Ortega y Gasset

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José Ortega y Gasset (* 9. Mai 1883 in Madrid; † 18. Oktober 1955 ebenda) war ein spanischer Philosoph, Soziologe und Essayist.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Ortega wurde in Madrid als Spross einer Journalistenfamilie geboren. Er besuchte die Jesuitenschule San Estanislao de Miraflores in Málaga und studierte von 1897 bis 1898 an der Universität von Deusto in Bilbao und anschließend an der Universität Madrid Philosophie, wo er 1904 promovierte. Von 1905 bis 1911 hielt er sich zu Studienzwecken in Deutschland auf, u. a. in Leipzig, Berlin und vorrangig in Marburg. In Marburg wurde er u. a. vom Neukantianismus Hermann Cohens und Paul Natorps beeinflusst. 1909 kehrte Ortega nach Spanien zurück.

Ortega war Gründer und Herausgeber der Zeitschriften España (1915–1924) und Revista de Occidente (1923). Während dieser Zeit wirkte er bei der Schaffung der spanischen Verfassung mit.

Unter dem Eindruck der Weimarer Republik verfasste er 1929 sein zentrales Werk „Der Aufstand der Massen“. Von 1910 bis 1936 hatte er Professuren für Metaphysik, Logik und Ethik an der Universität Complutense Madrid inne, 1936 ging er mit dem Fall der Republik ins Exil und lebte in Frankreich, Argentinien und ab 1943 in Portugal. Als Kulturphilosoph baute er auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Friedrich Nietzsche, Wilhelm Dilthey und der Lebensphilosophie auf.

Bedeutung des philosophischen Werks

Ortega verband mit umfassendem philosophischem Wissen Sinnesfreude, Weltaufgeschlossenheit und Eleganz des Denkens und der Lebensführung. Seine Philosophie entzündete sich stets am Gegenständlichen, das er unmittelbar, nicht durch die Brille der philosophischen Lehrmeinung, auf sich wirken ließ. Dieses und der Bezug zur deutschen Philosophie wird als wesentlicher Grund für die außergewöhnliche Breitenwirkung angesehen, die Ortega, insbesondere in Deutschland, mit seinen um ganz verschiedene Probleme kreisenden Schriften nach dem Zweiten Weltkrieg erzielt hat. Weniger bekannt ist die starke Wirkung, die Ortega unmittelbar oder indirekt durch emigrierte spanische Philosophen auf die geistige Auseinandersetzung in Lateinamerika, besonders in Mexiko ausgeübt hat. Seinem Einfluss war ein wachsendes Interesse an der deutschen Philosophie in jenen Ländern zuzuschreiben.

Ortegas starke Individualität, seine Eigenwüchsigkeit in Wesen und Denken hinderten ihn daran, sich einer philosophischen Schule einzuordnen. Gleichzeitig schlossen sie die Bildung eines eigenen Schülerkreises um ihn herum von vornherein aus. Die Vielseitigkeit seiner Interessen drückt sich in der Vielzahl seiner Veröffentlichungen aus.[1]

Das soziologische Werk: Der Mensch und die Leute

Als wichtigstes soziologisches Buch Ortega y Gassets gilt Der Aufstand des Massen. Es wird der Elitesoziologie zugerechnet. Er selbst strebte eine umfassende Soziologie an, an der er bis zu seinem Tode arbeitete. Seine soziologische Lehrmeinung wurde 1957 als El hombre y la gente (Der Mensch und die Leute) aus dem Nachlass herausgegeben. Darin wird die Idee entfaltet, dass die Bräuche Wesensgrundlage des Gesellschaftlichen seien. Sein Verständnis von Brauch entspricht dabei eher dem von Gewohnheit.

Bestimmte Bräuche (Gewohnheiten) − wohl die extremsten unter ihnen − sind laut Ortega y Gasset Handlungen, die unter gesellschaftlichem Druck ausgeführt werden (also mechanisch wirkende Nötigungen); Handlungen, deren eigentlicher Inhalt den Ausführenden unverständlich ist (also irrational); Handlungen, die außerhalb der eigenen Person aber auch außerhalb aller Anderen liegen (also extraindividuelle Realtitäten). Bräuche seien gespeicherte gesellschaftliche Vergangenheit.

Werkauswahl

  • Gesammelte Werke in 6 Bänden. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München (1996). ISBN 3-421-01848-0
  • Los terrores del año mil. Crítica de una leyenda, Madrid 1904
  • Meditaciones del Quijote, Madrid 1914
  • El Espectador, Madrid 1916 (dt. Buch des Betrachters, Stuttgart 1952).
  • España invertebrada, Madrid 1921
  • El tema de nuestro tiempo, Madrid 1923 (dt. Zürich 1928)
  • Ni vitalismo ni racionalismo, Madrid 1924
  • La deshumanización del arte, Madrid 1925 (dt. Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst, München 1964)
  • La “Filosofía de la historia” de Hegel y la historiología, Madrid 1928.
  • ¿Qué es filosofía?, Buenos Aires 1929
  • La rebelión de las masas, Madrid 1929 (dt. Der Aufstand der Massen, Stuttgart 1936)
  • Prólogo a „Veinte años de caza mayor“ del conde de Yebes, Madrid 1943 (dt. Meditationen über die Jagd, zul. Stuttgart 1998)
  • Pidiendo un Goethe desde dentro, Santiago 1932 (dt. Titel: Um einen Goethe von innen bittend, dva, 1949)
  • Meditación de la técnica, Buenos Aires 1939 (dt. Stuttgart 1949)
  • El intelectual y el otro, Madrid 1942 (dt. Stuttgart 1949).
  • Ideas y creencias, Madrid 1942 (dt. in: Vom Menschen als utopischem Wesen, Stuttgart 1951)
  • Miseria y esplendor de la traducción, Madrid 1956 (dt. Ebenhausen bei München 1964)
  • El hombre y la gente, Madrid 1957 (dt. Titel: Der Mensch und die Leute, Stuttgart 1958)
  • La idea de principio en Leibniz y la evolución de la teoría deductiva, Madrid 1958 (dt. München 1966)
  • Que es Filosofia?, Madrid 1958 (dt. Titel: Was ist Philosophie?, Stuttgart 1962)
  • Der Mensch ist ein Fremder. Schriften zur Metaphysik und Lebensphilosophie, Freiburg 2008, ISBN 978-3-495-48104-2

Literatur

  • Marco Fuhrländer: José Ortega y Gasset, in: Joachim Kaiser (Hg.): Das Buch der 1.000 Bücher. Autoren, Geschichte, Inhalt und Wirkung, Harenberg, Dortmund 2002, ISBN 3-611-01059-6, S. 830 f. (Fundierter einführender Lexikonartikel zu José Ortega y Gasset.)

Quellen

  1. Über den Verfasser, aus Der Aufstand der Massen, Rowohlt, rowohlts deutsche enzyklopädie

Siehe auch

Weblinks


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