Oliver Sipple

Oliver Sipple

Oliver „Billy“ Sipple (* 20. November 1941 in Detroit, Michigan; † 2. Februar 1989) war ein dekorierter Veteran des United States Marine Corps. Bekannt wurde er allerdings erst am 22. September 1975 als Lebensretter des US-Präsidenten Gerald Ford bei einem Attentat in San Francisco.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Jahre

Oliver Sipple nahm als Marine an den Kämpfen im Vietnamkrieg teil. Nach Verwundungen durch Schrapnell-Geschosse musste er im Dezember 1968 heimkehren und wurde in einem Veteranenkrankenhaus in Philadelphia bis März 1970 behandelt. Später verbrachte er nochmals sechs Monate im Krankenhaus der Veterans Health Administration in San Francisco und hielt sich 1975 ebenfalls dort auf. Sipple galt als psychisch nicht mehr arbeitsfähig und bekam deshalb eine Invalidenrente. Er teilte eine Wohnung im Mission District von San Francisco mit einem Seemann und war kommunalpolitisch engagiert, unter anderem bei der Kandidatur von Harvey Milk als offen schwuler Stadtratskandidat.

Das Ford-Attentat

Am 22. September 1975 gehörte Oliver Sipple zu den etwa 3000 Menschen, die außerhalb des Saint Francis Hotel in San Francisco warteten, um den amtierenden US-Präsidenten Gerald Ford zu sehen. Als Ford mit seinen Leibwächtern erschien und trotz diesen relativ ungeschützt war, bemerkte Sipple neben sich eine Frau, die eine Kaliber-.38-Pistole zog und auf den Präsidenten ansetzte. Er hechtete instinktiv auf die Frau, Sara Jane Moore, zu, als diese den Abzug drückte. Die Waffe feuerte, die Kugel verfehlte ihr Ziel jedoch durch die Ablenkung um etwa 5 Fuß (etwa 1,5 Meter). Ohne das Eingreifen Sipples hätte die Kugel den Präsidenten vermutlich getroffen.

Das „Outing“ durch die Medien

Die Polizei und der Secret Service dankten Sipple noch bei der Veranstaltung; Präsident Ford selber schrieb ihm später einen Dankesbrief und lud ihn zu Weihnachten ins Weiße Haus ein. Die Medien stellten ihn als Held dar; zugleich bat er sie jedoch, über seine sexuelle Orientierung als Homosexueller nicht zu schreiben, da er trotz seiner Aktivitäten in der Schwulenszene San Franciscos vor allem seiner Familie gegenüber kein Coming-out hatte und dies auch weiterhin vermeiden wollte. Harvey Milk hatte die Situation jedoch für seine Stadtratskandidatur genutzt, indem er Sipple als „gay hero“ (schwuler Held) bezeichnete. In diesem Zusammenhang sagte der Politiker und Schwulenaktivist Milk auch, dass dieser Akt helfen würde, Stereotypen über Homosexuellen zu widerlegen. Verbände der Lesben- und Schwulenbewegung baten Zeitungsredaktionen in Petitionen, Sipples sexuelle Identität zu thematisieren und ihn als gay hero darzustellen. Schließlich kam der San Francisco Chronicle in einer Kolumne von Herb Caen diesen Bitten nach. Anschließend sind Leitartikler sechs weiterer Zeitungen diesem Beispiel gefolgt. Daraufhin brach Sipples Mutter den Kontakt mit ihrem Sohn ab und nahm keine Telefonanrufe von ihm mehr entgegen. Ihrerseits wurde sie von ihren Nachbarn wegen der Homosexualität ihres Sohnes belästigt. Erst nach dem Tod der Mutter 1979 nahm der Vater den Kontakt mit Sipple wieder auf.

Spätere Jahre

Sowohl physisch als auch mental verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Oliver Sipple in den Jahren nach dem Attentat zunehmend. Er trank sehr viel, bekam einen Herzschrittmacher, wurde paranoid und selbstmordgefährdet. Am 2. Februar 1989 wurde er tot in seinem Bett aufgefunden. In seiner Wohnung fanden sich etliche Zeitungsausschnitte mit den Beschreibungen seiner Tat im Jahr 1975, der Brief aus dem Weißen Haus hing eingerahmt an der Wand. Sipple wurde auf dem Golden Gate National Cemetery im Süden von San Francisco begraben. Nur 30 Personen waren bei der Beisetzung anwesend. Kurze Zeit nach seinem Tod erreichte ein weiterer Brief von Ex-Präsident Ford seine Freunde in einer seiner bevorzugten Kneipen, dem New Belle Saloon.

„Mrs. Ford and I express our deepest sympathy in this time of sorrow involving your friend's passing...“
President Gerald Ford, February, 1989

2001 erklärte Gerald Ford in einem Interview mit dem Kolumnisten Deb Price auf die Frage, ob Sipple anders behandelt wurde, weil er schwul war:

As far as I was concerned, I had done the right thing and the matter was ended. I didn't learn until sometime later — I can't remember when — he was gay. I don't know where anyone got the crazy idea I was prejudiced and wanted to exclude gays.“ [1]

Auch Fords Entscheidung, mit 88 Jahren dem Vorstand einer Gruppe für die Zusammenarbeit von Homo- und Heterosexuellen in der Republikanischen Partei anzugehören, begründete er mit dem Wunsch, etwaige Gerüchte über seine vermeintlichen Homophobie, die im Zusammenhang mit Sipple aufgetreten waren, zu widerlegen.[2]

Medienethik und Privatklage

Das Outing von Oliver Sipple durch den Chronicle bleibt ein kontrovers diskutierter Fall für Journalistenethik und wirft einerseits die Frage nach der Angemessenheit der Reportage über das Privatleben Sipples auf, andererseits aber auch die Frage, warum Sipples Mutter und ihre Nachbarn auf diese Offenbarung so heftig reagierten. Sipple selbst strengte ein auf 15 Millionen US-Dollar dotiertes Gerichtsverfahren gegen Herb Caen, sieben namhafte Zeitungen und eine Reihe unbekannterer Blätter für die Veröffentlichungen an. Das Oberste Gericht von San Francisco stellte das Verfahren ein und Sipple führte seine Privatklagen bis 1984 weiter, bis das State Court die Einstellung bestätigte.

Einzelnachweise

  1. The Detroit News: Gerald Ford – Treat gay couples equally Editorial 2001, von Deb Price
  2. Senator Allan Simpson im CNN-Interview mit Larry King

Weblinks


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