Neuseeländische Literatur

Neuseeländische Literatur

Die neuseeländische Literatur umfasst die Erzählungen, die Dichtung und das Theater Neuseelands, die auch heute noch vorwiegend auf Englisch geschrieben werden, wenn auch Veröffentlichungen in der Sprache Maori immer mehr zunehmen. Aus dieser Sicht wird die literarische Entwicklung Neuseelands als „bikulturell“ beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Frühe maorische Literatur

Die Anfänge der neuseeländischen Literatur gehen auf die erzählerische Tradition der einheimischen Maori zurück, die das Land seit 900–1.000[1] und dann verstärkt seit dem 14. Jahrhundert[2][3] aus Polynesien kommend besiedelt hatten. Geschichten und Mythen wurden von den Maori ausschließlich mündlich überliefert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen christliche Missionare damit, diese Erzählungen aufzuschreiben. Dazu wurde eine Verschriftlichung der polynesischen Sprachen entwickelt. Allerdings gab es in der vorkolonialen Zeit, d. h. vor 1840, keine „Literatur“ in dem Sinne, in dem der Begriff in den europäischen Kulturen verwendet wird. Es heißt, die ersten geschriebenen Berichte der Maori, die um 1815 entstanden seien, handelten von der Eroberung des Landes durch die Europäer.[2]

Die früheste neuseeländische Lyrik waren Gesänge der Maori (Waiata). Sie wurden ab 1854 von Sir George Grey gesammelt und veröffentlicht.[2]

Das Theater der Maori ist gekennzeichnet durch rituelle Handlungen und Aufführungen. Die Darsteller spielten keine personalisierten Rollen. In neuerer Zeit richten sich Autoren maorischer Herkunft vor allem gegen die Beliebigkeit von „bikulturellen“ Ansätzen, wie beispielsweise der Darstellung maorischer Kultur in englischsprachigen Stücken.[4]

Englischsprachige Literatur

In der Folge des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1860er Jahren entstanden in den meisten Orten Theater, in denen vorwiegend Ensembles auftraten, die aus Australien kommend von einer Bühne zur nächsten reisten. Daneben gab es aber auch örtliche Theatergruppen. Aufgeführt wurden vor allem Komödien; die meisten damals gespielten Stücke sind nur namentlich überliefert. Reisen waren zunächst nur entlang der Küsten möglich. Das Theater erlebte deshalb einen Aufschwung, als die Eisenbahn das Landesinnere erschloss. Dieser Boom wurde dann aber wieder gedämpft, als das Kino aufkam. In die entstehende Lücke stießen Laientheater, die sich in den meisten Städten Ende der 1920er Jahre zusammenfanden, teilweise von professionellen Regisseuren geleitet. Ngaio Marsh gründete 1943 am Canterbury University College eine Shakespeare Company, die bis 1972 bestand. Bekannt geworden sind die New Zealand Players und das Community Arts Service Theatre. Ein wichtiger Impuls für die Bühne ging in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vom Rundfunk sowie durch die öffentliche Förderung von Theatern aus.[5]

Die englischsprachige Lyrik griff zunächst die gleichen Themen auf, die auch in der viktorianischen Dichtung behandelt wurden. Teilweise wurde auch mit neuseeländischem Dialekt experimentiert (John Barr).[6]

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurden überwiegend Romane geschrieben, in denen überwiegend Ereignisse aus der eigenen Kolonialgeschichte verarbeitet wurden.[6] Seit den 1930er Jahren, nach der Erlangung der Unabhängigkeit von Großbritannien innerhalb des Commonwealth, beginnt eine kritische Betrachtung der Gesellschaft mit den Mitteln der Literatur. Eine Belebung der literarischen Produktion und des Verlagswesens ging von den Universitäten aus. Im Jahr 1932 wird die Zeitschrift Phoenix von einer Gruppe von Studenten in Auckland gegründet, die nicht lange bestehen bleibt. Im Jahr 1938 wurde der New Zealand Listener gegründet. 1947 kam die Zeitschrift Landfall hinzu.

Das hundertjährige Jubiläum der Staatsgründung 1940 wird weithin als ein Einschnitt der kulturellen Entwicklung gesehen. Vorher seien überwiegend Autoren aus Großbritannien gelesen worden. Seitdem jedoch hätte sich erstmals ein eigenes Nationalgefühl herausgebildet, was sich auch auf die Literatur ausgewirkt habe: Die Autoren hätten sich nicht mehr wie exilierte Engländer gefühlt, sondern wie Neuseeländer, heißt es. Erst seitdem entwickelten sich auch eigene Themen und eigene stilistische Mittel.[2][7]

In der Prosa dominierte die Form der Short Story bis in die 1970er Jahre hinein, ausgehend von Frank Sargeson, dessen Narrativ über eine lange Zeit hinweg als „typisch neuseeländisch“ gegolten habe.[8]

Neuseeländische Literatur heute

Die maorische Sprache hat sich bis heute erhalten und kann auch in einigen Schulen erlernt werden. Obwohl Veröffentlichungen in Maori häufiger geworden sind, liegt der Schwerpunkt der „maorischen Literatur“ weiterhin auf Schriften in englischer Sprache, die sich mit Themen der Maori beschäftigen.

Neuseeland nimmt für sich in Anspruch, viele Autoren zu haben. Darin werden selbst Einwanderer, die im Ausland geboren wurden, und Staatsbürger, die ausgewandert sind, mit eingerechnet. Eine Ausnahme ist beispielsweise Samuel Butler, dessen utopischer Roman Erewhon in Neuseeland spielt und als Resultat eines Aufenthalts in Neuseeland entstanden ist; Butler zählt zur englischsprachigen Literatur. Karl Wolfskehl ist eine andere Ausnahme. Sein Aufenthalt in Auckland gehört vielmehr zur deutschen Literatur.

Neuseeländische Schriftsteller übersiedelten oftmals nach Großbritannien oder nach Australien, um der geographischen und, folglich, künstlerischen Isolation des Landes zu entgehen.[2]

Bekannte neuseeländische Autoren sind insbesondere Katherine Mansfield (The Garden Party and other short stories, 1922) und Keri Hulme, die für ihren Roman The Bone People (Unter dem Tagmond, 1984) im Jahr 1985 den Booker Prize, den wichtigsten britischen Literaturpreis, erhalten hatte. Als bedeutendster Autor, dessen Bücher in der Maori-Sprache verfasst sind, gilt Witi Ihimaera, dessen Bücher gemeinsam mit jenen von Patricia Grace seit den 1970er Jahren zu einer Maori Renaissance geführt haben.

In den folgenden zwanzig Jahren sei die Literatur maorisch-stämmiger Schriftsteller vielfältiger geworden. Diese Entwicklung sei vor dem Hintergrund einer weitergehenden Emanzipation Neuseelands von Großbritannien zu sehen, das sich in dieser Zeit von seiner einstigen Kolonie mehr und mehr abgewandt habe.[8] Die maorische Sprache wurde durch den Maori Language Act von 1987 als eine offizielle Sprache Neuseelands auch formell anerkannt.[9]

Siehe auch

Literatur

  • Patrick Evans: The Penguin History of New Zealand Literature. Penguin, Harmondsworth 1990, ISBN 0-14-011371-1 (englisch).
  • Roger Robinson u.a. (Hrsg.): The Oxford companion to New Zealand literature. Oxford University Press, Oxford 2005, ISBN 0-19-558348-5 (englisch).
  • Terry Sturm (Hrsg.): The Oxford history of New Zealand literature in English. Oxford University Press, Auckland, New York 1991.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Maori. In: Munzinger Online/Brockhaus - Enzyklopädie in 30 Bänden. 21. Auflage. (Aktualisiert mit Artikeln aus der Brockhaus-Redaktion).
  2. a b c d e Nouvelle-Zélande. Littérature. Encyclopédie Larousse, abgerufen am 4. Juni 2011 (französisch).
  3. Maori origins and arivals. Pacific migrations. Te Ara, 4. März 2009, abgerufen am 5. Juni 2011 (englisch, offizielle Enzyklopädie Neuseelands).
  4. „Maori theatre“. In: The Cambridge Guide to Theatre. Cambridge: Cambridge University Press, 2000. Credo Reference. Abgerufen am 4. Juni 2011 (englisch).
  5. „New Zealand.“ In: The Cambridge Guide to Theatre. Cambridge: Cambridge University Press, 2000. Credo Reference. Abgerufen am 4. Juni 2011 (englisch).
  6. a b Neuseeländische Literatur. In: Munzinger Online/Brockhaus - Enzyklopädie in 30 Bänden. 21. Auflage. (Aktualisiert mit Artikeln aus der Brockhaus-Redaktion).
  7. The making of New Zealand literature. 1930–1960. New Zealand History Online. Ministry for Culture and Heritage, 12. Oktober 2010, abgerufen am 5. Juni 2011 (englisch).
  8. a b „New Zealand literature in English“. In: Continuum Encyclopedia of British Literature. London: Continuum, 2006. Credo Reference. Abgerufen am 4. Juni 2011 (englisch).
  9. „Maori“. In: The Hutchinson Unabridged Encyclopedia with Atlas and Weather guide. Abington: Helicon, 2010. Credo Reference. Abgerufen am 4. Juni 2011 (englisch).

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