Nußdorfer Wehr- und Schleusenanlage

Nußdorfer Wehr- und Schleusenanlage

Die Wehr- und Schleusenanlage im Wiener Stadtteil Nußdorf ist eine wasserbauliche Einrichtung an jener Stelle, wo der Donaukanal von der Donau abzweigt. Sie wurde aufgrund eines im Juli 1892 erlassenen Gesetzes erbaut, das den zeitgleichen Bau der Wiener Stadtbahn und die Umwandlung des Donaukanals in einen Handels- und Winterhafen vorsah.

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden das Nußdorfer Wehr und die Nußdorfer Schleuse gerne miteinander gleichgestellt, obwohl es sich bei ihnen um zwei getrennte Bauwerke handelt, deren Errichtung aber einem gemeinsamen Zweck diente.

Nußdorfer Wehr, Verwaltungsgebäude und Schemerlbrücke
Pylon mit dem Namen der Brücke und Laterne

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Bauwerke liegen an der Rückseite des Nußdorfer Bahnhofs der Franz-Josefs-Bahn. Obwohl sie dem Namen nach dem 19. Wiener Gemeindebezirk (Döbling) zugerechnet werden, liegen sie tatsächlich aber im 20. Wiener Gemeindebezirk (Brigittenau, Am Brigittenauer Sporn).

Vorgängerbauwerk

Bevor die Wehr- und Schleusenanlage in Nußdorf erbaut wurde, schützte das von Wilhelm Freiherr von Engerth konstruierte Schwimmtor den Donaukanal vor allem vor Treibeis und weitgehend auch vor Hochwässern. Nach der Fertigstellung des Nußdorfer Wehrs blieb das Schwimmtor, das bisher den Donaukanal geschützt hatte, noch bis in den Ersten Weltkrieg in Dienst. Verschrottet wurde es erst 1945.

Nußdorfer Wehr- und Schleusenanlage

Die Wehr- und Schleusenanlage Nußdorf und das Kaiserbadwehr waren die einzigen wasserbautechnischen Bauwerke, die für die Verwirklichung des geplanten Hafens im Donaukanal in die Realität umgesetzt wurden. Die beiden weiteren geplanten Wehr- und Schleusenanlagen sollten bei der Ostbahnbrücke und unmittelbar vor dem Freudenauer Hafen errichtet werden.

Notwendig wurde der Bau dieser Anlage, um die Neubauten am Donaukanal (Stadtbahn, Sammelkanäle und später den Hafen mit den Schiffen) vor Hochwässern und Eisstößen zu schützen, andererseits aber für die Schifffahrt genügend Wasser in den Kanal zu lassen. Das Schwimmtor von Wilhelm Freiherr von Engerth erfüllte zwar den Schutz vor Eisstößen zufriedenstellend, die zulaufende Wassermenge ließ sich damit aber nur sehr schlecht regulieren. Vor allem wegen der entlang des Donaukanals errichteten Sammelkanäle durfte der Wasserstand nur um 80 Zentimeter steigen.

Nußdorfer Wehr

Die Löwen am Nußdorfer Wehr

Das Nußdorfer Wehr wurde zwischen August 1894 und 1899 errichtet. Die Mauerwerke wurden 1897 fertig gestellt und im August 1898 die Montage der Stahlkonstruktion. Das Verwaltungsgebäude und das Kettenmagazin folgten 1899. Als künstlerischer Beirat der Verkehrskommission erarbeitete Otto Wagner die Pläne für die architektonische Gestaltung des Wehrs mit der Schemerlbrücke, seinen Nebengebäuden und (möglicherweise) der Schleusenanlage, während die technische Planung von Sigmund Taussig stammt. Aufgrund der exponierten Lage – an der Abzweigung des Donaukanals von der Donau zum Stadtzentrum von Wien – sah Otto Wagner das von ihm gestaltete Wehr (technisch ein „Nadelwehr“, aber auch ein „Brückenwehr“) als Stadttor und stattete es dementsprechend repräsentativ mit machtvollen Pylonen aus, die Löwenfiguren aus Bronze von Rudolf Weyr tragen. Diese Löwen waren Modell für das Firmenlogo von Gräf & Stift.

Seine erste Belastungsprobe bestand das Nußdorfer Wehr beim Hochwasser von 1899, als eine Überflutung der Gebiete am Donaukanal verhindert wurde.

Im Zuge von Verbesserungen des Donauhochwasserschutzes wurde zwischen 1971 und 1975 das Nadelwehr durch ein modernes Segmentwehr, bestehend aus dem Wehr und den Schützen (heb- und senkbaren Verschlüssen der Wehranlage, welche bis auf die Gewässersohle abgesenkt werden können) ersetzt. Zwischen 2004 und 2005 wurde unterhalb der Wehranlage das Kraftwerk Nußdorf ohne äußere sichtbare Veränderungen des historischen Gesamtbildes errichtet. 12 Turbinen produzieren etwa 28 Gigawattstunden pro Jahr und decken damit den Strombedarf von ungefähr 10.000 Haushalten. Verwirklicht wurde dieses Gemeinschaftsprojekt von Wien Energie, EVN und der Verbund-Austrian Hydro Power AG (AHP).

Schemerlbrücke

Die Schemerlbrücke

Namensgeber war Josef Schemerl Ritter von Leytenbach, k. k. Hofrat und Hofbauratsdirektor, der 1810 das erste (und nicht verwirklichte) Projekt einer Donauregulierung ausarbeitete. Er starb 1844.

Der Name der Brücke wird in verschiedenen Schreibweisen angegeben:

  • Im Landesgesetzblatt Nummer 34/1996 wird in der Festlegung der neuen Bezirksgrenze zwischen dem 19. und 20. Bezirk die „Josef-von-Schemmerl-Brücke“ genannt.
  • Laut „Amtliches Wiener Straßenverzeichnis – 16. aktualisierte Auflage“ handelt es sich um die „Schemmerlbrücke“.
  • Die Aufschrift auf einem der Pylone verkündet den Namen „Schemerlbrücke“.
  • Verschiedene Stadtpläne von Wien benennen diese Brücke entweder als „Josef von Schemerl-Brücke“ oder „Schemerlbrücke“.
  • Das von der für Brücken zuständigen Magistratsabteilung MA 29 herausgegebene Buch „Querungen. Brücken - Stadt - Wien“ schreibt in dem enthaltenen Verzeichnis der Wiener Brücken von der „Schemerlbrücke“, daher ist anzunehmen, dass dies der korrekte Name ist.

Die als Fachwerkbrücke zwischen 1894 und 1898 errichtete Brücke überspannt mit ihren 49 Metern Spannweite neben dem 40 Meter breiten Wasserdurchlass auch den neun Meter breiten Treppelweg. Ihre Errichtung war für die Wehranlage aus statischen Gründen wichtig, denn die drei Hauptträgerwände sowie der starke horizontale Träger nahmen den Wasserdruck und das Eigengewicht der Brücke auf (aus diesem Grund wird das Wehr auch als Brückenwehr bezeichnet), deshalb wurde sie auch als doppelte Fachwerkbrücke mit drei Hauptwänden errichtet. Sie wurde aber auch für den technischen Betrieb der Wehranlage benötigt.

Im April 1945 wurde sie wie die anderen Donaukanalbrücken durch eine Sprengung unbenutzbar gemacht. Im Jahr 1947 wurde zunächst ein Holzsteg errichtet, um Fußgängern das Überqueren des Donaukanals ermöglichte. Zwischen 1953 und 1955 wurden die Kriegsschäden behoben und 1978 erfolgte eine gründliche Sanierung.

Nußdorfer Schleuse

Die Nußdorfer Schleuse

Im Gegensatz zum Nußdorfer Wehr ist von der Nußdorfer Schleuse nur sehr wenig bekannt. Baubeginn für die Nußdorfer Schleuse war ebenfalls im August 1894. Errichtet wurde nicht nur die Kammerschleuse mit 85 Metern Länge und 15 Metern Breite, neu anzulegen war auch der Kanal mit 20 Metern Breite, einer Tiefe von etwa 3,5 Metern und einer Böschungsneigung von 1:2 1/2, der deren Nutzung erst möglich machte. Dieser Kanal machte die Errichtung von zwei Eisenbahnbrücken für die Donauuferbahn sowie einer Straßenbrücke („Nußdorfer Schleusenbrücke“) für die Verbindung Nußdorf – Handelskai notwendig. Unklar ist, ob auch diese Schleuse von Otto Wagner gestaltet wurde, wie sie vor allem den Zweiten Weltkrieg überstand und warum sie – wie der Dehio knapp erwähnt – zwischen 1964 und 1966 umgebaut wurde (Vermutlich war sie für die modernen Schiffe zu klein und technisch veraltet.).

Am 25. November 1966 vermeldete jedenfalls die Rathauskorrespondenz, dass an diesem Tag der Stadtrat Kurt Heller die vollständig mechanisierte und mit von der VÖEST gefertigten Hubschwenktoren ausgestattete Anlage ihrer Bestimmung übergeben hat.

Um die Schleusenkammer auch dann noch mit genügend Wasser zu versorgen, wenn die Umlaufkanäle mit Eis blockiert waren, wurde ein Alimentierungskanal errichtet.

Verwaltungsgebäude

Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Wehr- und Schleusenanlage Nußdorf, heute Sitz der via donau

Beim neben dem Nußdorfer Wehr mit der Schemerlbrücke nach Plänen von Otto Wagner erbauten Verwaltungsgebäude handelt es sich um einen drei- bis viergeschossigen secessionistischen Bau. Auf dem weit vorkragendem Dach befindet sich ein Dachaufsatz, der als Beobachtungsstation diente.

Kettenmagazin

Das Kettenmagazin der Wehr- und Schleusenanlage Nußdorf

Das Kettenmagazin befindet sich südlich des Verwaltungsgebäudes und ist als ein- bis zweigeschossiger Bau ausgeführt.

Literatur

  • Donauregulierungs-Kommission in Wien: Die Wehr- und Schleusenanlage im Wiener Donaukanal bei Nußdorf. Wien 1911, aus der k.k. Hof- und Staatsdruckerei
  • Bertrand Michael Buchmann u.a.: Der Donaukanal - Geschichte-Planung-Ausführung. Magistrat der Stadt Wien, Wien 1984
  • Raimund Hinkel: Wien an der Donau. Der große Strom, seine Beziehungen zur Stadt und die Entwicklung der Schiffahrt im Wandel der Zeiten. Christian Brandstätter Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien 1995, ISBN 3-85447-509-8
  • Walter Hufnagel (Herausgeber: MA 29 – Brückenbau – Grundbau, Stadt Wien): Querungen. Brücken – Stadt – Wien. Verlag Sappl, Kufstein 2002, ISBN 3-902154-05-5

Weblinks

48.25916666666716.3691666666677Koordinaten: 48° 15′ 33″ N, 16° 22′ 9″ O


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