Onus probandi

Onus probandi

Die Beweislast regelt prozessuale Beweisrisiken und -obliegenheiten. Die objektive oder materielle Beweislast (Feststellungslast) legt fest, welche Partei das Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung trägt. Die subjektive oder formelle Beweislast (besser Beweisführungslast) bestimmt, welcher Partei es in einem bestimmten Stadium des Prozesses obliegt, Beweis für ihre Behauptung anzubieten.

Objektive Beweislast und Beweisführungslast decken sich im Zivilprozess oft, d.h. sie treffen dieselbe Partei. Die Beweisführungslast kann indessen auf die Beweisgegnerin wechseln, wenn die beweisbelastete Partei Beweismittel einbringt, die die Überzeugung des Gerichts zu begründen vermögen. Diesfalls liegt es an der Beweisgegnerin, diese Überzeugung wieder zu beseitigen. Die Beweislast steuert gleichzeitig die Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung: Die beweisbelastete Partei muss zunächst den Hauptbeweis führen. Er ist erbracht, wenn das Gericht den vom Gesetz geforderten Grad an Überzeugung von der Richtigkeit der Beweisbehauptung gewonnen hat (in der Regel volle Überzeugung, teils aber auch bloße Glaubhaftmachung). Erst dann muss die Beweisgegnerin den Gegenbeweis führen – die Beweisführungslast hat damit gewechselt. Der Gegenbeweis ist erbracht, wenn die Beweisgegnerin den geforderten Grad an Überzeugung des Gerichts verhindert; dazu genügt es beim Regelbeweismaß der vollen Überzeugung, wenn Zweifel an der Richtigkeit der Beweisbehauptung gesät werden. Der Hauptbeweis ist dann erschüttert. Misslingt schon der Hauptbeweis, unterlässt das Gericht eine Beweisaufnahme über den Gegenbeweis, weil die Beweisführungslast nie auf die Beweisgegnerin gewechselt hat.

Die Beweislastverteilung entspringt häufig dem materiellen Zivilrecht, denn dieses enthält Anspruchsgrundlagen, Hilfsnormen, Einreden und Einwendungen. Die Tatsachen, die den Tatbestand einer für eine Partei günstigen Norm ausfüllen, muss regelmäßig die begünstigte Partei im Zivilprozess selbst vortragen (Beibringungsgrundsatz) und – wenn der Gegner sie bestreitet – beweisen.

Bei Gerichtsverfahren, für die der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, wie etwa im Verwaltungsprozess, gewinnt die materielle Beweislast besondere Bedeutung, da sie auch hier streitentscheidend ist, während aufgrund der Amtsermittlung der formellen Beweislast keine Bedeutung zukommt. Die Parteien sind dennoch aufgefordert, im eigenen Interesse die zu ihren Gunsten wirkende Tatsachenermittlung nach Kräften zu unterstützen.

Juristen bezeichnen verbleibende Zweifel innerhalb einer Beweiswürdigung oder die dortige Unentscheidbarkeit zwischen mehreren Möglichkeiten auch als non liquet.

Von einer Beweislastumkehr spricht man, wenn nicht der Anspruchsinhaber die Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen muss, sondern der Gegner deren Fehlen. Eine Beweislastumkehr beruht zumeist auf einer gesetzlichen Vermutung.
Beispiel: Klagt ein Kläger auf Kaufpreis, so muss er die Einigung über die Höhe des von ihm verlangten Kaufpreises beweisen, wenn der Beklagte eine dahingehende Einigung bestreitet. Legt der Kläger allerdings einen schriftlichen Kaufvertrag mit entsprechendem Inhalt vor, so muss nunmehr der Beklagte, sofern er die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit nicht widerlegen kann, beweisen, dass der dort niedergelegte Kaufpreis falsch angegeben ist.

Tatsächliche Vermutung und Anscheinsbeweis führen nicht zu einer Umkehr der (objektiven) Beweislast, sondern zu einer Umkehr der Beweisführungslast.

Onus probandi

Onus probandi ist die historische lateinische Bezeichnung für Beweislast. Für das Strafrecht galt seit der Antike die Maxime des römischen Rechts: necessitas probandi incumbit ei qui agit (lat.: die Beweispflicht liegt beim Ankläger).

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