im Zweiten Weltkrieg, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau 4/1970, S.203

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