Obdachlosenzeitung

Obdachlosenzeitung

Straßenzeitungen oder Straßenmagazine (manchmal auch als „Obdachlosenzeitungen“ bezeichnet) sind lokale Zeitungen oder Zeitschriften, die von Menschen in sozialer Not verkauft werden. Meist sind es Obdachlose, oft aber auch Asylbewerber oder Langzeitarbeitslose, die so einen niederschwelligen Zugang zu einer Arbeit bekommen.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

Ein grundlegendes Prinzip bei Straßenzeitungen ist, dass den Verkäufern mindestens 50 Prozent des Verkaufspreises als Gewinn bleiben. Beim Verkauf einer Zeitung zu einem Preis von beispielsweise 2 Euro bleiben dem Verkäufer mindestens ein Euro zuzüglich Trinkgeld. Oftmals kommen die Verkäufer hierbei auch mit den Käufern ins Gespräch. Manche der Verkäufer haben mittlerweile sogar schon so etwas wie eine „Stammkundschaft“.

Alle Verkäufer sind mit einem so genannten Verkäuferausweis ausgestattet. Ihnen wird ein Verkaufsplatz zugewiesen. Es gibt aber auch Straßenzeitungen, die es den Verkaufenden selbst überlassen, zu bestimmen, wo sie verkaufen wollen. Zum Beispiel in Cafés und Kneipen, auf Straßenfesten usw. Für die Verkäufer gelten hierbei einige Regeln, die sie einhalten müssen. So ist es ihnen beispielsweise untersagt, die Zeitung im angetrunkenen Zustand zu verkaufen oder während des Verkaufs Alkohol zu konsumieren. Auch dürfen die Verkäufer nicht nebenbei noch betteln.

Allen Straßenzeitungen gemein ist, dass sie von Menschen in sozialer Not direkt auf der Straße verkauft werden. Oft arbeiten sie auch bei der redaktionellen Gestaltung mit. Das Medium Straßenzeitung wird so zum Sprachrohr für die Situation und Anliegen dieser Menschen am Rande der Gesellschaft. Für sie sind solche Straßenzeitungen eine der wenigen Möglichkeiten, eine Tätigkeit auszuüben und so in Kontakt mit der Gesellschaft zu bleiben und ein kleines Einkommen zu erzielen. Der direkte Kontakt zu der Bevölkerung kann so der erste Schritt sein aus der Isolation zum Teilhaben am gesellschaftlichen Leben.

Geschichte

Als Vorläufer der Straßenzeitungen kann die 1927 gegründete Zeitschrift der Vagabunden gesehen werden. Gustav Brügel, Landstreicher und Schriftsteller aus Balingen bei Stuttgart gab die erste Nummer der Zeitschrift „der Kunde“ heraus. Gregor Gog übernahm ab der zweiten Nummer und gründete die „Bruderschaft der Vagabunden“. [1]

Die erste Straßenzeitung wurde 1989 in New York gegründet und hieß Streetnews. Zwei Jahre später gründete John Bird, inspiriert von der New Yorker Straßenzeitung, die erste Straßenzeitung Europas – The Big Issue. Unterstützt wurde er dabei von der Firma The Body Shop. The Big Issue wird seit 1991 in London verkauft und war Vorbild für viele weitere Straßenzeitungen in Europa. Das Konzept wurde auch in andere Kontinente exportiert. So etablierten sich die Straßenzeitungen The Big Issue Australia, The Big Issue South Africa, The Big Issue Namibia und The Big Issue Japan.

In den Jahren 1987 und 1988 erschienen die ersten von Hans Klunkelfuß herausgegebenen Berberbriefe, unregelmäßig erscheinend, etwa viermal im Jahr, 8–12 Seiten auf fotokopiertem Papier mit einer Auflage von 100 bis 500 Stück. Klunkelfuß und andere Wohnungslose nutzen den Verkauf der von ihnen selbst hergestellten Zeitung, um damit unabhängig von staatlicher Hilfe ihr Überleben auf der Straße zu sichern. Im Jahr 1992 erschien in Köln mit dem BankExpress, heute BankExtra, die erste deutsche Straßenzeitung, im Oktober 1993 kamen Bürger In Sozialen Schwierigkeiten – BISS in München und 14 Tage später Hinz und Kunzt aus Hamburg dazu. Im Jahr 2006 gab es bereits ca. 30 Straßenzeitungen in Deutschland.

Der Bekanntheitsgrad der Straßenzeitungen wurde weiter erhöht, als 2003 die Autorin Joanne K. Rowling den Straßenzeitungen erlaubte, das erste Kapitel des neuesten Harry-Potter-Bandes noch zwei Wochen vor dem offiziellen Erscheinungstermin kostenfrei abzudrucken, was auch insgesamt 18 deutschsprachige Straßenzeitungen taten.[2]

2004 würdigte der damalige UNO Generalsekretär Kofi Annan am Tag der Armut (17. Oktober) die Arbeit der Straßenzeitungen. Er schrieb einen exklusiven Artikel zum Thema Armut, der in den Straßenzeitungen abgedruckt wurde.

Dachverbände

Inzwischen gibt es mehr als 150 Straßenzeitungen in der ganzen Welt. Viele haben sich zu Netzwerken wie International Network of Street Newspapers (INSP) oder The North American Street Newspaper Association (NASNA) zusammengeschlossen. Auf diesen Websites findet man auch eine umfangreiche Liste von Straßenzeitungen aus aller Welt.

Am 1. April 2000 wurde in Deutschland der Bundesverband soziale Straßenzeitungen als Dachverband der deutschen Straßenzeitungen gegründet. Dieser Dachverband löste sich jedoch im Frühjahr 2008 wieder auf. Viele deutschsprachigen Straßenzeitungen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland sind heute Teil von INSP.

Homeless World Cup

Seit 2003 findet unter der Schirmherrschaft von INSP auch der Homeless World Cup statt – ein Fußball-Turnier, bei dem Teams von Obdachlosen aus aller Welt gegeneinander antreten. Das Turnier findet jedes Jahr in einem anderen Land statt: 2003 Österreich (Graz), 2004 Schweden (Göteborg), 2005 Schottland (Edinburgh), 2006 Südafrika (Kapstadt), 2007 Dänemark (Kopenhagen), 2008 Australien (Melbourne) und 2009 in Italien (Mailand).

Beispiele

Deutschland

  • Abseits: Osnabrück
  • Asphalt-Magazin: Hannover, monatlich, Auflage 25.000
  • Bank-Extra: Köln
  • BISS: München, monatlich, Auflage 40.000
  • bodo: Bochum und Dortmund
  • Brücke: Erfurt
  • Die Ruhrstadt Zeitung (DRZ, früher: Wohnungsloser): Essen, zweimonatlich, Auflage 9000
  • draußen!: Münster, monatlich, Auflage 7000
  • Donaustrudl: Regensburg, monatlich, Auflage 5000
  • Die Straße: Wuppertal - Solingen - Remscheid, monatlich
  • fiftyfifty: Bonn, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Mönchengladbach, monatlich, Auflage 50.000
  • Frei(e)Bürger: Freiburg, monatlich, Auflage 6000
  • HEMPELS: Kiel und Schleswig-Holstein, monatlich, Auflage 13.000
  • Hinz & Kunzt: Hamburg, monatlich, Auflage 55.000 [3]
  • Kippe: Leipzig, monatlich, Auflage 10.000
  • motz: Berlin 12.000 vierzehntäglich
  • Notausgang Jena: Jena
  • Parkbank: Braunschweig, monatlich, Auflage 3000
  • Pflaster: Halle an der Saale
  • Querkopf: Berlin, Köln, monatlich
  • Riss: Augsburg, alle 2 Monate, Auflage 4.000
  • strassenfeger: Berlin, Auflage 21.000 vierzehntäglich
  • Straßen Forum: Karlsruhe
  • Straßenkreuzer: Nürnberg-Erlangen-Fürth, sechsmal pro Jahr, Auflage 23.500
  • Strohhalm: 6-wöchentlich, Rostock, Auflage 7.000
  • Stütze: Berlin, Auflage 12.000
  • Tagessatz: monatlich, Göttingen, Kassel
  • Trott-war: Stuttgart, monatlich, Auflage 20.000
  • Straße ohne Ausweg?: Gifhorn, alle 2 Monate, Auflage 1000
  • Wohnungs-Looser: Michelstadt

Österreich

  • 20er: Innsbruck, monatlich (Juli/August und Dezember/Jänner jeweils eine Doppelnummer), Auflage 15.000
  • Apropos: Salzburg, monatlich, Auflage 10.000
  • Augustin: Wien, 14-täglich, Auflage 45.000
  • Die Bunte Zeitung: Wien, Graz, Salzburg monatlich
  • Eibischzuckerl: Wiener Neustadt, 2-monatlich, Auflage 6.000
  • Kupfermuckn: Linz, Wels, Steyr, monatlich, Auflage 10.000
  • Megaphon: Graz, monatlich, Auflage 15.000
  • Uhudla: Wien, 3 bis 4 mal jährlich, Auflage 10.000

Schweiz

  • Surprise: Zürich, Basel, Bern, St. Gallen, Auflage 23.000
  • GasseZiitig Lozärn, Luzern, Auflage 8.000 - 14.000

International

The Big Issue ist eine international bekannte und erfolgreiche Londoner Straßenzeitung, die von professionellen Journalisten geschrieben und meist von obdachlosen Menschen verkauft wird. Fünf verschiedene lokale Ausgaben werden in Großbritannien verkauft, weiters wurden Zeitungsprojekte in vier weiteren Ländern initiiert: Australien (vier verschiedene Ausgaben), Südafrika, Namibia und Japan.

Quellen

  1. Geschichte der Globetrotter
  2. ORF Meldung „Straßenzeitungen drucken erstes Kapitel“ (archive.org, abgerufen am 21. Mai 2008)
  3. http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/07/967075.html Beleg Hamburger Abendblatt 07.11.2008

Literatur

  • Maria Laura Bono : Straßenzeitungen. Lambertus Verlag, Freiburg in Breisgau 1999, ISBN 978-3784111599.

Weblinks


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