Odoacer

Odoacer
Odoaker (Münzporträt)

Odoaker (Odoacer, Odovacer, Odoacar, Odovacar; lat. Odovacrius[1]; * um 433, † vermutlich 15. März 493 in Ravenna) war ein weströmischer Offizier (vielleicht germanischer Herkunft) und nach der Absetzung des Romulus Augustulus 476 König von Italien (lat: Rex Italiae).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Das Reich Odoakers 480

Odoaker war ein Sohn des Edekon (Edika), der im Dienst des Hunnenkönigs Attila stand, und einer Frau vom Stamm der Skiren. Die Herkunft Edekons ist umstritten, Odoaker selbst wuchs am Hof Attilas auf. Er war Arianer und soll Analphabet gewesen sein.

Odoaker diente schließlich in der Leibwache des weströmischen Kaisers Anthemius. Im Machtkampf zwischen diesem und Ricimer hielt er zu letzterem. Nachdem der Heermeister Flavius Orestes den letzten legitimen Kaiser Westroms, Julius Nepos, 475 zur Flucht gezwungen hatte, erhob Orestes seinen Sohn Romulus, wegen seiner Jugend „Augustulus“ (Kaiserlein) genannt, zum neuen „Schattenkaiser“. Allerdings erhoben sich nun die barbarischen Hilfstruppen (Föderaten) unter Führung des Odoaker und forderten Land in Italien, was Orestes ablehnte. Vermutlich spielten auch persönliche Differenzen eine Rolle, denn auch Orestes hatte einst Attila gedient, wobei es zum Streit zwischen ihm und Odoakers Vater gekommen war. Da es aber kaum noch reguläre weströmische Truppen gab, stellten die barbarischen Föderaten unter dem Kommando des Odoaker fast die einzige militärische Macht in Italien dar und setzten ihre Forderung nun mit Gewalt durch. Die Mehrheit der Söldner wählte am 22. August 476 Odoaker zum König.

Odoaker tötete Ende August 476 Orestes und kurz darauf dessen Bruder. Romulus setzte er ab, sagte ihm jedoch ein Jahrgeld zu. Odoaker sandte den kaiserlichen Ornat nach Konstantinopel und erklärte, man brauche im Westen keinen eigenen Augustus mehr, sondern unterstelle sich dem oströmischen Kaiser. Sodann ernannte er sich selbst zum Rex Italiae (König von Italien) und wurde nach dem Tod Julius Nepos’ vom oströmischen Kaiser Zenon als (faktisch unabhängiger) Verwalter Italiens unter oströmischer Ägide anerkannt.

Odoaker vergab entweder Land oder (wahrscheinlicher) Anteile an den Steuereinkünften an die eingewanderten Germanen (vor allem Heruler, Skiren und Thüringer), ließ jedoch das römische Rechts- und Steuersystem, die römische Verwaltung und den Senat intakt. Er ließ außerdem Münzen prägen. Die Kultur der Spätantike bestand also in Italien fort, und die Absetzung des machtlosen weströmischen Kaisers dürfte auf die Zeitgenossen kaum Eindruck gemacht haben, da Italien formell unter die Herrschaft des Kaisers in Konstantinopel getreten war (vgl. auch Völkerwanderung sowie Ende der Antike).

Im Jahr 477 pachtete Odoaker Sizilien von den Vandalen. 481 eroberte er Dalmatien, und 488 zerstörte er das Reich der Rugier in Noricum. Die romanische Bevölkerung im nördlichen Grenzraum wurde durch seinen Bruder Hunulf zwangsevakuiert, um so einer eventuell neuen Reichsbildung die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen.

Ab 488 musste Odoaker die vorrückenden Ostgoten abwehren, die von Ostrom unterstützt wurden, wo man Odoaker die Eroberung Dalmatiens übel nahm. Odoaker brach daraufhin die Kontakte mit Konstantinopel ab und erhob seinen Sohn Thela 490 zum Gegenkaiser („Caesar“). Nach mehreren Niederlagen (489 am Isonzo, dann bei Verona und am 11. August 490 an der Adda) und einer langen Belagerung in Ravenna, schloss er nach der Rabenschlacht im Jahr 493 mit dem ostgotischen König Theoderich dem Großen am 27. Februar 493 einen Vergleich, nicht zuletzt wegen drohender Hungersnot. Wenige Tage später wurde er von Theoderich an dessen Hof in Ravenna eigenhändig ermordet - als Vorwand diente eine persönliche Rache des Goten an Odoaker, ebenso ist es allerdings möglich, dass Theoderich so seine Machtposition sichern wollte. Thela entkam zunächst nach Gallien, wurde aber noch im selben Jahr bei einem Rückkehrversuch nach Italien umgebracht.

Eine Gedenktafel für Odoaker fand Aufnahme in die Walhalla bei Regensburg.

Literatur

  • Maria Cesa: Il regno di Odoacre. La prima dominazione germanica in Italia. In: B. Scardigli, P. Scardigli (Hrsg.): Germani in Italia. Rom 1994, S. 307–320.
  • Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge 2007, S. 278ff.
  • Arnold Hugh Martin Jones: The constitutional position of Odoacer and Theoderic. In: Journal of Roman Studies 52, 1962, S. 126–130.
  • Herwig Wolfram: Odowakar. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 21, S. 573–575.
  • László Várady: Epochenwechsel um 476. Odoaker, Theoderich der Große und die Umwandlungen. Budapest/Bonn 1984.

Weblinks

Anmerkungen

  1. AE 1967, 00007, auf seinen Münzen der abgekürzte Name Fl. Odovac.



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  • Odoacer — O•do•a•cer [[t]ˌoʊ doʊˈeɪ sər[/t]] also Odovacar n. anh big a.d. 434?–493, first barbarian ruler of Italy 476–493 …   From formal English to slang

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