Aserbaidschanische Volksregierung

Aserbaidschanische Volksregierung
Aserbaidschanische Volksregierung
Flagge
Details
Hauptstadt Täbris
Staatsform Sozialistische Republik
Präsident Jafar Pischevari
Gründung 12. Dezember 1945
Auflösung November 1946
Vorläuferstaat Iran
Nachfolgerstaat Iran

Die Aserbaidschanische Volksregierung (AVR; russisch Азербайджанское народное правительство) war ein kurzlebiger von der Sowjetunion gestützter Klientelstaat im Nordiran. Gegründet in Iranisch-Aserbaidschan war die Hauptstadt der AVR Täbris. Seine Gründung und Auflösung war Teil der Irankrise, die ein Vorläufer des Kalten Krieges war.

Inhaltsverzeichnis

Vorspiel

Bereits im Anschluss an den Ersten Weltkrieg bzw. die russischen Revolutionswirren hatte es 1920 erstmals eine prosowjetische Autonomieregierung in Täbris gegeben, während bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine ähnliche Entwicklung.

Am 25. August 1941 marschierten im Rahmen der „Anglo-sowjetischen Invasion Irans“ britische Truppen in den Süden und sowjetische Truppen in den Norden Irans ein. Sowjetische Truppen aus der Armenischen und Aserbaidschanischen SSR und britische und indische Truppen aus dem Irak betraten iranisches Territorium und übernahmen bald die Kontrolle über das Land. Im September zwangen die Briten Reza Schah Pahlavi zu Gunsten seines Sohnes Mohammad Reza Pahlavi abzudanken. Mit Nordiran unter sowjetischer Besatzung, machte Stalin Pläne zu Verbreitung des Sozialismus durch Schaffung separatistischer Marionettenstaaten. Die kurdische Republik Mahabad war solch ein Staat und die Sowjets beschlossen, auch einen separatistischen Staat für die Aserbaidschaner im Nordiran zu gründen.

Gründung

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam es am 12. Dezember 1945 auf dem ersten Nationalkongress der Demokratischen Partei in Tabriz zur Ausrufung der Autonomen Republik Aserbaidschan mit Premierminister Jafar Pischevari an der Spitze der Regierung.[1] Die Partei Pischevaris, die Firqeh Demokrat (Demokratische Partei), die auf direkten Anordnung Stalins gegründet worden war, lehnte sich gegen die Zentralregierung in Teheran auf.[2]

Jafar Pischevari, selbsternanntes Staatsoberhaupt der Republik Aserbaidschan erklärte, dass von nun an Türkisch als Amtssprache gelte. Die Regierung entsandte Verstärkung für die in Tabriz stationierten Gendarmerieeinheiten, doch die Gendarmen wurden am Firuzkuh-Pass von sowjetischen Truppen am weiteren Vormarsch nach Tabriz gehindert. Am 13. September 1945 erklärte die aserbaidschanische Landesgruppe der Tudeh-Partei ihre Selbstauflösung und den Übertritt in die Firqeh Demokrat Pischevaris. Premierminister Mohsen Sadr, der offiziell Protest gegen das Vorgehen der sowjetischen Truppen einlegen wollte, wurde von sowjetischen Botschafter in Teheran nicht empfangen. Sadr trat am 21. Oktober 1945 zurück und Ebrahim Hakimi wurde neuer Premierminister.[3]

Während dieser Zeit wurde eine Wiederbelebung der aserbaidschanischen Literatursprache, die in starkem Maße vom Persischen verdrängt worden war, mit Hilfe von Autoren, Journalisten und Lehrern aus der Aserbaidschanischen SSR vorangetrieben. Nach dem Streben eine nationale Homogenität in einem Land, dessen Hälfte der Bevölkerung aus ethnischen Minderheiten besteht, zu errichten, hatte Reza Schah vorher kurz hintereinander Verbote der Aserbaidschanischen Sprache in Schulen, Theatern, religiösen Zeremonien und auch schließlich in Bücherveröffentlichungen erlassen.[4] Man sollte bedenken, dass diese Direktiven erlassen wurden, obwohl Reza Schahs Mutter Nooshafarin und seine Ehefrau Taj-Ol-Moluk Ayrimlu beide aserbaidschanischer Herkunft waren.

Firqeh Demokrat

Die Firqeh Demokrat (Demokratische Partei) verkündigte ihre Gründung am 3. September 1945 in Täbris durch eine Gruppe von kommunistischen Veteranen geführt von Jaoar Pischevari. Nach dieser Verkündung löste sich die kommunistische von den Sowjets unterstützten Tudeh Partei ihre Abteilung in Aserbaidschan auf und befahl seinen Mitgliedern der Firqeh Demokrat beizutreten.[5] Die Firqeh Demokrat verbreitete sich in ganz Iranisch-Aserbaidschan und führte einen Staatsstreich durch, während die sowjetische Armee die iranischen Verstärkungen daran hinderte, die Provinz zu betreten.[6] Während der ersten Septemberwoche 1945 erklärte die Firqeh Demokrat, die jetzt von einem Führer der revolutionären Bewegung in Gilan namens Jafar Pischevari geführt wurde, dass sie Iranisch-Aserbaidschan kontrollierten und versprach liberale demokratische Reformen und löste die Tudeh Partei auf.[7][8] Später im September 1945 autorisierte die Firqeh Demokrat auf ihrem ersten Kongress die Bildung einer Miliz, die bis Mitte November 1945 alle restlichen übrig gebliebenen Regierungsstellungen in der Provinz besetzten, und so wurde Iranisch Aserbaidschan eine autonome Republik unter der Leitung eines nationalen Exekutivkomitee mit 39 Mitglieder.[9] Der erste und einzige Ministerpräsident dieser kurzlebigen Republik war Ahmad Kordary.

Ende

Zur selben Zeit verstärkte die USA ihre militärische Unterstützung für die Regierung in Teheran. Unter dem Druck der Westmächte zog die Sowjetunion ihre Hilfe für den neu gegründeten Staat zurück[10][11] und das iranische Militär errichtete die iranische Kontrolle im November 1946 wieder. Nach Tadeusz Swietochowski:

„ Wie sich herausstellte, erkannten die Sowjets, dass ihre Ideen im Iran unausgereift waren. Die Angelegenheit mit Iranisch Aserbaidschan wurde zu einer der anfänglichen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges und die sowjetischen Kräfte zogen sich 1946 größtenteils unter dem Druck der Westmächte zurück. Die autonome Republik brach bald danach zusammen und die Mitglieder der Demokratischen Partei suchten Zuflucht in der Sowjetunion, flohen vor der iranischen Rache. In Täbris begrüßten jetzt die Menschenmengen, die erst vor kurzem der autonome Republik Beifall klatschen, die zurückkehrenden iranischen Truppen, und aserbaidschanischen Studenten verbrannten öffentlich Bücher in ihrer Muttersprache. Die Masse der Bevölkerung war offenbar nicht einmal für eine regionale Selbstregierung bereit, solange es einen Beigeschmack von Separatismus hatte.[12]

Nach Prof. Gary R. Hess:

„ Am 11. Dezember betrat eine iranische Truppe Täbris und die Pischevari-Regierung brach schnell zusammen. Allerdings wurden die Iraner durch die Menschen Aserbaidschans, die eine Vorherrschaft durch Teheran mehr bevorzugten als durch Moskau, enthusiastisch willkommen. Die Bereitschaft der Sowjets auf ihren Einfluss in Iranisch Aserbaidschan zu verzichten ergab sich vermutlich aus einigen Faktoren, einschließlich der Erkenntnis, dass die Gefühl für Autonomie übertrieben worden war und dass die Ölkonzessionen das begehrenswertere Langzeitziel blieben. [13]

Am 13. Juni 1946 wurde ein Vertrag zwischen der Zentralregierung in Teheran und den Delegierten aus Aserbaidschan unter Leitung von Pischevari ausgehandelt.[14] Nach diesem Vertrag stimmte Pischevari der Aufhebung der Autonomie, dem Verzicht des Ministeramtes und des Amtes des Premierministers und dem Wiederanschluss an den Iran zu. Das Parlament wurde in ein Provinzrat, einem System, das von der iranischen Verfassung anerkannt und berücksichtigt wurde, umgewandelt.[14]

Mitte Dezember 1946 betrat die iranische Armee Täbris und setzte der AVR nach einem vollem Jahr ein Ende.[15].

Viele der Führer suchten Zuflucht in der Aserbaidschanischen SSR. Jafar Pischevari, der nie das volle Vertrauen von Stalin hatte, starb bei einem Autounfall unter mysteriösen Umständen. Ministerpräsident Kordary wurde für viele Jahre inhaftiert und wurde später aufgrund der Bemühungen seines Bruders Kazem Kordary entlassen.

Dokumente

Einzelnachweise

  1. Kristen Blake: The U.S.-Soviet confrontation in Iran, 1945-1962. University Press of America, 2009, S. 33.
  2. "Cold War International History Project 1945-46 Iranian Crisis"
  3. Gholam Reza Afkhami: The life and times of the Shah. University of California Press, 2009, S. 92.
  4. Tadeusz Swietochowski, Russia and Azerbaijan: A Borderland in Transition. ISBN 0-231-07068-3
  5. Iran in claws of the bear, The failed Soviet landgrab of 1946, Farhad Tale, iUniverse books, 2007, ISBN 0-595-41345-5,S19
  6. Ervand Abrahamian. "Communism and Communalism in Iran: The Tudah and the Firqeh Demokrat", International Journal of Middle East Studies, Vol. 1, No. 4. (Oct., 1970), p. 291
  7. Sepehr Zabih. The Communist Movement in Iran, Berkeley, 1966, S. 99
  8. Ervand Abrahamian. Iran between Two Revolutions, Princeton, 1982, S. 217-218
  9. Fred H. Lawson. "The Iranian Crisis of 1945-1946 and the Spiral Model of International Conflict", International Journal of Middle East Studies, Vol. 21, No. 3. (August 1989), S. 316
  10. Azerbaijan Crisis (1947-1948)
  11. Iran in World War II
  12. Swietochowski, Tadeusz 1989. "Islam and the Growth of National Identity in Soviet Azerbaijan", Kappeler, Andreas, Gerhard Simon, Georg Brunner eds. Muslim Communities Reemerge: Historical Perspective on Nationality, Politics, and Opposition in the Former Soviet Union and Yugoslavia. Durham: Duke University Press, S. 46-60.
  13. Gary. R. Hess Political Science Quarterly, Vol. 89, Nr. 1 (März, 1974) (PDF)
  14. a b A. C. Edwards. "Persia Revisited", International Affairs (Royal Institute of International Affairs 1944), Vol. 23, No. 1. (Jan., 1947), S. 58
  15. George Lenczowski. "United States' Support for Iran's Independence and Integrity, 1945-1959", Annals of the American Academy of Political and Social Science, Vol. 401, America and the Middle East. (Mai, 1972), S. 49

siehe auch


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