Nikolaus Hesse

Nikolaus Hesse
Nikolaus Hesse

Nikolaus Hesse (* 24. September 1794 in Lichtenau; † 30. Dezember 1868 in Brilon), war ein deutscher Beamter (Kantonsbeamter in Rösebeck im damaligen Kreis Warburg), ehe er nach Nordamerika auswanderte. Nach seiner Rückkehr war er Bürgermeister in und Ehrenbürger von Brilon und Mitglied der preußischen Nationalversammlung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über sein frühes Lebens ist wenig bekannt. Er nahm an der Schlacht von Waterloo teil und erhielt dabei die Ernennung zum Offizier. Er war Kompanieführer im 5. Westfälischen Landwehrregiment.[1] Danach war er Verwaltungsbeamter und Rentmeister im Amt Warburg. Er hatte sein Auskommen, litt aber an der drückenden sozialen Not der Region. Offenbar hat er sich dazu öffentlich geäußert und ihm drohten staatliche Repressionen.

Auswanderung in die USA

Zusammen mit seiner großen Familie wanderte er 1835 nach Amerika aus. Neben Nikolaus Hesse und seiner Ehefrau Maria gehörten die sechs zwischen 1822 und 1832 geborenen Töchter sowie Hesses 12 Jahre älterer, ebenfalls aus Lichtenau stammender Bruder Joannes zur Auswanderergruppe. Ihr Ziel war das damals westlichste Territorium der USA, der Bundesstaat Missouri. Zusammen mit sechs anderen Familien beteiligte sich Hesse am Kauf von Blockhäusern und Besitzungen, die von ihren Besitzern verlassen worden waren. Er gehörte damit zu den Gründern des Ortes Westphalia (Osage County).[2] In dieser Zeit betätigte er sich als Farmer und Viehzüchter.

Später veröffentlichte er ein umfangreiches Buch, in dem er seine Beobachtungen über Wirtschaft, Leben, Kultur, Religion, Pressewesen und Verhalten der Amerikaner mitteilte. Dabei zeigt sich wie fremd ihm die Lebensweise der Einheimischen vielfach war. Empört war er über die Sklaverei. Ein wenig positives Bild zeichnete er von den Indianern. Begeistert sprach er über den technischen Fortschritt im Land. Da das Buch auch als Ratgeber für Auswanderer gedacht war, enthielt es genau Angaben zum Aufbau und Erhalt einer Farm. In einem Fazit, gedacht für künftige Einwanderer, warnt er vor allzu großen Erwartungen, ohne aber von einer Auswanderung aus Deutschland abzuraten. Einem Teil der Auflage seines Buches wurde die von Hesse gezeichnete, von P. Herle in Paderborn gedruckte Karte „Deutsches Sogen. Westfalen-Settlement im Missouri-Staate am Osage“ beigefügt. Darauf ist auch Hesses Anwesen am „Maria-Creek“ (Maries River), einem Zufluss des Osage, dargestellt. Zu den ebenfalls aus Deutschland emigrierten Nachbarn der Familie Hesse zählten der aus Oelde in Westfalen ausgewanderte Arzt Dr. Bernhard Bruns (1798–1864) und seine Frau Henriette („Jette“) Bruns (1813–1899).

Hesses Ehefrau Maria litt in Missouri an der Trennung von ihrer gewohnten Umgebung und durchlebte schwere Depressionen. Dazu dürfte auch der Tod des 1834 geborenen Sohnes Victor drei Monate vor der Auswanderung beigetragen haben. Nach nur etwa zwei Jahren kehrte die Familie 1837 nach Deutschland zurück. Unterwegs in den USA starben sowohl Hesses Bruder Joannes („kaltes Fieber“) als auch der in Westphalia geborene jüngste Sohn, der „am Zahnen erkrankt“ war. Obwohl die Familie den Rückweg nach Deutschland angetreten hatte, steigerte sich das Heimweh Maria Hesses zu einer lebensgefährlichen Krankheit.

Vermutlich auf Vermittlung des westfälischen Oberpräsidenten Ludwig Freiherr von Vincke (1774–1844), der Hesses Arbeit als Kantonsbeamter geschätzt hatte, wurde der Rückkehrer zunächst Rentmeister des Freiherrn von Fürstenberg (Herdringen) in Dahlhausen bei Menden im Sauerland. 1841 kehrte Hesse als Bürgermeister von Brilon in den Kommunaldienst zurück. Er blieb in diesem Amt bis 1865. Daneben arbeitete er nach seiner Rückkehr als Redakteur des Briloner Wochenblattes.

Politik 1848/49

Während der Revolution von 1848/49 spielte er eine maßgebliche Rolle im Raum Brilon. Beruhend auf seinen Erfahrungen in den USA verglich er im Wochenblatt immer wieder die liberalen Eigentumsverhältnisse in den USA mit den noch stark gutsherrlich geprägten Verhältnissen im Sauerland. Zu Beginn der Revolution versuchte er die Gründe für die teilweise gewalttätigen Unruhen in Brilon und bei der Landbevölkerung zu analysieren. Als Bürgermeister machte er eine Reihe von Konfliktpunkten aus. Der erste Komplex betraf danach die gutsherrlichen Abgaben und Gefälle, der zweite die Hude- und Weideberechtigung in gutsherrlichen und gemeindlichen Forsten, der dritte die Forderung nach den alten Rechten und alle „besseren, durch den Fortschritt der Zeit gebotenen Einrichtungen zu beseitigen; kurz das Alte wieder herzustellen, wie vor 100 Jahren, und stille zu stehen, wie die heidnischen Chinesen heute noch auf der Stufe stehen, wie vor 2000 Jahren“. Der vierte Punkt betraf das Personal und die Kosten der Kommunalverwaltungen. Als fünften Punkt nannte er den Mangel an Arbeit und Verdienst, als sechsten die neuere Kommunalverfassung, der man häufig das alte Selbstverwaltungsrecht der kurkölnischen Ära entgegensetzte.

Die übergreifende Ursache sah Hesse in einem strukturellen Konflikt zwischen Modernisierern und Traditionalisten. In Brilon beharrten danach die Traditionalisten darauf, ungeordnet ihr Vieh in die Wälder zu treiben. Durch die Zunahme der Bevölkerung könnten die Wälder diese Belastung nicht ertragen. Daher seien rund um die Stadt Heide- und Ödland entstanden. Er selbst sah sich dabei als Vertreter des Fortschritts, der gerade auch die Modernisierungsanstrengungen der preußischen Verwaltung positiv würdigte. „Alles treibt voran zu einer besseren Zeit; es ist dies der Kampf unseres jetzigen Zeitalters; jene aber wollen quer und rückwärts treiben.“[3]

Das von ihm redigierte Wochenblatt druckte am 22. April 1848 Empfehlungen zur Auswahl der „rechten Männer“ ab, die für ein Abgeordnetenmandat in Frage kämen. 1. Der Deputierte darf das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen und muss die Verfassung sowie die Einheit des Vaterlandes wollen, 2. er muss ein Mann des Volkes sein, 3. ein redlicher und wahrheitsliebender Mensch sein, 4. muss Dinge im Kreis und in der Welt kennen.[4]

Hesse hat sich damit offenbar selbst gemeint. Er kandidierte mit Erfolg für die preußische Nationalversammlung in Berlin. Er selbst sah sich im politischen Spektrum im Lager der gemäßigten Liberalen. Anlässlich seiner Abreise als Abgeordneter nach Berlin erklärte er: „Zu Wühlern und Radikalen gehöre ich nicht, aber ebenso wenig bin ich reaktionären Bestrebungen zugetan, die den Fortschritt hemmen.“[5] Auch von Berlin aus schrieb er weiterhin für die lokale Presse in Brilon. Als im Herbst 1848 die Gegenrevolution erstarkte und die Nationalversammlung die Steuerverweigerungskampagne ausrief, bezeichnete Hesse in einem von ihm veröffentlichten Flugblatt die Demokraten als Feinde des Volkes, die „Aufruhr, Widersetzlichkeit und Anarchie predigten.“[6]

Tätigkeit als Bürgermeister

In seiner langen Amtszeit als Bürgermeister war er für Veränderungen in der Stadt Brilon maßgeblich verantwortlich. In seine Zeit fällt der Ausbau der Straßen, ein Krankenhaus sowie ein Waisenhaus wurden erbaut. Das bisherige Progymnasium Petrinum wurde in ein vollwertiges Gymnasium umgewandelt. Ebenso wurden eine neue Kirche und ein Pastorat errichtet.

Über seine Amttätigkeit hinterließ Hesse mehrere gedruckte Rechenschaftsberichte. Außerdem verfasste er eine Chronik Brilons für die neuere Zeit.[7] Bereits in den 1840er Jahren hat er das Stadtarchiv geordnete und verzeichnet.[8]

Einzelnachweise

  1. Vergangene Zeiten von Gerhard Brökel, Geschichten aus Brilon Band 1, ISBN 3-86133-341-4
  2. Wolfgang Stüken: Warum die Bewohner von Westphalia, Missouri, Probleme mit dem „Mondschein“ hatten
  3. Wochenblatt für den Kreis Brilon 18/1848 (29. April 1848)
  4. Wochenblatt für den Kreis Brilon 17/1848 (22. April 1848)
  5. Wochenblatt für den Kreis Brilon 45/1848 (4. November 1848)
  6. Ein Exemplar befindet sich in: Staatsarchiv Münster Kreis Meschede 2348
  7. Abgedruckt in: Geschichtliche Aufzeichnungen über Brilon. Brilon, 2000. ISBN 3-86133-259-0
  8. Archive im deutschsprachigen Raum. 2. Aufl. Walter de Gruyter, 1974 S.149

Schriften

  • Das westliche Nordamerika in besonderer Beziehung auf die deutschen Einwandererer in ihren landwirtschaftlichen, Handels- und Gewerbeverhältnissen. Paderborn, 1838.

Literatur

  • Erika Richter: Nikolaus Hesse: Das Missouri-Abenteuer 1835 bis 1837. In: Jahrbuch Hochsauerlandkreis. 2005. S.32-38
  • Wolfgang Stüken: "Der fast vergessene Pionier von Westphalia – Nicolaus Hesse aus Lichtenau zählt zu den Gründern einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Missouri“. In: Die Warte. Heimatzeitschrift für die Kreise Paderborn und Höxter. 68. Jg. Nr. 135/Herbst 2007. S. 23-30.

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