ODL-Messnetz

ODL-Messnetz
Zum Messnetz gehörende Sonde, hier mit Schautafel auf der Insel Helgoland

Das Gamma-Ortsdosisleistungs-Messnetz (ODL-Messnetz) ist ein vom deutschen Bundesamt für Strahlenschutz betriebenes Messsystem für Radioaktivität, das die Orts-Dosisleistung am Messort bestimmt.

Inhaltsverzeichnis

Zweck und Ziel

Das Messnetz dient dem Schutz der Bevölkerung im radiologischen Notfall und ermöglicht darüber hinaus eine Dokumentation der Strahlenbelastung der Bevölkerung in Deutschland. Das Messnetz ist Teil des IMIS und dient dazu, schnell vor erhöhter Gammastrahlung in der Atmosphäre etwa durch einen Schadensfall in einem Kernreaktor zu warnen. Nach Freisetzung einer Wolke kann die Ausbreitung und die Stärke der Strahlung mit Hilfe des Messnetzes genau bestimmt werden. Mit den gemessenen Werten lassen sich mit Hilfe von Simulationen Prognosen erstellen, die direkt in den Notfallschutz eingehen. Rechtsgrundlage ist § 2 Absatz 1 des Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG).

Netzknoten und Messstellen

Das ODL-Messnetz besteht aus sechs Messnetzknoten in Berlin, Bonn, Freiburg, Neuherberg bei München, Rendsburg und Salzgitter, die die rund 1800 (Stand 2010) automatisch arbeitenden Messstellen betreuen. Die Sonden sind flächendeckend über ganz Deutschland verteilt sind, das heißt etwa alle 20 Kilometer steht eine Sonde, wobei die Sondendichte im Radius von 100 km um die Kernkraftwerke dichter, außerhalb geringer ist. Das Konzept der Grenzverdichtung wurde im Rahmen der Messnetzreduzierung im Jahr 2007 aufgegeben. Durch den Datenaustausch im europäischen Rahmen (ECURIE und EURDEP) sind mögliche Erhöhungen der Ortsdosisleitung bzw. der Weg einer Wolke schon durch die Messnetze der Anrainerstaaten bekannt. Auch einige Bundesländer betreiben eigene Gamma-Ortsdosisleistungs-Messnetze, diese dienen der Kernreaktorfernüberwachung (KFÜ) und sind auf den 25 km Radius um den jeweiligen Reaktor begrenzt.

Sondenfunktionen

Sonde neuer Bauart, auf der Insel Vilm, im Hintergrund eine meteorologische Messstelle der Firma Meteomedia

Jede Sonde des BfS Messnetzes beinhaltet zwei Geiger-Müller-Zählrohre, die die Dosisleistung einen Meter über dem Boden messen. Der Messbereich reicht von 5 nSv/h bis 5 Sv/h. Die Sonde ist per Kabel mit jeweils einem Messwertsender verbunden. Durch das Kabel laufen sowohl die Messergebnisse von der Sonde als auch die Stromversorgung für die Sonde. Um die Messwerte der Stationen miteinander vergleichen zu können, werden die Sonden möglichst auf einer ebenen Wiese aufgestellt, die im Umkreis von ca. 20 m frei von weiterem Bewuchs ist. Um geeignete Standorte zu finden ist das BfS auf die Unterstützung von öffentlichen sowie privaten Gestattern angewiesen.

Aus den Messergebnissen werden 10-Minuten- und 2-Stunden-Mittelwerte gebildet, die dann per Modem über das Telefonnetz automatisch meist einmal pro Tag von dem zuständigen Messnetzknoten abgerufen werden. Bei Überschreitung eines Grenzwertes oder bei technischen Störungen wird von dem Messwertsender sofort eine automatische Meldung abgegeben. Die Rechnersysteme in den Messnetzknoten sind parallel ausgelegt. Bei Ausfall eines Messnetzknoten kann ein anderer Knoten die Aufgabe mit übernehmen, so dass die Überwachung der Ortsdosisleistung auch im Krisenfall unter allen Umständen garantiert ist. Im Intensivbetrieb, etwa im Katastrophenfall, wird jede Messstelle alle 10 Minuten abgefragt.

Im Messnetz sind zurzeit drei Generationen von Messwertsendern vorhanden, die ersten DLM1420 von Technidata wurden im Jahr 1987 angeschafft. Ab 1999 wurde ein Teil des Messnetzes mit DLM1450 erneuert. Da die natürliche Radioaktivität überall unterschiedlich ist, wird der Grenzwert für jede Station individuell festgelegt. Die nächste Generation von Messwertsendern (MWS3) die vom BfS in Eigenleistung entwickelt wurde, berechnet sich die Grenzwerte selbst und ist so auch in der Lage, Änderungen in der ODL etwa durch Schneebedeckung zu berücksichtigen und den Grenzwert den neuen Gegebenheiten anzupassen. Des Weiteren verfügen die MWS3-Messwertsender über verbesserte Kommunikationsprotokolle, die Datenaustausch auch über GPRS/GSM (Mobilfunkverfahren) und direkt über das Internet unterstützen. Die Umrüstung der Systeme, bei der die DLM1420 ersetzt werden, hat im Jahr 2006 begonnen; die alten Sonden können nach Modifikation der Datenschnittstelle weiterhin verwendet werden. Die neue Kommunikation zwischen Messwertsender und Sonde ermöglicht auch die Detektion von technischen Störungen der Sonde, da jetzt mehr Informationen aus der Sonde berücksichtigt werden.

Auf dem Berg Schauinsland bei Freiburg im Breisgau betreibt das BfS ein Messfeld auf dem die Messergebnisse von bis zu 24 ODL-Sonden parallel unter kontrollierten Bedingungen miteinander verglichen werden können. Bei diesem internationalen Langzeit-Vergleich sind Sonden aus Deutschland, Niederlanden, Frankreich, Österreich, Finnland sowie einige BfS-Prototypen beteiligt. Des Weiteren wird an dieser Station die Einhaltung des internationalen Kernwaffenteststopp-Vertrags mit Hilfe einer Spurenmessstationen für Radioaktivität in der Luft überwacht.[1]

Ähnliche Messnetze in anderen Ländern

In der Schweiz betreibt die Nationale Alarmzentrale (NAZ) des Bundesamts für Bevölkerungsschutz BABS ein NADAM-Messnetz genanntes ODL-Messnetz.[2]

In Österreich wird das Strahlenfrühwarnsystem vom Lebensministerium betrieben. Die Werte können auch auf der ORF-Teletextseite 623 abgerufen werden.[3]

In Südtirol ist das Labor für physikalische Chemie der Umweltagentur der Provinz Südtirol für ODL-Messstellen zuständig.[4]

In Slowenien betreibt die Nuclear Safety Administration ein Messnetz.[5]

Die Daten aller Europäischen Messnetze werden in der EURDEP (European Radiological Data Exchange Platform) Datenbank gesammelt und vom JRC (European Commission Joint Research Centre) in Ispra, veröffentlicht. Dort können diese im Einzelnen angesehen werden.[6]

Die Strahlenwerte in Japan können über die Website von Target Map nachgesehen werden.[7]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1] Pressemitteilung des BfS vom 21. Juni 2005
  2. NAZ - Messwerte Radioaktivität. Abgerufen am 11. August 2010.
  3. Lebensministerium - Messwerte aus dem Strahlenfrühwarnsystem. Abgerufen am 11. August 2010.
  4. Radioaktivität in Südtirol - Aktuelle Werte. Abgerufen am 11. August 2010.
  5. EXTERNAL RADIATION. Abgerufen am 26. März 2011.
  6. EURDEP ArcIMS. Abgerufen am 27. März 2011.
  7. Japan Radiation Maximum by Prefecture. Abgerufen am 26. März 2011.

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