Omar-Moschee

Omar-Moschee

Der Felsendom (im Sinne von Felsenkuppelقبة الصخرة‎ qubbat as-sachra, DMG qubbatu ʾṣ-ṣaḫra) ist das wohl bekannteste Wahrzeichen Jerusalems, sowie eines der Hauptheiligtümer des Islam und stellt als ältester islamischer Sakralbau ein Meisterwerk der islamischen Baukunst des frühen Umayyadenstils dar, in dem die Übernahme des frühchristlich-byzantinischen Zentralbautyps zum Ausdruck kommt.[1] Er befindet sich auf dem Tempelberg, al-haram asch-scharif / ‏ الحرم الشريف‎ / al-Ḥaram aš-šarīf /„das edle Heiligtum“ im südöstlichen Teil der Altstadt von Jerusalem.

Blick vom Ölberg
Der Felsendom 1981
Ansicht des Felsendoms, davor: der Kettendom

Der Kuppelbau wurde über dem Felsen (Sachra) errichtet, auf welchem Abraham der Legende nach seinen Sohn Isaak zu opfern bereit war und wo die Himmelfahrt Mohammeds stattgefunden haben soll. Er ist ursprünglich – und auch heute – nicht als Moschee, sondern als ein Schrein beziehungsweise eine Kuppel (‏قبّة ‎ qubba, „Kuppel“) verstanden worden.

Den Grundriss bildet ein Achteck, das in einen Kreis mit knapp 55 Meter Durchmesser eingepasst ist. Der Durchmesser des Innenkreises beträgt 20,37 Meter. Die Kuppel wies früher ein schwarzes Bleidach auf; erst 1963 wurde sie mit vergoldeten Aluminiumplatten versehen, die 1993 restauriert wurden. Ganz in der Nähe des Felsendoms – ebenfalls auf dem Tempelberg – befindet sich die al-Aqsa-Moschee, die ebenfalls unter den Umayyaden errichtet wurde. Die irrtümlich verwendete Bezeichnung „Umar-Moschee“ geht auf Überlieferungen zurück, deren Authentizität fraglich ist. Danach soll der zweite Kalif Umar ibn al-Chattab nach der muslimischen Eroberung Jerusalems am Palmsonntag, dem 2. April 635 auf dem Tempelberg (oder am Mihrab Davids, heute als der Turm Davids am Jaffa-Tor bekannt) gebetet haben. [2]

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Die Erbauung des Felsendoms wird in der neueren Forschung dem Kalifen Abd al-Malik ibn Marwan (regierte 685–705) zugeschrieben sowie dessen Sohn und Nachfolger al-Walid I. ibn Abd al-Malik (regierte 705–715), der auch den Bau der al-Aqsa-Moschee weitergeführt haben soll. Die Bauinschrift in archaischem kufischen Duktus, die über dem Kranzgesims an der Kuppel erhalten ist, dokumentiert nicht nur den Namen des Erbauers, sondern auch die ursprüngliche Bezeichnung der Anlage, die man lediglich als Kuppel (Qubba) verstanden hat:

„Erbaut hat diese Kuppel der Diener Gottes (Abd al-Malik), der Befehlshaber der Gläubigen, im Jahre zweiundsiebzig, möge ihn Gott zu Gnaden annehmen.“

(Siehe unten: sakrale Inschriften).

Der Felsendom mit altem Olivenbaum
Längsschnitt des Felsendoms
Umayyadische Sockelverkleidung (Marmor):Khirbat al-Minya/Israel

Einige Forscher sind der Ansicht, dass Abd al-Malik das Gebäude errichtet hat, um den Sieg der Araber über Byzanz und Persien zu feiern und den Triumph des Islam über Judentum und Christentum zu demonstrieren. Anderen Ansichten zufolge war es bereits der Dynastiegründer Mu'awiya (regierte 661–680), der als erster den Bau einer Moschee an dieser Stelle in Angriff nahm. Den Beginn der Bauarbeiten verbinden andere mit dem Namen von Kaiser Herakleios (regierte 610–641); der Bau sei mit der Rückführung der von den Persern im Jahre 614 geraubten Kreuzesreliquie in Verbindung zu bringen.[3] Der gallische Bischof Arculf, der um 670 – also noch während des Kalifats von Mu’awiya – Palästina bereist hatte, berichtet über eine Moschee auf dem Tempelberg und beschreibt sie als einen über Trümmerresten mit dicken Balken und Brettern errichteten Bau. Ob es sich in dieser Beschreibung, die erst Adomnan, der Verfasser des Liber de locis sanctis, schriftlich niedergelegt hatte, in der Tat um einen Vorläufer des Felsendoms handelt, ist unklar.[4]

Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand, den sowohl die islamischen Historiographen als auch die Lokalhistoriker Jerusalems bestätigen, war Abd al-Malik der Erbauer der Kuppel über dem Felsen, wobei er sich der byzantinischen Architektur und Baukunst, ferner Baumeister griechischen Ursprungs bediente.[5] Die architektonische Gesamtkonzeption ist in Ravenna und in der Grabeskirche von Jerusalem dokumentiert. Der Kuppelbau und der daneben stehende Kettendom (s. unten) waren ursprünglich z. T. offene Anlagen. Nur der Kuppelbau ist unter Al-Ma'mun durch eine achteckige Mauer erweitert worden, wobei der Abbasidenkalif auf der Innenseite der Arkaden neue Mosaikfliesen – nunmehr mit seinem Namen – anbringen ließ, ohne dabei das ursprüngliche Baudatum anzutasten. Von „einer betrügerischen Fälschung“ kann somit keine Rede sein, „auch nicht von einer damnatio memoriae eines verhaßten Vorgängers...vielmehr von einer geistigen Aneignung des Monumentes“.[6]

In seiner ursprünglichen Form sah der Felsendom so aus, wie der unmittelbar im SO daneben stehende Kettendom: ein offener Bau mit Kuppel. Im Jahre 846 wurde der Bau durch ein starkes Erdbeben beschädigt. Im Jahre 1016 stürzte die Kuppel während eines weiteren Erdbebens auf den Felsen herab; 1021 ließ sie der sechste Fatimiden-Herrscher al-Hakim (996–1021) neu errichten. Weitere Erneuerungsarbeiten sind im Innern auf den Fliesen mit dem Datum 418 (≙ 1027 AD) dokumentiert.

Bei der Belagerung Jerusalems (1099) nahmen die Kreuzfahrer den Felsendom in Besitz: er wurde der Templum Domini – die Kirche der Kreuzritter. Auf dem Felsen wurde ein Marmoraltar, auf der Spitze der Kuppel ein goldenes Kreuz aufgestellt.[7] Im Jahre 1187, nach der Schlacht bei Hattin zog Saladin in Jerusalem ein und ließ nach seinem Sieg über die Kreuzfahrer das von ihnen errichtete goldene Kreuz auf der Kuppel und die Marmorverkleidung des Felsens samt Altar entfernen. Seine Erneuerungsarbeiten sind im Innern der Kuppel dokumentiert.[8]

Der Felsendom ist seit seinem Bau nicht wesentlich verändert worden; allerdings stammt die Verkleidung der Fassade mit den charakteristischen blauen Fliesen aus der Zeit des osmanischen Sultans Suleimans des Prächtigen. Nur die Verkleidung des Sockels mit verschiedenfarbigem Marmor stammt aus der Errichtungsphase.

Diese Sockelverkleidungen – siehe Foto rechts – aus der Zeit der Umayyaden, sind auch an anderen Bauten aus jener Zeit, in den Überresten ihrer (Khirba) Wüstenpaläste in Syrien-Palästina, nachweisbar und baugeschichtlich dokumentiert.

Der Felsen ist ein geologisches Prachtstück aus einer der härtesten grauen Gesteinsschichten, die man auf der Hochebene Jerusalems findet. Unter dem Fels ist eine Höhle, maghara / ‏ مغارة‎, wo sich, der Legende nach, der „Brunnen der Seelen“ bi'r al-arwāh / ‏بئر الأرواح ‎ / biʾru ʾl-arwāḥ befindet, wo sich die Seelen der Verstorbenen zweimal in der Woche versammeln. Der Boden ist mit Marmor ausgelegt; ein auffallendes, vorspringendes Felsstück nennt man hier „die Zunge des Felsens“ lisān as-sachra / ‏لسان الصخرة‎ / lisānu ʾṣ-ṣaḫra, da der Felsen den Kalifen ’Umar hier begrüßt haben soll. Neben dem Eingang zu dieser Höhle, unter einem einfach gearbeiteten kleinen Schrein, kann man den Fußabdruck des Propheten Mohammed und seine Barthaare besichtigen.

Das Bauwerk

Achteckiger Grundriss

Der Felsendom hat einen achteckigen Grundriss. Die Grundmauern sind aus unregelmäßigem Naturstein in mörtelloser Bauweise ausgeführt. Als Material ist wahrscheinlich Granodiorit, ein granitähnliches Material eingesetzt worden. Die Fundamente sind aus Betonquadern, die ebenfalls unregelmäßig dimensioniert sind. Das Flachdach hat eine versteckte Innenentwässerung, es befindet sich etwa einen halben Meter unter dem oberen Abschluss der Mauern. Die Mauern sind etwa 7-8 Meter hoch. Über dem Flachdach befindet sich ein runder Aufbau, der etwa 1/3 des Grundgebäudes beträgt und 5-6 Meter hoch ist. Darauf ist ein rundes Kuppeldach aus vergoldetem Blech befestigt. Ab etwa 3 Metern Höhe haben alle Mauern einen blauen Schmuck mit orientalischen Motiven. Das gesamte Gebäude ist rundum mit je 7 Rundbögen je Achteck-Seite ausgestattet. Diese sind allerdings ausgemauert und ebenfalls mit blauem Schmuck versehen.

Die politisch-historischen Hintergründe

Mehrfach ist und wird die Frage aufgeworfen, warum der Umayyadenkalif Abd al-Malik in Jerusalem, an einem geschichtsträchtigen Ort, die „Kuppel“ (al-qubba) errichten ließ. Bereits Ignaz Goldziher ist in seinen Muhammedanische Studien dieser Frage nachgegangen; unter Berufung auf z. T. relativ späte Quellen – vor allem nach den Historikern und Geographen al-Ya'qubi und Ibn al-Faqih al-Hamadani (beide wirkten im späten 9. Jahrhundert) – stellte er eine kausale Verbindung zwischen dem Gegenkalifat des Abdallah ibn az-Zubair in Mekka und der Errichtung des Felsendoms in Jerusalem her. Er schreibt:

„Als der ummejjadische Chalife 'Abdalmalik aus Besorgnis darüber, dass sein in Mekka herrschender Rivale 'Abdallāh b. Zubejr die nach den heiligen Stätten im Ḥigāz pilgernden Syrer zwingen könnte, ihm den Huldigungseid zu leisten, die Wallfahrt nach Mekka hintanhalten wollte, da griff er zu dem Auskunftsmittel der Lehre vom stellvertretenden Hagg zur Kubbat al-sachra in Jerusalem.[9]

Der deutsche Orientalist Werner Caskel wies darauf hin, dass die ersten Umayyadenkalifen bestrebt gewesen seien, in Syrien-Palästina ein religiös-geistiges Zentrum zu errichten. Diese Forschungshypothesen scheinen die nunmehr im Druck vorliegenden Werke islamischer Lokalhistoriker über die Vorzüge Jerusalems in mancher Hinsicht zu bestätigen; der Felsen, unter dem Flüsse des Paradieses fließen, ist der Ort, der dem Himmel am nächsten liegt. Und in Sure 50, 41:

„Und lausche am Tag, da einer (der Rufer) aus der Nähe ruft (sodass jeder es deutlich hört)!“

identifiziert man die Stelle „aus der Nähe“ (min makānin qarībin) mit dem Felsen, wo am Tage der Auferstehung der Erzengel Israfilاسرافيل‎ / Isrāfīl stehen wird. Den Höhepunkt der Wallfahrtszeremonien von Mekka, den Tag von Arafat, hat man unter den Umayyaden auch am Felsendom gefeiert. Neue Forschungsergebnisse, die auf bisher nicht benutzte Quellen zurückgehen, bestätigen, dass man in der Regierungszeit des Kalifen ’Abd al-Malik um den Bau den Umlauf (tawaf) genauso vollzog, wie um die Kaaba in Mekka. Auch das Opferfest als Abschluss der Wallfahrtszeremonien begingen die Muslime der Region am Felsendom. Der Historiker Ibn Kathir (*1300, †1373) gibt nach seiner Quelle Sibt ibn al-Dschauzi (*1186, †1256) eine detailliertere Darstellung dieser Riten am Felsendom als sein Vorgänger Ya’qubi und sieht sie im historischen Zusammenhang mit der Besetzung des mekkanischen Heiligtums durch seinen Rivalen ’Abdallah ibn az-Zubair.[10]

Eidleistungen an diesem Ort hatten die gleiche Bedeutung wie an der Kaaba von Mekka oder an der Kanzel (minbar) des Propheten in Medina. Bereits zu Beginn des 8. Jahrhunderts war vor allem unter den Muslimen von Syrien-Palästina Sitte, die Pilgerfahrt nach Mekka mit einem Besuch des Felsendoms zu verbinden und in den Weihezustand bereits hier einzutreten.[11]

Sakrale Inschriften

Die Baudaten ergeben sich aus Inschriften, Papyrusurkunden und den Berichten arabischer Historiographen: at-Tabari, Ibn Kathir, al-Baladhuri und anderer. Die Fertigstellung des Felsendoms ist mit der auf das muslimische Jahr 72 (691–692) datierten Bauinschrift eindeutig belegt. Als Bauherr nennt sich an dieser Stelle allerdings der Abbaside al-Ma'mun, der es offenbar übersehen hat, bei der Tilgung des Namen Abd al-Malik auch das ursprüngliche Baudatum abzuändern. Diese Bauinschrift ist aus einer Reihe von Koranzitaten – auch in paraphrasierter Form – zusammengesetzt. Auf der Außenseite des inneren Oktogons beginnen die Abschnitte mit der Basmala nebst Glaubensbekenntnis (Schahada). Auf der Innenseite des inneren Oktogons steht dann die Fortsetzung: Basmala, Glaubensbekenntnis, in der aber als Zusatz die christliche Lehre von der göttlichen Natur Jesu durch Koranverse (Sure 4, Vers 171–172, durch die Paraphrase von Sure 19, Vers 33 und durch Sure 3, Vers 18–20) zurückgewiesen wird. Weiter heißt es:

„Er (Gott) hat die Herrschaft über Himmel und Erde. Er macht lebendig und lässt sterben und hat zu allem Macht.“

– Sure 57, Vers 2

gefolgt von einer Aussage über Jesus – als Paraphrase von Sure 19, 33: „Heil sei über ihn am Tage, da er geboren wurde, am Tage, da er stirbt und am Tage, da er wieder zum Leben erweckt wird“.

Die Innendekorationen des Felsendoms sind Darstellungen des Paradieses; sowohl diese als auch die Inschriften erklärt die zeitgenössische Forschung mit dem ursprünglichen Vorhaben des Bauherrn Abd al-Malik: der Bau hat von Anfang an religiöse Bedeutung,[12] die der antichristlichen Polemik nicht entbehrt. Im inneren Teil des Oktogons, dem heiligen Fels gegenüber steht eine Passage aus der Sure 4, Vers 171:

„Christus (al-masih) Jesus, der Sohn der Maria, ist nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er der Maria entboten hat ...“

Die Koranzitate stellen die ältesten schriftlichen Dokumente des Korans im kufischen Duktus aus dem Jahr 692 dar, in denen schon – wenn auch nicht durchgehend – diakritische Punkte des Arabischen verwendet worden sind.[13]

Der Kettendom

Der Felsendom mit dem Kettendom. Stereoskopie aus dem späten 19. Jhd.
Der Felsendom mit dem Kettendom 2006

Der Kettendom qubbat al-silsila / ‏ قبة السلسلة‎ / qubbatu ʾs-silsila steht in unmittelbarer Nähe an der Ostseite des Felsendoms. Das Baudatum ist genauso wenig bekannt wie die ursprüngliche Funktion des Baus selbst. Aber schon der andalusische Geschichtsschreiber und Jurist Abd al-Malik b. Habib († 852) erwähnt, dass der Kettendom vom Kalifen Abd al-Malik errichtet wurde; somit muss die kleine Anlage um seine Zeit, als er den islamischen Osten bereiste, bereits vorhanden gewesen sein. Spätere muslimische Autoren und Geographen wie der Andalusier Ibn Abd Rabbihi und der Perser Naser Khosrow knüpfen bei der Beschreibung der Funktion dieses kleinen Baus an die biblische Tradition an: in der Zeit der Kinder Israels hätten hier die Ketten herabgehangen, wo Recht gesprochen wurde. Es war der islamischen Überlieferung nach David, der die Ketten aufgehängt hatte, die nur rechtschaffene Menschen mit den Händen fassen konnten. Der arabische Geograph al-Idrisi, der sich während der Kreuzzüge im Jahre 1154 in Jerusalem aufhielt, beschreibt die Stelle als „das Heilige unter den heiligen (Stätten)“. Anderen Berichten zufolge stand hier angeblich die Schatzkammer (bait al-mal), wo Abd al-Malik die Gelder für den Bau des Doms hinterlegt haben soll.[14]

Archäologische Untersuchungen ergaben, dass die Fundamente des Kettendoms in der Höhe des Felsendoms liegen und die Säulensockel mit denen des Felsendoms identisch sind. Der Bau war – wie es Naser Khosrow ausdrücklich erwähnt – zu keinem Zeitpunkt mit einer Mauer umgeben; vielmehr stand dort eine Kanzel (mihrab), die in der Achse auf die Kanzel der gegenüberliegenden al-Aqsa-Moschee ausgerichtet war. Der Kettendom selbst entstand nach der baulichen Vorlage des Felsendoms in Kleinformat und war – wie es scheint – bewusst in Richtung der Qibla gegen Mekka positioniert.

Al-Mawazin

Al-Mawazin mit dem Felsendom von der Aqsa-Moschee aus gesehen

Die acht auf die Plattform der Gesamtanlage hinaufführenden Stufen enden in byzantinischen Säulen in der Form einer Arkade, die al-mawazin / ‏ الموازين‎ / al-mawāzīn /„die Waagschalen“ genannt werden; denn am Tage der Auferstehung, so die islamische Tradition, werden hier alle Dinge, Taten und Sünden des Menschen auf den Waagschalen der Gerechtigkeit Gottes abgewogen. Die Bezeichnung ist zweifelsfrei koranischen Ursprungs, denn es heißt in Sure 23, Vers 102–103:

„Denen, die dann schwere Waagschalen haben, wird es wohl ergehen. Diejenigen aber, die leichte Waagschalen haben, sind dann ihrer selbst verlustig gegangen.“

Und in Sure 21, Vers 47 heißt es:

„Und für den Tag (oder: am Tag) der Auferstehung stellen wir die gerechten Waagen auf. Und dann wird niemand (im mindesten) Unrecht getan. Wenn es (auch nur) das Gewicht eines Senfkorns ist, bringen wir es bei. Wir rechnen (genau) genug ab.“

Übersetzung: Rudi Paret

Aufgrund dieser Koranverse, die dann die Hadith-Literatur mit weiteren, auf den Propheten zurückgeführten Aussagen anzureichern und diese am Tempelberg zu lokalisieren vermochte, ist diese Stätte (al-haram asch-scharif) in der islamischen Welt von besonderer Bedeutung.

Al-Mawazin mit Blick auf die Aqsa-Moschee

Der Überlieferung (Hadith) zufolge ist es der Erzengel Gabriel, der am Tage der Auferstehung die Waagschalen besitzt: sahib al-mawazin / ‏ صاحب الموازين‎ / ṣāḥibu ʾl-mawāzīn /„der Besitzer der Waagschalen“. Durch diese Bezeichnung der Zugänge zum Felsendom wird dessen zentrale Bedeutung im religiösem Leben der Muslime demonstriert. In den eschatologischen Glaubensvorstellungen der Muslime wird die gesamte Anlage mit dem Felsen unter der Kuppel in Hadithen thematisiert. Selbst die Fortführung der jüdischen Tradition im islamisch-eschatologischen Denken, das eng mit dem Ort verbunden ist, kann im arabischen Schrifttum spätestens im 11–12. Jahrhundert beobachtet werden. Der Historiker Ibn al-Muradschdscha, von dem man nur weiß, dass er gegen 1130-1140 in Jerusalem wirkte, erwähnt in seinem Werk über die Vorzüge von Jerusalem, Hebron und Syrien einen interessanten Bericht, der auf Ka’b al-Ahbar, einen zum Islam konvertierten Juden in der Zeit Mohammads zurückgeht:

„Ka'b al-Ahbar fiel unter den Büchern eine Schrift in die Hände, in der es hieß:
Īrūšalāyim, das heißt Jerusalem, der Felsen, den man Altar (haikal) nennt:ich werde zu dir meinen Diener Abd al-Malik entsenden, der dich dann aufbauen und reichlich verzieren wird. Wahrlich, ich werde nach Jerusalem seinen ersten König zurückführen und ihn mit Gold, Silber und Perlen krönen. Wahrlich werde ich zu Dir meine Schöpfung entsenden und auf dem Felsen meinen Thron aufstellen, denn ich bin Gott, der Herr und David ist der König der Söhne Israels.[15]

Für die Muslime im 11.–12. Jahrhundert, als der genannte Historiker wirkte, war der Tempel Salomons und dessen Altar (haikal) mit dem Felsendom identisch.[16]

Die obere Plattform, auf der sich der Felsendom befindet, ist nur durch diese Stufen mit den abschließenden Arkaden, die im 7.–8. Jahrhundert entstanden sind, erreichbar. Der arabische Geograph Ibn al-Faqih al-Hamadani berichtet im 10. Jahrhundert nur von sechs Treppenzugängen; wann die zwei weiteren hinzugefügt worden sind, ist unbekannt. Die ursprüngliche Gesamtkonzeption der Treppen ist auf jeden Fall Teil der umayyadischen Architektur.[17]

Tourismus

Der Zugang zum Tempelberg ist für Touristen heute (2006) nur vom Dungtor – Endstation der Buslinie 1 – aus, das auch zur Klagemauer führt, möglich. Die anderen Tore dürfen nur Muslime benutzen. Die Kontrolle wird an jedem Tor von den israelischen Behörden durchgeführt. Eintrittskarten für den Tempelberg sind entfallen. Dafür ist der Eintritt in die Aqsa-Moschee, wo seit 2005–2006 umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt werden, und in den Felsendom nur mit schriftlicher Genehmigung der Waqf-Administration (am Bab al-Nazir) möglich. Der Tempelberg wird – auch auf dem Innenhof – von israelischen Sicherheitskräften bewacht, die uneingeschränkten Zugang zu diesem Gebiet haben. Touristen können nur beim Verlassen des Tempelberges die anderen Tore benutzen.

Literatur

  • Werner Caskel: Der Felsendom und die Wallfahrt nach Jerusalem. Westdeutscher Verlag, Köln/Opladen 1963. 
  • K. A. C. Creswell: Early Muslim Architecture. Oxford 1932, Teil I. S. 42–94
  • S. D. Goitein: The Historical Background of the Erection of th Dome of the Rock. In: Journal of the American Oriental Society (JAOS). 70 (1950), S. 104–108
  • O. Grabar: The Umayyad Dome of the Rock of Jerusalem. In: Ars Orientalis. 3 (1959), S. 33–62
  • Max van Berchem: Matériaux pour un Corpus Inscriptionum Arabicarum: Jerusalem: Ville. II/2. Kairo (o. D.)
  • H. Busse: Die arabischen Inschriften im und am Felsendom in Jerusalem. In: Das Heilige Land. 109 (1997), S. 8–24
  • H. Busse: 'Omar b. al-Hattab in Jerusalem. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 5 (1984), S. 73–119
  • H. Busse: 'Omar’s image as the conqueror of Jerusalem. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 8 (1986), S. 149–169
  • H. Busse: Zur Geschichte und Deutung der frühislamischen Ḥarambauten in Jerusalem. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins (ZDPV), Bd. 107 (1991), S. 144–154
  • Amikam Elad: Medieval Jerusalem and Islamic Worship; Holy Places, Ceremonies, Pilgrimage. Brill, Leiden 1995
  • Christian Ewert und Jens-Peter Wisshak: Forschungen zur almohadischen Moschee. Lief. 1, Vorstufen : hierarchische Gliederungen westislamischer Betsäle des 8. bis 11. Jahrhunderts: die Hauptmoscheen von Qairawan und Córdoba und ihr Bannkreis. Madrider Beiträge, Bd. 9. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1981. ISBN 3805304714
  • Shlomo D. Goitein: Jerusalem in the Arab Period (638–1099). In: The Jerusalem Chatedra. 2 (1982), S. 168–196
  • Myriam Rosen-Ayalon: The Early Islamic Monuments of al-Ḥaram al-sharīf. An Iconographic Study. In: Qedem. Monographs of the Institute of Archaeology. 23. The Hebrew University. Jerusalem 1989
  • Ibn al-Murajjā: Faḍāʾil Bayt al-Maqdis wa-al-Khalīl wa-Faḍāʾil al-Sha’m (The Merits of Jerusalem, Hebron and Syria). Ed. Ofer Livne-Kafri, Shfaram 1995
  • Jacob Lassner: Muslims on the sanctity of Jerusalem. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 31 (2006), S. 164–195
  • Christoph Luxenberg: Neudeutung der arabischen Inschrift im Felsendom zu Jerusalem. In: Karl-Heinz Ohlig (Hg.): Die dunklen Anfänge. Neue Forschungen zur Entstehung und frühen Geschichte des Islam. 3. Aufl., Schiler, Berlin 2007, ISBN 978-3-89930-128-1, ISBN 3-89930-128-5
  • D.S. Margoliouth: Cairo, Jerusalem & Damascus. Three chief cities of the Egyptian Sultans. With illustartions in colour by W. S. S. Tyrwhitt. London 1907. S. 175–227 (mit Abbildungen)
  • The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden, Bd. 5, S. 298

Weblinks

  • Literatur über Felsendom in Bibliothekskatalogen: DNB, GBV

Einzelnachweise

  1. Christian Ewert (1981): „So wie der Felsendom durch die Übernahme des frühchristlich-byzantinischen Zentralbautyps die geistige Landnahme im ehemals christlichen Osten vor Augen rückt, könnte Qairawan … usw. “ – dort mit weiteren Quellenangaben
  2. H. Busse (1986), S. 160 und 166–167
  3. H. Busse (1991), S. 145–146
  4. H. Busse: Die ’Umar-Moschee im östlichen Atrium der Grabeskirche. In: Zeitschrift ders Deutschen Palästina-Vereins. Bd. 109 (1993), S. 74–75; Herbert Donner: Pilgerfahrt ins Heilige Land. Stuttgart 1979, S. 315ff. mit deutscher Übersetzung und Kommentar
  5. Siehe O. Grabar in: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 5, S. 298
  6. Christian Ewert, S. 50
  7. J. Walker in: A. J. Wensinck und J. H. Kramers (Hrsg.): Handwörterbuch des Islams, S. 344 mit weiteren Quellenangaben.[1]
  8. Oleg Grabar: The Umayyad Dome of the Rock in Jerusalem In: Ars Orientalist, Bd. 3, S. 33ff.
  9. Muhammedanische Studien. Bd. II. S. 35
  10. Amikam Elad: The History and Topography of Jerusalem During the Early Islamic Period: The Historical Value of Faḍāʾil al-Quds Literature: A Reconsideration. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 14 (1991), S. 56–62
  11. Amikam Elad, a.a.O.64–67 mit weiteren Quellenangaben
  12. H. Busse (1991), S. 150 und ders. (1997), S. 8ff.
  13. Siehe:[2]
  14. H. Busse (1991), S. 147; M. Rosen-Ayalon (1989), S. 25–29
  15. Quelle:Ofer Livne-Kafri(ed.): The Merits of Jerusalem, Hebron and Syria. Almashreq Ltd. Shfaram 1995.Siehe auch: Ofer Livne-Kafri: A Note on Some Traditions of Faḍāʾil al-Quds. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 14 (1991),S.71ff bes. S.82-83
  16. Heribert Busse:Bāb Ḥiṭṭa: Qurʾān 2:58 and the Entry into Jerusalem. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. Bd.22 (1998), S. 9 und Anm. 50.
  17. M. Rosen-Ayalon (1989), S. 30–32

31.77805555555635.2352777777787Koordinaten: 31° 46′ 41″ N, 35° 14′ 7″ O


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