Operation Chastise

Operation Chastise
Animation des Bombenabwurfes
Die zerstörte Edertalsperre
Staumauer des Edersees heute. Dort, wo die Mauer zerstört wurde, befinden sich keine Abflusstore.

Die Operation Chastise (engl.: Züchtigung) war eine in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 durchgeführte Operation mit dem Ziel, die Staumauern mehrerer Talsperren im heutigen Nordrhein-Westfalen und Hessen zu zerstören. Das Unternehmen mit 19 umgebauten Lancaster-Bombern wurde von der 617. Staffel der Royal Air Force ausgeführt. Zum Einsatz kamen speziell entwickelte Rollbomben, welche die Mauern von Eder- und Möhnetalsperre zerstörten. Die Angriffe auf die Sorpe- und Ennepetalsperre waren ohne Erfolg. In den von den auslaufenden Stauseen von Eder und Möhne verursachten Flutwellen kamen zwischen 1300 und mehr als 2400 Menschen ums Leben (Quellenangaben unterschiedlich).

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung

Angriffsziele waren der Edersee in Nordhessen sowie Sorpe- und Möhnesee im Einzugsbereich der Ruhr. Ferner die Staumauern der Listertalsperre, Ennepetalsperre sowie des Diemelsees.

Das strategische Ziel der britischen Angriffsoperation bestand in einer Schädigung der Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet, das für die Briten das Herz der deutschen Waffenschmiede war. Die Zerstörung der Talsperren wurde daher als kriegsentscheidend angesehen. Auch sollte möglichst dauerhaft die Wasserversorgung nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Bevölkerung unterbrochen werden. Den Briten war bekannt, dass die Stauseen den Wasserstand von Wasserstraßen (Mittellandkanal, Weser) im weiteren Umfeld regulierten, auf denen Wirtschafts- und Kriegsmaterial transportiert wurde. Zerstörungen und Opfer unter der Zivilbevölkerung in den Gebieten unterhalb der jeweiligen Staumauern bildeten beim Angriff eher einen Nebeneffekt. Die von den Briten erhoffte demoralisierende Wirkung auf die Bevölkerung trat ebenso wenig ein wie bei den ständigen Bombardierungen im Luftkrieg.

Britische Militärs hatten bereits 1937 die Vernichtung der deutschen Talsperren diskutiert und festgestellt, dass eine Zerstörung mit konventionellen Mitteln nicht möglich war. Seit Kriegsausbruch gab es verschiedene Vorstellungen zur Durchführung, beispielsweise mit Torpedos, ferngesteuerten Bombern oder durch Fallschirmjäger.

Entwicklung des Angriffsplans

Barnes Wallis, ein Ingenieur der britischen Vickers-Flugzeugwerke, entwarf eine spezielle Bombe für die Zerstörung von Talsperren. Wallis war bekannt geworden durch die Entwicklung der Vickers Wellesley- und der Vickers Wellington-Bomber.

Konventioneller Bombenabwurf

Die ursprüngliche Idee Wallis' bestand darin, eine zehn Tonnen schwere Bombe aus einer Höhe von 12.200 Metern auf eine Talsperre abzuwerfen. Dieser Plan war nicht durchführbar: Versuche und Berechnungen hatten gezeigt, dass eine ausreichend schwere Bombe für diesen Zweck einen immens leistungsfähigen Bomber benötigen würde. Eine viel kleinere Sprengladung würde jedoch genügen, wenn die Bombe direkt an der Böschung des Damms bzw. der Wand einer Mauer unterhalb der Wasseroberfläche zur Explosion käme. Doch diese Möglichkeit wurde bereits durch die Torpedonetze vereitelt, die (ähnlich wie bei einem Kriegsschiff) an den Talsperren installiert waren, um einen Torpedo in einer gewissen schützenden Distanz zur Explosion zu bringen oder ihn dort aufzufangen.

Rollbombe

Rotationsbombe vor dem Sperrmauermuseum in Hemfurth-Edersee am Edersee

Wallis konstruierte daraufhin die sogenannte Rollbombe. Dabei handelt es sich um eine walzenförmige Bombe, die von einem Bomber kurz vor dem Abwurf in eine Rückwärtsdrehung versetzt wird. Die Bombe springt wie ein flacher Kieselstein beim Steinehüpfen über die Wasseroberfläche und überspringt Torpedonetze. An der Staumauer angelangt, kommt sie zum Stillstand und versinkt. Durch einen Druckmesser wird die Bombe in einer geeigneten Tiefe zur Explosion gebracht, wo sie ein Loch in die Talsperre reißt. Die Wasserkräfte des Stausees bewirken dann die schnelle Vergrößerung des Loches.

Einsatzbeschluss und -umsetzung

Nach Tests und vielen Diskussionen wurde dieser Plan am 26. Februar 1943 von den Befehlshabern verabschiedet. Die Bombe bekam den Codenamen Upkeep. Als spätester Einsatzzeitpunkt wurde der 20. Mai festgelegt. Dann hatten die Stauseen ihren höchsten Wasserstand und es herrschte Vollmond. In den nur rund 3 Monaten Vorbereitungszeit bis zum Angriff musste die Bombe produziert, Bombenflugzeuge umgerüstet und Piloten ausgebildet werden.

Mit der Operation wurde die 5. Gruppe der Royal Air Force beauftragt, welche im März 1943 eine neue Staffel für diese Mission aufstellte. Ursprünglich Staffel X genannt, wurde sie durch Wing Commander Guy Gibson befehligt, welcher eine Einsatzerfahrung von mehr als 170 Missionen besaß. 21 weitere Flugzeugbesatzungen wurden von der 5. Gruppe hinzugezogen, um die in Scrampton (5 Meilen nördlich von Lincoln, Lincolnshire) beheimatete neue Staffel zu vervollständigen.

Die Angriffsflugzeuge waren umgebaute Avro Lancaster Mk III, mit der anderen Bezeichnung Typ 464 (Provisorisch). Um Gewicht einzusparen, wurde der Großteil der Bewaffnung entfernt; ebenso der mittlere MG-Turm. Die Bombe und ihre ungewöhnliche Form bedingte es, dass die Tore des Bombenschachts weggelassen wurden und die Bombe zum Teil aus dem Flugzeugrumpf herausragte. Sie wurde mittels zweier Hakenhalter (crutches) montiert; vor dem Abwurf versetzte sie ein Hilfsmotor in eine schnelle Rückwärtsdrehung.

Abwurfbedingungen

Angriffsprinzip der Rollbombe

Bomben aus 18 Metern Höhe bei 390 km/h Geschwindigkeit bei einer präzise einzuhaltenden Distanz vom Ziel abzuwerfen, verlangte sehr viel Geschick seitens der Mannschaften. Benötigt wurden dazu Experten als Piloten mit intensiver Nacht- und Tiefflugerfahrung, die sich an die Lösung zweier schwieriger technischer Probleme machten. Das erste bestand darin, die Bomben bei der richtigen Distanz abzuwerfen. Die Staumauern des Möhne- und Edersees hatten je einen Turm an den Seiten. Aufgrund von vorhergehenden Luftaufnahmen wurde berechnet, aus welchem Winkel die beiden Türme während des Abwurfzeitpunkts erscheinen sollten. Als Hilfe für die Piloten wurde ein einfaches Gerät gebaut, welches prinzipiell aus einem ähnlichen Dreieck bestand. Das zweite technische Problem war die Abwurfhöhe. Die herkömmlichen barometrischen Höhenmesser in Flugzeugen waren für diesen Zweck viel zu unpräzise. Also wurden zwei Scheinwerfer an der Unterseite des Flugzeuges befestigt – je einer am Bug und am Heck. Sie wurden so montiert, dass die Strahlen des Lichts genau 18 Meter unterhalb des Flugzeuges eine "8" bilden sollten, wenn die optimale Abwürfhöhe erreicht war. Diese zwei Techniken wurden über dem Eyebrook-Reservoir in Leicestershire und dem Derwent-Reservoir in Derbyshire intensiv eingeübt.

Die Rollbomben wurden am 13. Mai an das Geschwader ausgeliefert; die endgültigen Tests wurden zuvor am 29. April durchgeführt. Als die Wetterlage für gut befunden wurde, wurden die Piloten, Navigatoren und Bombenschützen am 15. Mai über die Angriffsziele informiert.

Der Angriff

Organisation

Die 19 am Angriff beteiligten Lancaster-Bomber wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die Formation 1 sollte die Möhne- und danach die Eder-Mauer zerstören. Formation 2 sollte den Sorpe-Damm übernehmen. Die dritte Gruppe bildete die Reserve, die zwei Stunden später abheben und etwaige noch nicht zerstörte Ziele angreifen sollte. Bei einem Erfolg der Formationen 1 und 2 waren Formation 3 die Dämme bei Schwelm sowie die Mauern von Ennepe- und Diemelsee als Ziel zugewiesen.

Die Kommandozentrale für die Mission befand sich beim Hauptquartier der 5. Gruppe in Grantham. Die Morsecodes für die Missionen waren Goner für eine abgeworfene Bombe, Nigger für den zerstörten Möhne-Damm und Dinghy für einen Erfolg an der Eder-Mauer. Guy Gibson wählte „Nigger“, weil dies der Name seines schwarzen Hundes war, welcher am Morgen des 17. Mai von einem Fahrzeug überrollt und getötet worden war.

Hinflug

Der Hinflug erfolgte in Baumwipfelhöhe (zwischen 25 und 40 Meter), um die Erkennung durch deutsche Radarstationen zu vermeiden. Die Flugzeuge benutzten zwei sorgfältig ausgearbeitete Routen, um Fliegerabwehrstellungen auszuweichen.

Formation 1 flog zwischen Walcheren und Schouwen an Land, überquerte die Niederlande, umging die Flugplätze bei Eindhoven und Gilze-Rijen sowie die Luftverteidigung des Ruhrgebiets, umflog Hamm im Norden und drehte dann nach Süden auf die Möhnetalsperre zu. Formation 2 flog zunächst weiter nördlicher über Vlieland und die Zuiderzee an, nahm dann etwa ab Wesel die gleiche Route wie die erste Gruppe und drehte hinter der Möhne südlich zur Sorpe hin ab.

Formation 1 bestand aus neun Maschinen in drei Gruppen—Guy Gibson, Hopgood und Martin, Young, Astell und Maltby sowie Maudslay, Knight und Shannon. Formation 2 bestand aus den fünf Flugzeugen von McCarthy, Byers, Barlow, Rice und Munro. Townsend, Brown, Ottley und Burpee bildeten Formation 3. Zwei Besatzungen waren wegen Krankheit ausgefallen.

Die Maschinen der Formation 2 starteten wegen der längeren Flugstrecke auf der nördlichen Route um 21:10 Uhr als erste. Wegen eines Hydraulik-Defekts hoben McCarthy und seine Crew mit 20 Minuten Verspätung in einer Ersatzmaschine ab. Formation 1 ging um 21:25 Uhr in die Luft.

Bereits kurz hinter der holländischen Küste kam es zu ersten Verlusten. Formation 2 traf es hart: Munro verlor durch Flaktreffer sein Funkgerät und drehte über der Zuiderzee ab. Rices Bombe fiel ins Meer, weil er zu tief geflogen war, doch er konnte die Maschine abfangen und wieder zur Basis zurückkehren. Die Bomber von Barlow und Byers überflogen die Küste bei Harderwijk und wurden wenig später abgeschossen. Nur der verspätete McCarthy überquerte die Niederlande unversehrt. Formation 1 verlor nur Astell in der Nähe von Roosendaal.

Angriff auf die Möhnetalsperre

Möhnetalsperre nach dem Angriff
Die zerstörte Möhnetalsperre

Die Formation 1 erreichte die Möhnetalsperre, und Gibsons Flugzeug (Rufzeichen „G“ für George) ging als erstes in den Angriff über; Hopgood (Rufzeichen „M“ für „Mother“) als Zweiter. Hopgoods Flugzeug wurde dabei im Tiefflug durch gegnerisches Flakfeuer getroffen und schließlich durch die Druckwelle der eigenen explodierenden Bombe zerstört. Martin (Rufzeichen „P“ für „Peter“) wurde – als dritter Angreifer – ebenfalls getroffen; trotzdem war sein Angriff erfolgreich. Nachdem Young (Rufzeichen „A“ für „Apple“) und nach ihm Maltby (Rufzeichen „J“ für „Johnny“) ebenfalls einen erfolgreichen Angriff auf die Talsperre fliegen konnten, war die Mauer gebrochen. Schließlich führte Gibson Young, Shannon, Maudslay und Knight zur Eder.

Angriff auf die Eder-Talsperre

Das Eder-Tal war in dichten Nebel gehüllt, aber nicht verteidigt. Die umliegenden Hügel erschwerten den Anflug an die Edertalsperre, so dass das erste Flugzeug, die Maschine von Shannon, nach sechs vergeblichen Anläufen zunächst abbrach. Maudslay (Z wie Zebra) unternahm den nächsten Versuch, doch seine Bombe detonierte auf der Krone und beschädigte das Flugzeug. Shannon erzielte beim nächsten Anflug einen erfolgreichen Abwurf. Die letzte Bombe der Formation, abgeworfen aus der Maschine von Knight, zerstörte schließlich die Talsperre.

Angriffe auf die Sorpe- und Ennepe-Talsperren

McCarthy (T wie Tom) erreichte die Sorpetalsperre allein. Der breite Erddamm bildete ein deutlich schwerer zu zerstörendes Ziel als die beiden erfolgreich attackierten Stein- und Beton-Bauwerke an Möhne und Eder. Aus diesem Grund war an der Sorpe trotz des ungünstigen, hügeligen Geländes zu beiden Seiten der Talsperre ein Anflug längs des Damms und Abwurf der Bombe ohne Rotation geplant.

Dieses Manöver erwies sich in der Praxis als noch komplizierter, da man den alten Langscheider Kirchturm auf dem Hügel nicht in Betracht gezogen hatte. Nach dem anschließenden Sturzflug ins Tal blieben dem Piloten nur wenige Sekunden, bevor er die Maschine vor den Hügeln am Ostufer wieder hochziehen musste, sodass dem Bombenschützen George Johnston keine Zeit für Kurskorrekturen blieb.

McCarthy unternahm bei stärker werdendem Nebel zunächst neun erfolglose Anflüge auf den zu diesem Zeitpunkt noch unverteidigten Damm, bis sich Johnston beim zehnten Versuch dazu entschloss, die Waffe auszulösen. Der direkte Treffer beschädigte jedoch nur die Dammkrone, die Talsperre blieb intakt.

Danach wurden drei Reservemaschinen zur Sorpe beordert. Burpee (S wie Sugar) kam dort niemals an. Brown (F wie Freddy) erreichte das Ziel und kam trotz dichter werdenden Nebels zum Abwurf, jedoch gleichfalls ohne den Damm zu zerstören. Als Anderson (Y wie Yorker) als letzter ankam, war der Nebel bereits zu dicht für einen Anflug. Die verbliebenen zwei Maschinen wurden also zu Ausweichzielen beordert. Ottley (C wie Charlie) wurde dabei abgeschossen, während Townsend (O wie Orange) seine Bombe auf die Mauer der Ennepetalsperre abwarf.

Rückflüge

Auf dem Flug nach Großbritannien zurück – wiederum auf Baumwipfelhöhe – wurde ein weiteres Flugzeug abgeschossen. Die Maschine von Young wurde von der Fliegerabwehr getroffen und stürzte nahe der niederländischen Küste ins Meer.

Liste der beteiligten Flugzeuge

Flugzeug Rufzeichen Kommandant Ziel Bemerkungen
Erste Angriffswelle
G George W/C Gibson Möhnetalsperre Angriffsführer. Bombe explodierte kurz vor der Mauer. Zog das gegnerische Flakfeuer auf sich.
M Mother F/L Hopgood " Auf dem Hinflug durch Flak getroffen. Bombe sprang über die Mauerkrone. Während des Angriffs über dem Ziel abgeschossen.
P Peter (Popsie) F/L Martin " Bombe verfehlte das Ziel
A Apple S/L Young " Bombe traf das Ziel und verursachte kleinen Mauerbruch. Während des Rückflugs über der niederländischen Küste abgeschossen.
J Johnny F/L Maltby " Bombe traf das Ziel und verursachte großen Dammbruch.
L Leather F/L Shannon Edertalsperre Bombe traf das Ziel – ohne Wirkung.
Z Zebra S/L Maudsley " Bombe verfehlte das Ziel und beschädigte das Flugzeug. Während des Rückflugs über Deutschland abgeschossen.
N Nut P/O Knight " Bombe traf das Ziel und verursachte großen Mauerbruch.
B Baker F/L Astell N/A Stürzte auf Hinflug nach Kollision mit Hochspannungsleitung ab.
Zweite Angriffswelle
T Tommy F/L McCarthy Sorpetalsperre Bombe traf das Ziel – ohne Wirkung.
E Easy F/L Barlow N/A Stürzte auf Hinflug nach Kollision mit Hochspannungsleitung ab.
K King P/O Byers " Auf dem Rückflug über der niederländischen Küste abgeschossen.
H Harry P/O Rice " Bombe über dem Meer verloren. Kehrte zurück, ohne das Ziel anzugreifen.
W Willie F/L Munro " Durch Flak über der niederländischen Küste beschädigt. Kehrte zurück, ohne das Ziel anzugreifen.
Dritte Angriffswelle
Y York F/S Anderson Listertalsperre Konnte wegen Nebels das Ziel nicht finden.
F Freddy F/S Brown Sorpetalsperre Bombe traf das Ziel – ohne Effekt.
O Orange F/S Townsend Ennepetalsperre Mine traf das Ziel – ohne Effekt.
S Sugar P/O Burpee N/A Auf dem Hinflug über den Niederlanden abgeschossen.
C Charlie P/O Ottley " Auf dem Hinflug über Deutschland abgeschossen.

Nach dem Angriff

Insgesamt wurden 53 der 133 Soldaten getötet; drei sprangen mit Fallschirmen ab und gerieten in Gefangenschaft. Von den Überlebenden wurden 33 am 22. Juni im Buckingham Palace vom König ausgezeichnet: Gibson erhielt das Victoria-Kreuz, fünf Männer erhielten den Distinguished Service Order, zehn das Distinguished Flying Cross mit vier Balken, zwölf wurden mit der Distinguished Flying Medal und zwei mit der Conspicuous Gallantry Medal geehrt.

Nach einer Werbetournee in den USA kehrte Gibson in den Dienst zurück und kam bei einem Erkundungsflug am 19. September 1944 ums Leben.

Nach dem Angriff auf die Talsperren wurde die 617. Staffel als Spezialisten-Einheit beibehalten. Das Abzeichen der Gruppe wurde durch Operation Chastise geprägt – es besteht aus drei Blitzen, einem gebrochenen Damm und dem Motto „Après moi le déluge“ („Nach mir die Sintflut“). Das Geschwader hatte danach den Auftrag, die ebenfalls von Barnes Wallis entwickelten, massiven Tallboy- und Grand Slam-Bomben mit Hilfe eines neu erfundenen, viel präziseren Bombenvisiers einzusetzen. Am 15. Oktober 1944 erfolgte ein weiterer, ebenfalls vergeblicher Luftangriff der britischen Luftwaffe auf die Sorpetalsperre, diesmal mit Bomben des Typs Tallboy.

Die 617. Staffel existiert noch heute; die Mitglieder dieser Einheit werden immer noch als „Dam Busters“ bezeichnet.

Einfluss auf den Kriegsverlauf

Taktische Sicht

Mahnmal für die Opfer der Flutkatastrophe am Möhnestausee in Neheim

Aus den Stauseen der Möhne und der Eder flossen rund 330 Millionen Tonnen Wasser. Bergwerke wurden überflutet und zahlreiche Häuser, Fabriken, Straßen, Eisenbahnlinien und Brücken zerstört oder beschädigt. Schätzungen zeigen, dass die Trinkwasserproduktion vor dem 15. Mai 1943 eine Million Tonnen pro Tag betrug; diese Menge sank nach dem Angriff auf ein Viertel. Über die Zahl der Opfer gibt es unterschiedliche Angaben: Während manche Quellen von vergleichsweise geringen 47 oder 68 Opfern der Edersee-Flutwelle ausgehen, erwähnen andere den Tod von 749 ukrainischen Zwangsarbeitern in einem Arbeitslager direkt unterhalb der Staumauer. Die Zahl der Toten unterhalb der Möhnetalsperre liegt zwischen 1284 und über 1600 Menschen. Die bis zu 12 Meter hohe Flutwelle forderte die meisten Toten (etwa 1200) in einem Kriegsgefangenenlager am Kloster Himmelpforten vier Kilometer talabwärts. Noch 100 km ruhrabwärts, in Essen-Steele, kamen Menschen durch die Flutwelle ums Leben.

Nach der erfolgten Mission schrieb Barnes Wallis: „Ich spürte, dass Deutschland einen Schlag erlitt, von welchem sich das Land mehrere Jahre nicht erholen kann.“ Genauer betrachtet hatte die Operation Chastise jedoch nicht die erwünschte oder vermutete Wirkung. Am 27. Juni lief die Trinkwasserförderung wieder auf der vorherigen Leistung – dank eines Notfallplans, der nur ein Jahr vorher eingeführt worden war. Zur gleichen Zeit war auch das Elektrizitätsnetz wieder repariert. Der Angriff forderte zwar viele Tote – mehr als die Hälfte von ihnen alliierte Kriegsgefangene –, aber tatsächlich waren die Schäden nichts anderes als ein kleines „Problem“ für die Industrie des Ruhrgebietes.

Veröffentlichte Fotografien der zerstörten Talsperren stellten allerdings einen großen Propagandaerfolg der Briten dar.

Strategische Sicht

Die Mission wurde mit dem Ziel unternommen, die deutsche Verteidigung ins Kernland zurückzuzwingen und Kriegserfolge abseits der Schauplätze von Bodenoffensiven zu erzielen – eine Strategie, welche in der Bombardierung Berlins im Winter von 1943 bis 1944 gipfelte. Im Mai 1943 bedeutete dies, dass die deutsche Luftwaffe und die Fliegerabwehr von Osteuropa ferngehalten werden sollte, und im Frühjahr 1944 sollte so die Invasion in der Normandie, die Operation Overlord, strategisch vorbereitet werden.

Diplomatische Sicht

Ein wichtiger Grund dafür, diesen kühnen Angriff überhaupt zu planen, war, Stalin davon zu überzeugen, dass Großbritannien ein schlagkräftiger Verbündeter ist – mit der Konsequenz, dass die Sowjetunion nicht aufgeben dürfe bei der Verteidigung im Angesicht der deutschen Invasion Russlands. Zum Zeitpunkt der Ausführung hatte dieser Aspekt allerdings kaum noch eine Bedeutung, denn inzwischen war mit dem Untergang der deutschen 6. Armee in Stalingrad die Wende im Kriegsverlauf bereits eingetreten.

Der Angriff auf die Talsperren befähigte Winston Churchill aber, in den Verhandlungen mit den neuen Alliierten (USA und UdSSR) jene dazu zu bringen, sich auf einen Angriff auf das bis dahin unbesiegte Deutschland zu einigen. Dies war besonders wichtig, weil viele Offiziere der US-Armee die Erfahrungen und die Fähigkeiten der Briten sehr gering schätzten.

Bilder der zerstörten Talsperren und Überschwemmungen

Verfilmung und Popularkultur

Ein Film aus dem Jahre 1955 – Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren (The Dam Busters) – stellt die Angriffe auf die Talsperren nach und wurde sehr bekannt.

1994 parodierte die englische Bier-Marke Carling in einem Werbespot die Geschehnisse: Um den deutschen Urlaubern bei der morgendlichen Liegestuhl-Reservierung zuvor zu kommen, wirft der englische Urlaubsgast sein Handtuch mit der Bierdose beschwert aus. Unter der Filmmusik von Dam Busters gleitet die Handtuch-Bierdosen-Kombination wie eine Rollbombe über den Swimmingpool. In einem früheren Spot (Ende der 80er Jahre, ebenfalls von Carling) wehrt ein deutscher Soldat die Bomben, die wie Fußbälle aussehen, im Stil eines Torwarts ab.

Im Jahre 1984 dienten die geschilderten Ereignisse als Anregung für das Videospiel Dambusters.

Siehe auch

Literatur

  • Helmuth Euler: Als Deutschlands Dämme brachen. Die Wahrheit über die Bombardierung der Möhne-Eder-Sorpe-Staudämme 1943. Motorbuch, Stuttgart 1975, ISBN 3-87943-367-4.
  • Helmuth Euler: Wasserkrieg - 17. Mai 1943: Rollbomben gegen die Möhne-, Eder- und Sorpestaudämme Motorbuch, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-02789-3.
  • John Sweetman: The Dambusters Raid. Cassell, 1999, ISBN 0-304-35173-3.
  • Paul Brickhill: The Dam Busters. 1952.
  • Guy Gibson: Enemy Coast Ahead. 1955.
  • Winston Churchill: The Second World War. 1951, Band IV, Kapitel XXV.

Weblinks

 Commons: Operation Chastise – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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