Arterielle Verschlusskrankheit

Arterielle Verschlusskrankheit
Klassifikation nach ICD-10
I73.9 Periphere Gefäßkrankheit, nicht näher bezeichnet
Arterielle Verschlusskrankheit (AVK)
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Bei der arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) oder peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) (englisch peripheral artery occlusive disease, PAOD), umgangssprachlich auch „Schaufensterkrankheit“ handelt es sich um eine Störung der arteriellen Durchblutung der Extremitäten. Sie entsteht durch Einengung (Stenose) oder Verschluss (Okklusion) der Hauptschlagader (Aorta) oder der die Extremitäten versorgenden Arterien. Die Hauptursache ist mit etwa 95 % die Arterienverkalkung, die so genannte Arteriosklerose. Daneben sind es vor allem entzündliche Gefäßkrankheiten, die eine arterielle Verschlusskrankheit hervorrufen können. Die Erkrankung gehört zu den chronischen Gefäßkrankheiten der Arterien. Zur Abgrenzung von akuten Verschlüssen der Arterien und anderen chronischen durch Arteriosklerose hervorgerufen Erkrankungen wie beispielsweise der koronaren Herzkrankheit wird sie daher auch als chronische arterielle Verschlusskrankheit der Extremitäten bezeichnet.

Die arterielle Verschlusskrankheit befällt überwiegend die Arterien der unteren Extremität. Die Beschwerden der Betroffenen sind vom Stadium der Krankheit abhängig, und reichen von subjektiver Beschwerdelosigkeit (asymptomatisches Stadium) über belastungsabhängige Schmerzen mit Einschränkung der Gehstrecke (Claudicatio intermittens) bis hin zur amputationspflichtigen Gangrän. Rund 4,5 Millionen Menschen deutschlandweit leiden nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Angiologie derzeit an einer PAVK.[1]

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Ursache ist meist eine Arteriosklerose. Andere Ursachen sind selten (wiederkehrende Embolien, Gefäßentzündungen oder arterielle Entrapment-Syndrome). Hauptrisikofaktoren für die Entstehung der Arteriosklerose in den Beinen sind Nikotinkonsum, Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), hoher Blutdruck (arterielle Hypertonie), Fettstoffwechselstörungen und Vererbung.

Symptome

Die AVK verläuft anfangs oft ohne Beschwerden. Später treten Schmerzen nach längerer Gehstrecke auf, oft zusammen mit einem einseitig kalten Fuß oder Bein. Das Fortschreiten der Erkrankung zeigt sich in der Verkürzung der Zeitspanne zwischen Beginn der Belastung und Auftreten der Beschwerden. Die Lokalisation der Schmerzen (Waden-, Oberschenkel-, Gesäßmuskulatur) lässt auf die Höhe der Engstellung (Stenose) oder des Verschlusses (Thrombose, Embolie) im Gefäß schließen.

Stadien

Nach dem Schweregrad der Symptome wird die pAVK in verschiedene Stadien eingeteilt. Verbreitet sind die Klassifikation nach Fontaine und die Klassifikation nach Rutherford. Während die Fontaine-Klassifikation vor allem im deutschsprachigen Raum Verwendung findet, ist die Rutherford-Klassifikation im angloamerikanischen verbreitet. Darüber hinaus wird die Rutherford-Klassifikation bevorzugt für Einteilung von akuten Verschlüssen der Extremitäten eingesetzt. Die folgende Tabelle stellt die beiden Klassifikationssysteme vergleichend dar:

Vergleich der Klassifikationen zur arteriellen Verschlusskrankheit
Klassifikation nach Fontaine
Klassifikation nach Rutherford
Stadium
Symptome
Stadium
Symptome
I asymptomatische AVK 0 asymptomatische AVK
II Claudicatio intermittens

- bei Gehstrecke > 200 Meter (Stadium IIa)
- bei Gehstrecke < 200 Meter (Stadium IIb)

1 geringe Claudicatio intermittens,
Doppler > 50 mmHg
2 mäßige Claudicatio intermittens
3 schwere Claudicatio intermittens,
Doppler < 50 mmHg
III Ruheschmerzen 4 Ruheschmerzen
IV Nekrose, Gangrän
5 distale atrophische Läsion
mit akralem Gewebsuntergang
6 Nach proximal ausgehende Läsion,
(über das Niveau der Mittelfußknochen hinausgehend)

|Einteilung Stadium II. a im Rehasport (nach Artner)

- Stadium II. a bis 1000 (Gehstrecke von 200 bis 1000 Meter)
- Stadium II. a 1000 Plus (Gehstrecke über 1000 Meter in 10 Minuten)

Diagnostik

Die Diagnose sowie die Bestimmung des Schweregrades einer chronischen arteriellen Verschlusskrankheit stellt in der Regel keine Schwierigkeiten dar und kann in der Regel allein durch eine Befragung des Patienten im Rahmen einer Anamnese sowie durch eine körperliche Untersuchung gestellt werden. Ergänzende, insbesondere apparative Untersuchungsmethoden, spielen vor allem eine Rolle für die Therapieplanung bei einer höhergradigen arteriellen Verschlusskrankheit.

Basisdiagnostik

Anamnese

Im Rahmen der Anamnese wird der Schwerpunkt auf die Erfragung von Risikofaktoren für Arteriosklerose und damit verbundene Begleiterkrankungen sowie die typischen Beschwerden der arteriellen Verschlusskrankheit, wie belastungsabhängige Schmerzen in den Extremitäten, Claudicatio und Dyspraxia intermittens sowie Ruheschmerzen, gelegt.

Körperliche Untersuchung

Die arterielle Durchblutung wird durch Abtasten (Palpation) der Pulse an den Extremitäten im Seitenvergleich und durch Abhören (Auskultation) von eventuell vorhandenen Gefäßgeräuschen über den Arterien beurteilt.

Zur Erhebung des Pulsstatus gehören die Palpation der Arteria radialis und Arteria ulnaris am Handgelenk sowie der Arteria femoralis in der Leistenregion, der Arteria poplitea in der Kniebeuge, der Arteria tibialis posterior hinter dem Innenknöchel des Fußes und der Arteria dorsalis pedis am medialen Fußrücken.

Weitere Untersuchungen:

Erweiterte Diagnostik

  • Bildgebende Verfahren wie die Digitale Subtraktionsangiographie, die Magnetresonanz-(MR)-Angiografie oder die CT-Angiographie werden eingesetzt, um die genaue Lage und Ausdehnung der Verengungen für den operativen Eingriff festzustellen. Die farbkodierte Dopplersonografie ist mit modernen, hochauflösenden Geräten ebenfalls gut geeignet. Die einfache Dopplersonografie dient zur Ermittlung des Doppler-Index (Quotient aus Verschlussdruck der Fußarterien und dem größeren des an beiden Armen gemessenen systolischen Blutdrucks). Er besitzt eine gewisse Relevanz für die Therapieentscheidung.

Therapie

  • Ausschalten der Risikofaktoren: Verzicht auf Nikotin, Einstellung des Bluthochdrucks und des Diabetes, Senkung des Cholesterins
  • Gehtraining: kontrolliertes Gehen bis zur Schmerzschwelle, um durch Verbesserung der Kollateralen die schmerzfreie Gehstrecke zu verlängern.
  • Rollübung nach Ratschow: Fußkreisen in Rückenlage mit erhobenen Beinen, anschließend werden die Beine ruckartig wieder auf den Boden gestellt.

Des Weiteren sollten Menschen mit pAVK Bewegung nicht meiden. Ausdauersport ist die beste Möglichkeit Risikofaktoren zu minimieren, koronaren Herzkrankheiten vorzubeugen und einer Ausweitung des Krankheitsbildes entgegen zu wirken. Ausdauersport ökonomisiert die Herzleistung, senkt Puls und Blutdruck, senkt das Cholesterin LDL, bildet Kollateralen,erhöht die Anzahl der Mitochondrien und stellt somit mehr Sauerstoff zur Verfügung und erhöht das allgemeine Wohlbefinden. Die konservative Therapie ist max. bis Fontaine-Stadium 2b möglich.

Umgangssprachliche Synonyme

Claudicatio intermittens

Der Begriff Claudicatio intermittens ist lateinisch und setzt sich aus Hinken (lat. claudicare = hinken) und Unterbrechen (lat. intermittere = unterbrechen) zusammen. Er beschreibt somit das Phänomen, dass bei Patienten mit peripherer arterieller Veschlusskrankheit beim Gehen das Gangbild anfänglich noch normal ist, nach einer bestimmten Zeit wegen der mangelhaften Blutversorgung aber ein Hinken auftritt. Unterbricht dann der Patient das Gehen und gönnt sich eine Erholungspause, ist sein Gangbild wieder normal ohne Hinken, bis sich wieder die Unterversorgung bemerkbar macht.

Schaufensterkrankheit

Da betroffene Patienten im Stadium II beim Gehen oder Laufen des Öfteren anhalten müssen, bis die Schmerzen wieder abgeklungen sind, entstand der Begriff „Schaufensterkrankheit“, weil Betroffene aus Scham oder zur Ablenkung bevorzugt vor Schaufenstern stehen bleiben.

Raucherbein

Auf Grund des erhöhten Risikos von Rauchern sind diese überproportional häufig von der arteriellen Verschlusskrankheit betroffen. Eine konkrete Zuordnung besteht nicht immer, da auch Nichtraucher an der AVK erkranken (vergleichbar mit dem Begriff „Tennisarm“, den auch unsportliche Menschen bekommen).

Quellen

  1. 4,5 Millionen Menschen haben PAVK, Ärzte Zeitung, 24. September .2008

Weblinks

Literatur

  • Norgren L et al.: Inter-Society Consensus for the Management of Peripheral Arterial Disease (TASC II). Eur J Vasc Endovasc Surg. 2007;33 Suppl 1:S1-75. Epub 2006 Nov 29. PMID 17140820 (PDF-Version)
  • Hirsch AT et al.: ACC/AHA Guidelines for the Management of Patients with Peripheral Arterial Disease (lower extremity, renal, mesenteric, and abdominal aortic): a collaborative report from the American Associations for Vascular Surgery/Society for Vascular Surgery, Society for Cardiovascular Angiography and Interventions, Society for Vascular Medicine and Biology, Society of Interventional Radiology, and the ACC/AHA Task Force on Practice Guidelines (writing committee to develop guidelines for the management of patients with peripheral arterial disease)--summary of recommendations. Circulation. 2006 Mar 21;113(11):e463-654. PMID 16549646
  • Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin: Aktuelle Leitlinie zu Diagnostik und Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) Online-Version
  • Gerd Herold und Mitarbeiter: Innere Medizin. Eigenverlag, 2007 (S. 714 ff)
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