Orlando Bosch Ávila

Orlando Bosch Ávila

Orlando Bosch Ávila (* 18. August 1926 in San Juan de los Yeras, Las Villas, Kuba; † 27. April 2011 in Miami) war Kinderarzt und ehemaliger Untergrundkämpfer für die Kubanische Revolution, ab 1960 einer der prominentesten und gewaltbereitesten Repräsentanten exilkubanischer Castro-Gegner in Miami.

Leben

Bosch studierte ab 1946 Medizin an der Universität in Havanna und lernte als Vorsitzender der Studentenvertretung der medizinischen Fakultät Fidel Castro kennen, der zur selben Zeit Studentenvertreter der rechtswissenschaftlichen Fakultät war.[1] 1948 gewann er die Wahlen zum Sekretär des Studentenverbands Federación de Estudiantes Universitarios (FEU) gegen den Amtsinhaber, Alfredo Guevara[2] – der nach 1959 als Verantwortlicher für den kubanischen Filmsektor international bekannt wurde. Nach seinem 1953 mit Promotion abgeschlossenen Studium absolvierte er zunächst ein ärztliches Praktikum in Toledo, Ohio (USA) und arbeitete später als Kinderarzt in der kubanischen Provinz Las Villas.

Er nahm als führendes Mitglied einer Untergrundzelle der Rebellenorganisation Bewegung des 26. Juli in seiner Heimatregion aktiv am Kampf gegen die Herrschaft Fulgencio Batistas teil, der Kuba seit seinem Militärputsch von 1952 diktatorisch regierte. Nachdem die zu Jahresbeginn 1959 siegreichen, von Fidel Castro angeführten Kräfte der Kubanischen Revolution nicht wie erhofft ein freiheitlich-demokratisches, sondern ein am sowjetischen Kommunismus orientiertes politisches System zu errichten begannen, wandte sich Bosch wie zahlreiche andere frühere Mitstreiter im Kampf gegen Batista enttäuscht von Castro ab. Ein Schlüsselerlebnis war hierbei laut eigener Aussage eine Begegnung mit Ernesto "Che" Guevara, als dieser zwei als Spione im Dienste Batistas verdächtigte Gefangene erschießen ließ, nachdem er den von Bosch vorgebrachten Einwand abgelehnt hatte, die Männer seien zuerst einem Gerichtsverfahren zu unterziehen.[3]

1960 verließ er Kuba und wurde Bevollmächtigter der MIRR (Movimiento Insurreccional de Recuperación Revolucionaria – Aufstandsbewegung für einen revolutionären Wiederbeginn) in Miami/Florida in den USA, wo sich das Zentrum der exilkubanischen Castro-Gegner bildete. Er rief erfolgreich zu Desertionen aus der kubanischen Armee auf und half den überwiegend aus früheren Revolutionskämpfern bestehenden konterrevolutionären Gruppen, die im Escambray-Gebirge in Mittelkuba ab August 1960 gegen die revolutionäre Regierung kämpften. Von Miami aus organisierte Bosch finanzielle und logistische Unterstützung, außerdem Luftangriffe mit gemieteten Kleinflugzeugen und Sabotageakte.[4]

1968 gründete er die Organisation Poder Cubano (Kubanische Macht), welche allein 1968 über 70 Bombenattentate in Spanien, England, Mexiko, Polen und anderen Ländern, die mit Kuba Handelsbeziehungen unterhielten, durchführte. Orlando Bosch wurde in den USA verhaftet und am 15. November 1968 in Florida wegen des Beschusses eines polnischen Frachters mit einem Granatwerfer zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.[5]

1972 wurde er auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen und verließ die USA 1974 unter Verletzung seiner Bewährungsauflagen. Er gründete die Coordination of United Revolutionary Organizations (CORU), welche nach eigenen Angaben für eine Reihe von Bombenanschlägen in Miami, New York, Venezuela, Panama, Mexiko und Argentinien verantwortlich war. In Chile bekam er den Auftrag, Gegner der chilenischen Militärjunta zu töten. Berühmtestes Opfer ist der ehemalige Außenminister Chiles in der Regierung von Salvador Allende, Orlando Letelier.

Wegen des Bombenattentates auf eine Passagiermaschine der Luftfahrtgesellschaft Cubana vom 6. Oktober 1976, bei dem 73 meist jugendliche Passagiere starben, wurde Bosch in Venezuela zusammen mit Luis Posada Carriles zunächst vor einem Militär-, anschließend vor einem Zivilgericht angeklagt. Beide Prozesse endeten mit Freispruch, so dass er nach fast elf Jahren in Untersuchungshaft 1987 auf freien Fuß kam. Mit Hilfe von Otto Reich, zum damaligen Zeitpunkt US-Botschafter in Venezuela, gelang ihm am 18. Februar 1988 die Einreise in die USA. Dort saß er aufgrund der Verletzung der Bewährungsauflagen von 1974 zunächst für 3 Monate in Untersuchungshaft. Nach seiner Entlassung am 17. Mai 1988 wurde er von der Einwanderungsbehörde in Abschiebehaft genommen, da er nie eine permanente Aufenthaltsberechtigung oder die Staatsangehörigkeit der USA erworben hatte. Sein daraufhin gestellter Antrag auf politisches Asyl wurde abgelehnt. Nachdem die USA einen kubanischen Auslieferungsantrag abgelehnt hatten, erklärten rund 30 Staaten, Bosch aufgrund seiner terroristischen Vergangenheit nicht aufnehmen zu wollen, auf die sich auch die US-Behörden bei der Ablehnung des Asylantrags gestützt hatten. Der spätere Gouverneur von Florida, Jeb Bush, initiierte Verhandlungen zwischen der kubanischstämmigen Kongressabgeordneten Ileana Ros-Lehtinen und seinem Vater, dem damaligen US-Präsidenten, George H. W. Bush, über die Freilassung Boschs. Am 20. Juli 1990 erhielt Orlando Bosch eine offizielle Aufhebung seiner Ausreiseverfügung durch den Präsidenten. Seitdem lebte Bosch bis zu seinem krankheitsbedingten Tod unbehelligt in Miami. Während seiner venezolanischen Untersuchungshaft ehrte ihn der Stadtrat von Miami im Jahr 1983 mit einem offiziellen “Orlando Bosch Day”.

Er hinterließ seine zweite Ehefrau und sechs Kinder, die alle in Florida leben.

Einzelnachweise

  1. Passion for Free Cuba Drove Bosch to Extreme (Englisch) In: Miami Herald vom 29. Juni 1989, abgerufen am 29. April 2011
  2. Julio W. Carreras: La mala memoria (de Max Lesnik) (Spanisch) In: EmilioIchikawa.com vom 9. September 2010, abgerufen am 30. April 2011
  3. Cuban anti-Castro militant Orlando Bosch dies aged 84 (Englisch) BBC News vom 28. April 2011, abgerufen am 29. April 2011
  4. Orlando Bosch Avila and MIRR (Englisch) In: Cuban Information Archives o.D., abgerufen am 1. Mai 2011 (Auszug aus Akten einer Anhörung des US-Repräsentantenhauses von 1979)
  5. Bosch Is Guilty In Plot on Ship (Englisch) In: Miami Herald vom 16. November 1968, abgerufen am 29. April 2011

Weblinks


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