Orientierungsfeuer

Orientierungsfeuer
Leuchtturm Travemünde, der älteste Leuchtturm an der deutschen Ostseeküste
Moderner Leuchtturm in Alcocebre (Spanien)
Leuchtturm El Faro in Maspalomas, (Gran Canaria)
Leuchtturm in Lindesnes an der Südspitze Norwegens
Frei im Wasser stehender Leuchtturm Mellumplate in der Deutschen Bucht, vor Wilhelmshaven

Als Leuchtturm wird in der Nautik ein in der Regel etwa 15 bis 40 Meter hoher Turm bezeichnet, der an wichtigen oder gefährlichen Punkten der Schifffahrt als weithin sichtbares Seezeichen dient.

Durch ihre Lichtsignale (Leuchtfeuer) weisen Leuchttürme Schiffen den Weg und ermöglichen so die Navigation und das Umfahren gefährlicher Stellen im Gewässer.

Im übertragenen Sinn (Metapher) kann alles als Leuchtturm oder Leuchtfeuer bezeichnet werden, das weithin sichtbar ist, Wirkung erzielt oder Vorbildfunktion hat (Leuchtturmprojekt).

Inhaltsverzeichnis

Funktionen und Technik von Leuchttürmen

Es lassen sich mehrere grundsätzliche Funktionen unterscheiden:

  • Navigationshilfe zur genauen Positionsbestimmung auf See
  • Warnung vor Untiefen (Riffe, Sandbänke)
  • Fahrwasser-Markierungen durch Farbfilter und feste bzw. bewegliche Blenden, die in Richtung der Fahrrinne ein farbiges oder rhythmisch blinkendes Signal erzeugen. Die entsprechenden Sektoren und Blinkfrequenzen sind in den Seekarten angegeben. Bei engen Fahrrinnen werden auch Richtfeuer verwendet.

Als Leuchtfeueroptik werden seit etwa 1820 Fresnel-Linsen verwendet (nach Augustin Jean Fresnel), die eine kompakte Bauform, ein relativ geringes Gewicht und eine hohe Lichtausbeute haben.

Das Drehlinsensystem hat mehrere (bis zu 20) Sektoren und Brennweiten bis etwa 70 cm. Jeder Turm hat seine kennzeichnende Umdrehungszeit und Blinkart („Wiederkehr“ und Kennung). Sie werden für jedes Revier periodisch im Leuchtfeuerverzeichnis veröffentlicht.

Die Bauweise der Leuchttürme ist sehr vielfältig. Neben Metall, Holz und Ziegelbau gibt es auch Rohr- und mastartige Konstruktionen. Früher gab es auch Funkfeuer nach ähnlichem Prinzip: Funkstrahlen mit festgelegten Kennungen, die als Dreh- und Richtfunkfeuer einsetzbar waren. Heute ist diese Bezeichnung fast gänzlich auf die Funkstationen der Luftfahrt übergegangen.

Bis in das späte 20. Jahrhundert waren in der Nord- und Ostsee bis zu 45 Meter hohe Feuerschiffe positioniert, wo die Errichtung eines Leuchtturmes nicht möglich war.

Reichweite und „Feuer in der Kimm“

Die Reichweite (technisch Nenntragweite) der meisten Leuchtfeuer liegt – je nach Bauart und Umständen – zwischen 5 und 20 Seemeilen. Sie hängt vor allem von vier Faktoren ab:

  1. „Höhe des Feuers“ über dem Meeresspiegel, was mit der Erdkrümmung zusammenhängt
  2. Leuchtkraft der Lichtquelle und Qualität der Optik
  3. Wetter und Sichtbedingungen
  4. und Leuchtsektor bzw. seine Farbe.

Die theoretische Reichweite nach (1) nimmt mit der Wurzel der Turmhöhe zu, doch spielt auch die „Augenhöhe“ des Navigators (d. h. die Schiffshöhe) eine Rolle. Bei 50 m/10 m beträgt sie 21,5 Seemeilen oder 40 km, bei 15 m/2 m nur 11 Seemeilen (20 km). Daher ist es sinnvoll, den Leuchtturm auf einem küstennahen Hügel oder auf einer Düne zu errichten. So lassen sich beispielsweise in Norddeutschland mit 40-m-Türmen „Feuerhöhen“ bis 65 m erreichen. Der bekannte Turm auf Borkum erreicht derart Tragweiten bis 24 Seemeilen. Am „Signalberg“ vor Wismar ist das Leuchtfeuer sogar (75 + 20) m = 95 m hoch.

Manchmal ist es jedoch sinnvoller, einen Leuchtturm an einer tiefer gelegenen Stelle zu errichten, wenn er dadurch in klareren Luftschichten steht. So wurde der alte, 238 m hoch gelegene Leuchtturm am Cape Point 1911 durch einen niedriger gelegenen Leuchtturm ersetzt, da der alte Turm sich zu oft im Nebel befand und sein Licht somit nicht so weit sichtbar war wie ursprünglich angenommen.

Der 2. Faktor der Reichweite wird u. a. von Aufwand, Stromversorgung und den Kosten der Wartung bestimmt. Die Lichtstärke kann in die Millionen Candela gehen. Den Wettereinfluss berücksichtigt man durch eine Sichtweiten-Skala, ähnlich wie auf Flugplätzen und in der Astronomie.

Wenn ein starkes Leuchtfeuer gerade „in der Kimm“ (dem nautischen Horizont) auftaucht bzw. verschwindet, kann seine Entfernung einfach berechnet und so der Schiffsort bestimmt werden. Die Methode hat zwar heute an Bedeutung eingebüßt, wird aber noch von Skippern verwendet und hat auch für Gäste auf dem Schiff ihren Reiz. Außerdem gehört sie zu den Navigationsmethoden, die keine oder kaum Hilfsmittel benötigen. Die Formel lautet:

\text{Distanz in Seemeilen} = 2,075 \cdot \left(\sqrt{\text{Augenh}\ddot{\text{o}}\text{he in Metern}} + \sqrt{\text{Feuerh}\ddot{\text{o}}\text{he in Metern}} \right)

Konkurrenz neuer Navigationsmethoden und Touristik

Auch wenn mittlerweile zahlreiche funktechnische Navigationshilfen mit den Leuchtfeuern in Konkurrenz treten, können visuelle Schifffahrtszeichen insbesondere im küstennahen Bereich nicht ersetzt werden. Bei Ausfall funktechnischer Navigationshilfen (GPS/DGPS, siehe hierzu Volpe Report des U.S. Department of Transportation) stellen sie die unverzichtbare Rückfallebene dar. In bestimmten Fällen sind sie die genausten Navigationshilfen überhaupt (Richtfeuer/Sektorenleitfeuer).

Früher waren die Türme Arbeitsplatz und teilweise Wohnort der Leuchtfeuerwärter. Dieser Beruf wird in dieser Form praktisch nicht mehr ausgeübt, da der Betrieb der Leuchtfeuer schon lange automatisiert ist.

Trotz modernster Elektronik wie Satellitennavigation und Radar haben aber Leuchttürme nach wie vor ihren Platz in der Navigation, wenn auch zumeist nur noch als Sicherungssystem: bei Ausfällen der Elektronik, der Stromversorgung oder bei Unsicherheiten bei der Ortung. Teilweise befinden sich in der Nähe von Leuchtfeuern auch Funkfeuer.

Viele Leuchttürme haben inzwischen die meist vorhandene Aussichtsplattform für Touristen geöffnet. Sie ist im Regelfall über ein Treppenhaus im Innern des Turms zu erreichen. Vereinzelt dienen Türme auch als Unterkunft oder können für einige Zeit gemietet werden. Einer der ersten derartigen Gelegenheiten war in den 1980er Jahren die Insel Scalpay zwischen Schottland und den Hebriden. In Deutschland steht der Leuchtturm Roter Sand in der Wesermündung als Quartier zur Verfügung.

Kurze Geschichte des Leuchtturms

Wie die Geschichte der Leuchttürme begann, ist heute im Dunkel der Jahrhunderte entschwunden. Doch im östlichen Mittelmeer gab es schon Jahrhunderte vor Christi Geburt regen Seehandel – und wohl auch Leuchtfeuer, um auch bei widrigen Verhältnissen den Heimathafen zu finden.

„Les Éclaireurs“ nahe Ushuaia, Beagle-Kanal, ist einer der südlichsten Leuchttürme der Welt

Mindestens zwei antike Feuer sind überliefert, die um 300 v. Chr. entstanden: Der Koloss von Rhodos und Pharos von Alexandria. Freilich ist unsicher, ob der Koloss wirklich als Leuchtfeuer diente. Er soll nur wenige Jahrzehnte gestanden haben, bis er 224 v. Chr. einstürzte. Der ägyptische Turm ging hingegen erst 1303 bei einem Erdbeben verloren.

Die Seefahrt suchte schon zu Beginn nach einfachen Wegen, den Seefahrern „heimzuleuchten“. Fackeln und kleine Feuer wiesen den Fischern nachts ihren Weg. Mönche empfahlen deren Betrieb als gottgefällige Aufgabe.

In Westeuropa war wohl der „Herkulesturm“ (span. Torre de Hércules) im galizischen A Coruña, Spanien einer der ersten. Der noch heute genutzte Turm wurde im Jahr 110 von Caius Sevius Lupus fertiggestellt und war ursprünglich 36 m hoch und maß 18 m × 18 m am Fuß. Seit einer Renovierung und Erweiterung im Jahr 1791 beträgt seine Höhe 50 m. Die Maße am Fuß betragen 20 m × 19,5 m. Auch der Leuchtturm Hook Head in Irland wird zu den ersten gezählt. Er wurde angeblich 1172 über den Klippen des südirischen Ortes in der Grafschaft Wexford bei Waterford erbaut. Heute trägt der Turm sein Feuer in 35 m Höhe.

Im 13. Jahrhundert errichteten die Städte der Hanse (Lübeck und Wismar) Kerzen-Laternen in Travemünde bzw. vorgelagerten Inseln. Das bestehende Hafenzeichen in Travemünde wurde 1226 kaiserlich privilegiert. 1299 erhielt Hamburg die Nordseeinsel Neuwerk, um dort eine Feuerblüse zu errichten; dieser wurde 1310 fertiggestellt und steht auch heute noch. Um 1625 folgte ein ständiges Leuchtfeuer auf Wangerooge. Die Benutzung des Kirchturms bewährte sich aber nicht auf Dauer.

Deutlich verbessert wurden die Leuchtfeuer 1782 durch den Genfer Physiker François Pierre Ami Argand (1750-1803) mit der Hohldochtlampe, ein Vorläufer der späteren Petroleumlampe. Erst später setzten sich allmählich Gasglühlichter durch. Schließlich entwickelte Augustin Jean Fresnel (1788–1827) im Auftrag der französischen Regierung eine Lichtbündelung (Verdichtung der Lichtstrahlen) durch spezielle, nach ihm benannte Fresnellinsen, wodurch die Leuchtfeuer eine viel größere Tragweite erreichten. Eine Sonderform der Fresnellinse zur horizontalen Bündelung im gesamten 360° Umkreis wird auch als Gürtellinse bezeichnet.

Turmhöhen

Leuchtturm in Blankenese (1986), 42 m

Der derzeit (2006) höchste Leuchtturm in Norddeutschland steht in Campen (Ems-Mündung). Der dreibeinige Gitterturm misst 65 Meter. Zur Zeit entsteht an der Elbe das neue Oberfeuer in der Richtfeuerlinie Blankenese, der Turm wird eine Höhe von 70 Meter erreichen. Notwendig wurde der Bau durch die geplante Elbvertiefung, die eine Verbreiterung des Fahrwassers und eine Verschiebung der Richtfeuerlinie zur Folge hat.

Das höchste deutsche Leuchtfeuer sitzt auf dem 142 Meter hohen Hotel „Maritim“ in Lübeck-Travemünde.

Leuchtfeuer Bunthaus, 6,95 m

Das kleinste dürfte das ehemalige Leuchtfeuer Bunthaus (1914–1977) auf der Bunthäuser Spitze (Unterelbe bei Hamburg) mit 6,95 m Turmhöhe sein.

Literatur

  • Jean Guichard, Vincent Guigueno (Text): Leuchttürme. Edition Maritim, 2007. 272 Seiten. ISBN 3-8922-5575-X (auch frz., ital.)
  • Jürgen Voss: Lichter am Horizont - Leuchttürme zwischen Tag und Nacht. Edition Maritim 2003. 144 Seiten. ISBN 3-89225-482-6
  • Gerhard Wiedemann, Johannes Braun, Hans Joachim Haase: Das deutsche Seezeichenwesen. DSV-Verlag, 1998. 640 Seiten. ISBN 3-88412-275-4

Siehe auch

Weblinks


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