ORTF-Stereosystem

ORTF-Stereosystem

Als ORTF-Stereosystem bezeichnet man eine Anordnung von zwei Mikrofonen für die Tonaufnahme in Äquivalenzstereofonie zur Lautsprecherstereofonie.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Das ORTF-Stereosystem wurde um das Jahr 1960 von Toningenieuren des französischen Rundfunks (Radio France) entwickelt, der 1964 zum Office de Radiodiffusion Télévision Française = ORTF reorganisiert wurde.

Durch eine Reihe praktischer Versuche und Hörvergleiche fanden sie ein Stereo-Hauptmikrofonsystem, das aus zwei Kleinmembranmikrofonen in Nierencharakteristik besteht und eine recht gleichmäßige Verteilung der Phantom-Schallquellen auf der Stereo-Lautsprecherbasis als Hörereignisrichtung ergibt. Es fand sich hierbei ein Achsenwinkel zwischen den beiden Mikrofonen von α = ±55° = 110°, sowie eine Mikrofonbasis (Abstand der Mikrofonkapseln) von a = 17,0 cm.

Der wirksame Aufnahmebereich

Mikrofone in ORTF- Anordnung - Äquivalenzstereofonie

Der dadurch wirksame Aufnahmebereich des Mikrofonsystems beträgt ±48° = 96°. Bei der Bildung der jeweiligen Hörereignisrichtung wirken frequenzneutrale Interchannel-Pegeldifferenzen ∆ L und gleichsinnige Interchannel-Laufzeitdifferenzen ∆ t als Lautsprechersignale zusammen. Diese Aufnahmetechnik wird gemischte Stereofonie oder Äquivalenz-Stereofonie genannt. Somit wird gleichzeitig die Intensitätsstereofonie und die Laufzeitstereofonie angewendet. Das Verwenden dieser Signaldifferenzen wird mit Äquivalenz bezeichnet.

Üblicherweise muss dieses spezielle Mikrofonsystem (Mikrofonanordnung) vom Toningenieur aus zwei einzelnen Kleinmembranmikrofonen zusammengesetzt werden. Großmembranmikrofone oder solche mit Doppelmembran sollten wegen der frequentiell unausgeglichenen Richtcharakteristiken und der größeren Phasengänge nicht dazu verwendet werden.
Auch wenn es ratsam erscheint, selbst mit den beiden Parametern Achsenwinkel α für Δ L und Mikrofonbasis a für Δ t zu experimentieren, wozu es praktische Mikrofonhalterungen gibt, ist ein fest montiertes ORTF-Mikrofonsystem erhältlich. Eine weitere Mikrofonaufstellung in Äquivalenz-Stereofonie ist z. B. das NOS-Stereosystem.

Die Aufnahme

Eine Tonaufnahme mit einem Hauptmikrofonsystem wird häufig noch durch Stützmikrofone ergänzt. Nicht selten findet man als Abstand der Mikrofone voneinander die Angabe von 17,5 cm. Diese Abweichung ist zwar praktisch vollkommen unbedeutend, jedoch entspricht sie nicht dem authentischen Wert. Unter dem Namen ORTF-Anordnung kursieren darüber hinaus auch noch weitere ähnliche Winkel- und Abstandsverhältnisse bei Mikrofonsystemen. So ist eine Anordnung mit einer Mikrofonbasis von 30 cm und einem Achsenwinkel von ±45° = 90° durchaus gebräuchlich (NOS-Stereosystem).

Nicht zu vergessen ist das EBS-Stereosystem bei dem der eingestellte Winkel der Hauptachsen zwischen den Mikrofonen, also der Achsenwinkel α mit insgesamt 90° ganz genauso groß ist, wie der sich ergebende Aufnahmebereich des Mikrofonsystems. Das heißt dieses Mikrofonsystem muss im Abstand so vor dem Ensemble aufgestellt werden, dass die Mikrofon-Hauptachsen genau auf den Rand des Klangkörpers zeigen. Dann wird die Schallquelle gleichmäßig auf der Lautsprecherbasis verteilt von Lautsprecher zu Lautsprecher wiedergegeben. Diese Bedingung ist stets dann erfüllt, wenn das Mikrofonsystem sich in einem Abstand zum Klangkörper befindet, der die Hälfte der Klangkörperausdehnung beträgt.


Das ORTF-System ist demnach allein jenes mit den rein empirisch festgelegten Werten 17 cm und ±55° = 110°. Der an dieser Stelle wegen der scheinbaren Anschaulichkeit oft zitierte Ohrabstand beim menschlichen Kopf war hierbei ebenfalls nicht von Belang. Dieser Abstand hat auch generell bei der Gewinnung von Signalen für die Lautsprecherwiedergabe keine Bedeutung.

Das ORTF-System wird von manchen Tonverantwortlichen abgelehnt, weil der für die Räumlichkeit einer Aufnahme entscheidende Laufzeitanteil der Signale relativ gering ist. Vielfach wird dem NOS- oder EBS-System der Vorzug gegeben. Dieses schmälert nicht die Arbeiten der ORTF, Stereoaufnahmen zu vervollkommnen.

Literatur

  • Michael Dickreiter, Volker Dittel, Wolfgang Hoeg, Martin Wöhr, Handbuch der Tonstudiotechnik. 7. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Herausgegeben von der ARD.ZDF medienakademie, Nürnberg, 2 Bände, Verlag: K. G. Saur, München, 2008, ISBN 3-598-11765-5 oder ISBN 978-3-598-11765-7
  • Thomas Görne: Mikrofone in Theorie und Praxis. 8. Auflage, Elektor-Verlag, Aachen, 2007, ISBN 978-3-89576-189-8

Siehe auch

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