Neuhochdeutsche Grammatik

Neuhochdeutsche Grammatik

Dieser Artikel beschreibt die deutsche Grammatik, insbesondere solche Merkmale, welche für das Deutsche im Vergleich zu anderen Sprachen besonders charakteristisch sind.

Deutsch ist eine Artikelsprache. Deutsch hat Präpositionen wie an, in (= Adpositionen, die vor dem Bezugsausdruck stehen) und Adjektive, die vor dem Nomen stehen, zu dem sie gehören. Es gibt vier Kasus und zwei Numeri. Deutsch hat ein Genus-System, jedes Substantiv hat ein Genus (Maskulinum, Femininum, Neutrum). Am Genus des Substantivs orientieren sich das Genus eines Adjektivs oder eines Artikels, die zu der Substantivgruppe gehören. Das System der Zeigwörter ist dreistufig (hier – da – dort). Deutsch hat ein reiches Inventar an Abtönungspartikeln (halt, eben, eh). Das Deutsche zeichnet sich durch eine besonders flexible Wortbildungsfähigkeit – besonders bei den Komposita (Haus+tür, Kegel+form, Wiki+text, Weihnacht-s-+baum+verkäufer+gehilfe) – aus. Diese Flexibilität kennzeichnet ebenfalls die Niederländische Sprache.

Im Lautsystem verfügt das Deutsche über 16 Vokale und vier Diphthonge sowie 20 Konsonanten (ohne die Affrikaten pf, ts). Die maximal ausgebaute Silbenstruktur zeigt ein Wort wie strolchst mit drei Konsonanten am Anfangsrand und vier am Endrand (Koda). Ein anderes Beispiel ist schnarchst. Die Orthographie ist nicht lautgetreu (wie z. B. die finnische oder die türkische), sondern nur lautfundiert und bezieht Satzstruktur (Interpunktion), Silbenstruktur (Markierung der Kurzvokale), Wortart (Großschreibung des Substantivs) sowie die Einheit der Wortstämme (Weges, daher auch Weg statt *Wek) mit ein.

Inhaltsverzeichnis

Substantiv/Nomen

Numerus

Das Deutsche unterscheidet Singular und Plural in den Formen der Substantive, Adjektive, Artikel, Pronomina. Aus dem Indogermanischen ist ein versteinerter Dual nur noch in den (heute altertümlichen) Formen des Wortes für zwei erkennbar (zween, zwo, zwei). In den bairischen Dialekten geht zudem das Personalpronomen der 2. Person Plural ös/es auf eine alte Dualform zurück.

Beim Nomen kann der Plural durch

  • Anhängen eines Suffixes
  • die Variation eines Vokals (Umlaut)
  • beide Mittel

angezeigt werden (s. unten: Deklination).

Genus

Das Deutsche kennt drei Genera (Geschlechter):

Wenngleich keine wirklichen Regeln existieren, lassen sich bezüglich der Wortendungen doch Regelmäßigkeiten in der Zuordnung der Genera beobachten. So sind z. B. die meisten Substantive auf -e feminin. Eine größere Ausnahme von dieser Regel bilden die Substantive auf -e, die männliche Lebewesen bezeichnen, z. B. der Bote, der Schwede. Substantivierte Adjektive und Verben sind grundsätzlich neutral. Substantive, die mit den Silben -keit, -ung und -heit enden, sind grundsätzlich Femina. Die diminuierenden Endsilben -chen und -lein lassen jedes Substantiv zum Neutrum werden; auffallend in diesem Zusammenhang ist, dass sich natürliches Geschlecht und Genus unterscheiden können: z. B. das Mädchen, das Weib, die Tunte, der Trampel.

Im Plural verschwindet die Unterscheidung zwischen den Genera, im Gegensatz zu den meisten romanischen Sprachen.

Kasus – Fall

Zu unterscheiden sind vier Kasusformen (Fälle):

  1. Fall – Nominativ – (Frage: Wer oder was?) (Subjekt, Redegegenstand; Prädikativ) „Hans ist Bäcker“
  2. Fall – Genitiv – (Frage: Wessen?) (attributiv, Objekt bei wenigen Verben, auch führen einige Präpositionen und Halbpräpositionen den Genitiv mit sich) „Claudias Tasche“; „Wir gedenken der Toten“; „kraft seines Scharfsinns“ / „der deutschen Sprache mächtig“
  3. Fall – Dativ – (Frage: Wem?) (von Handlung/Ereignis betroffene Personen oder Dinge) „jemandem vertrauen“
  4. Fall – Akkusativ – (Frage: Wen oder was?) (Objekt, auf das eine Handlung zielt, das von einem Prozess erfasst wird) „ein Buch verschenken“, „einen Vertrag abschließen“

Einige Kasusendungen sind in der Sprachgeschichte verloren gegangen, so dass der Artikel als eigentlicher Kasusanzeiger dient. Da auch die Reihenfolge Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv üblich ist, können die Bezeichnungen 1., 2., etc. Fall manchmal Verwirrung stiften. Gut markierte Endungen haben im Singular den Genitiv, im Plural den Dativ.

Im Gegensatz zu etwa der Altgriechischen, Lateinischen und Polnischen Sprache entspricht im Deutschen der Vokativ (Anredefall) formal dem Nominativ: „Kater, verzieh dich!“

Eine umgangssprachliche Alternative des Genitivs ist die Konstruktion Präposition und Dativ:

  • die Freundin meines Vaters → die Freundin von meinem Vater (umgangssprachlich und in Dialekten auch „mein(em) Vater seine Freundin“ (standarddeutsch: die Freundin meines Vaters), „dem sein Job“, „mit meinem Vater seiner Freundin“ (standarddeutsch: mit meines Vaters Freundin).
  • wegen des Regens → wegen dem Regen

In der formellen Sprache gilt dies jedoch als unschön, nach wegen steht vorzugsweise der Genitiv (wegen des Regens), doch auch der Dativ ist inzwischen zulässig. Steht nach wegen ein stark zu beugendes Substantiv im Singular ohne Artikel und ohne Attribut, kann die Genitivendung entfallen (wegen Umbau geschlossen; selten: wegen Umbaus geschlossen). Der Dativ wird verwendet, wenn der Genitiv nicht erkennbar ist (wegen manchem). Personalpronomina werden wegen vorangestellt (meinet-, deinet-, seinet-, unseret-, euret-, ihretwegen); in der Umgangssprache sind auch die Formen mit nachgestelltem Personalpronomen (wegen dir, wegen euch, wegen ihnen …) üblich. Wegen meiner kann als veraltet angesehen werden.

Der Genitiv lebt als Attribut zu Substantiven, nach den zahlreichen Halbpräpositionen (dank, kraft, aufgrund …) und nach substantivierten Verben (Nominalstil: die Kirche besichtigen → die Besichtigung der Kirche). Der Nominalstil findet sich besonders in offiziellen Dokumenten.

Artikel

Das Deutsche kennt grundsätzlich zwei Artikel (Begleiter), den bestimmten (definiten) und den unbestimmten (indefiniten). Die Artikel werden nach Kasus, Numerus und Genus dekliniert.

Der sog. indefinite Artikel ist mit dem Zahlwort für die Zahl 1 identisch. Im Deutschen hat er keine eigene Pluralform. Manche Grammatiken führen als Plural von „ein“ auch „einige“ auf. (Eine Ausnahme bildet die Wendung „die einen (und) die anderen“, die auch im Plural dekliniert werden kann, z. B. „Mit den einen verstand ich mich gut, mit den anderen nicht so.“)

Singular männlich weiblich sächlich Plural m / w / s
Nominativ der die das Nominativ die
Genitiv des der des Genitiv der
Dativ dem der dem Dativ den
Akkusativ den die das Akkusativ die
Singular männlich weiblich sächlich
Nominativ ein eine ein
Genitiv eines einer eines
Dativ einem einer einem
Akkusativ einen eine ein

Die Deklination der männlichen Artikel ist am ausgeprägtesten und unterscheidet sowohl bei bestimmten als auch bei unbestimmten Artikeln deutlich. Die sächlichen Artikel sind in ihrer Deklination mit den männlichen bei Genitiv und Dativ identisch, während im Singular der weiblichen Deklination ein Synkretismus zwischen Nominativ und Akkusativ sowie Genitiv und Dativ besteht. Die Unterscheidung in grammatikalische Geschlechter fällt im Plural völlig weg.

Substantive und Deklinationsklassen

Man unterscheidet bei Substantiven die sog. „Gegenstandswörter“ („Konkreta“) – z. B. „Tisch“ von den sog. „Begriffswörtern“ („Abstrakta“) – z. B. „Mut“.

Das Substantiv enthält Informationen zu dem jeweiligen Fall (Kasus), der Zahl (Numerus), sowie dem Geschlecht (Genus).

Die Flexion von Substantiven bezeichnet man als „Deklination“.

Siehe auch Hauptartikel: Deutsche Deklination

Die Regeln der deutschen Deklination sind sehr subtil, was die Erlernung der deutschen Sprache am Anfang erschwert. Die deutsche Sprache verfügt u. a. über das Phänomen der „inneren Deklination“, d. h., dass sich nicht nur die Endung beim Deklinieren ändert (Beispiel: „Baum/Bäume“ oder „Haus/Häuser“ (Sg./Pl.)).

Die deutschen Deklinationsklassen
-(e)s, -e der Berg, des Berg(e)s, die Berge
Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv
-0- -0- -(e) -(e)s
-e -e -en -(e)
-(e)s, -er das Bild, des Bild(e)s, die Bilder
-0- -0- -(e) -(e)s
-er -er -ern -er
-(e)s, -en der Staat, des Staat(e)s, die Staaten
-0- -0- -(e) -(e)s
-en -en -en -en
-s, -0- der Fahrer, des Fahrers, die Fahrer
-0- -0- -0- -s
-0- -0- -(n) -0-
-s, -e der Lehrling, des Lehrlings, die Lehrlinge
-0- -0- -0- -s
-e -e -en -e
-s, -s das Radio, des Radios, die Radios
-0- -0- -0- -s
-s -s -s -s
-en, -en der Student, des Studenten, die Studenten
-0- -en -en -en
-en -en -en -en
-0-, -0- die Mutter, der Mutter, die Mütter
-0- -0- -0- -0-
-0- -0- -(n) -0-
-0-, -en die Meinung, der Meinung, die Meinungen
-0- -0- -0- -0-
-en -en -en -en
-0-, -e die Kraft, der Kraft, die Kräfte
-0- -0- -0- -0-
-e -e -en -e
-0-, -s die Gang, der Gang, die Gangs
-0- -0- -0- -0-
-s -s -s -s
-(e)ns, -(e)n der Name, des Namens, die Namen
-0- -(e)n -(e)n -(e)ns
-(e)n -(e)n -(e)n -(e)n

Zusätzliche Erklärungen

Singular

  • Bei allen Feminina sind die Formen des Nomens in allen vier Deklinationsfällen gleich. (Siehe Beispiel a).
  • Neutra folgen immer Typ b (Ausnahme: Herz).
  • Maskulina folgen einem der beiden Typen b oder c:
  • a) Frau Frau Frau Frau
  • b1) Geist Geistes Geist(e) Geist
  • b2) Segel Segels Segel Segel
  • c1) Löwe Löwen Löwen Löwen
  • c2) Name Namens Namen Namen

Plural

Grundregeln (Es gibt Ausnahmen. Die Grundregel ist aber gültig für ca. 70 % der Substantive):

  • Maskuline und neutrale Substantive bilden den Plural mit -e + Umlaut: „Dinge“, „Bäume“, „Substantive“.
  • Feminina bilden den Plural mit -(e)n: „Frauen“.
  • Eigennamen, Abkürzungen, viele Fremdwörter, Substantivierungen, Onomatopoetika bilden den Plural mit -s: „CDs“, „Shirts“.

Zusatzregeln:

  • Einige Maskulina/Neutra bilden den Plural auf -(e)n: „Bären“.
  • Einige Maskulina/Neutra bilden den Plural auf -(e)r (+ Umlaut): „Kinder“, „Männer“.
  • Einige Maskulina, zwei Neutra bilden den Plural auf -e + Umlaut: „Söhne“.
  • Einige Feminina bilden den Plural auf -e (+ Umlaut): „Bänke“.
  • Maskulina/Neutra auf -el, -en, -er, -lein oder -chen bleiben im Plural ohne Endung: „Wagen“, „Lehrer“.

Siehe dazu ausführlicher die Deutsche Deklination

Fremd- und Fachwörter, die aus dem Lateinischen oder Griechischen stammen, bilden den Plural manchmal in Anlehnung an die Ursprungssprache:

  • Visum, Visa, aber auch Visen
  • Virus, Viren
  • Atlas, Atlanten, aber auch Atlasse
  • Pizza, Pizzen

Es gibt auch Wörter, bei denen zwei bis zu maximal vier Pluralbildungen vorkommen, wobei die Bedeutung der beiden sich unterscheiden kann:

  • Wort, Worte (Dichterworte), Wörter (Wörterbuch)
  • Junge, Jungen, Jungs
  • Das Wort Mann bildet die Pluralformen Mann („drei Mann“), Mannen, Männer und in den zusammengesetzten Wörtern „Hauptmann“ und „Kaufmann“ Leute („Hauptleute“, „Kaufleute“).

Adjektive

Adjektive als Attribute stehen im Deutschen grundsätzlich vor dem Bezugsnomen und ggfs. nach dessen Artikel. Prädikative Adjektive (Prädikativum) sind rein formal mit dem Adverb identisch.

Deklination

Siehe auch Hauptartikel: Deutsche Deklination

Das Adjektiv steht generell in KNG-Kongruenz zu seinem Bezugsnomen. Die Flexionsendung wird aber nicht nur durch das Nomen, sondern auch durch die Endung des Artikels festgelegt.

Wenn die Artikelendung „schwach“ ist, dann ist die Adjektivendung „stark“, und umgekehrt. Die meisten Artikel und Artikelwörter haben ein gemischtes Bild an Endungen.

Grundsätzlich gelten folgende Endungen für den unbestimmten Artikel …

Singular männlich weiblich sächlich
Nominativ -er -e -es
Genitiv -en -en -en
Dativ -en -en -en
Akkusativ -en -e -es

… und diese für den bestimmten Artikel:

Singular männlich weiblich sächlich Plural männlich weiblich sächlich
Nominativ -e -e -e Nominativ -en -en -en
Genitiv -en -en -en Genitiv -en -en -en
Dativ -en -en -en Dativ -en -en -en
Akkusativ -en -e -e Akkusativ -en -en -en

Solche Affixe, welche äußerlich identisch sind aber verschiedene Merkmale kodieren, nennt man Synkretismen, diese sind charakteristisch für indogermanische Sprachen allgemein.

Beispiele zu den Adjektiven

Unbestimmt, Singular

ein großer Mann, eines großen Mannes, einem großen Mann, einen großen Mann

eine schöne Frau, einer schönen Frau, einer schönen Frau, eine schöne Frau

ein schweres Buch, eines schweren Buches, einem schweren Buch, ein schweres Buch

Bestimmt, Singular

der große Mann, des großen Mannes, dem großen Mann, den großen Mann

die schöne Frau, der schönen Frau, der schönen Frau, die schöne Frau

das schwere Buch, des schweren Buches, dem schweren Buch, das schwere Buch

Bestimmt, Plural

die schweren Bücher, der schweren Bücher, den schweren Büchern, die schweren Bücher

Des Weiteren werden einige wenige Adjektive durch die Änderung des Stammes flektiert.

Komparation

Der Komparativ eines Adjektives wird gebildet, indem an den Stamm das Suffix „-er“ gehängt wird. Bei einigen Adjektiven kommt es außerdem zu einer Stammflexion. Die Grundform des Komparativs wird genauso dekliniert wie ein normales Adjektiv.

Adjektive ohne Nomen

Häufig findet man im Deutschen eine rein nominale Verwendung des Adjektives, ohne ein Bezugswort. Die Syntax ist dabei mit der gewöhnlichen Nominalkonstruktion identisch – auch hinsichtlich der Flexion –, allerdings fehlt das Nomen. Stattdessen wird das Adjektiv nominalisiert.

Beispiel: „Der Ältere ist tatsächlich schneller und stabiler als sein Nachfolger.“

Pronomen/Objektzeigwörter

Eine Eigenheit der deutschen (wie z. B. auch der griechischen) Sprache ist es, dass man anstelle von Nomen nicht nur „echte“ Pronomen, sondern auch dem Artikel in der Form teilweise ähnliche Ausdrücke wie die Objektzeigwörter/Objektdeixeis (der, dieser) verwenden kann.

Beispiele:

  • „Der spinnt doch!“
  • „Ich habe diesen gekauft.“
  • „Woher kenne ich die bloß?“

Verben

Wie in allen germanischen Sprachen ist der Unterschied zwischen starken Verben und schwachen Verben bedeutsam.

In der sekundären Konjugation der Verben unterscheidet das Deutsche drei Personen (1. Person, 2. Person und 3. Person) und zwei Numeri (Singular und Plural). Das Verb steht in PN-Kongruenz zum Subjekt des Satzes.

Die deutsche Sprache tendiert dazu, den Gebrauch von Hilfsverben gegenüber der Flexion vorzuziehen. Während dies beim Passiv und dem Futur vollkommen normal ist, vermuten viele das langsame Aussterben des Konjunktiv I und II, oder sogar des Präteritums.

Verbformen

Infinite Verbformen (unbestimmt): geben keine Person, Zeit, Zahl (Singular, Plural) an

  • Infinitiv (Nennform): laufen, tanzen, essen …
  • Partizip 1: laufend, tanzend, essend …
  • Partizip 2: gelaufen, getanzt, gegessen …

Finite Verbformen (bestimmt) → PERSONALFORM: Endung des Verbs ändert sich, wenn es in Personen gesetzt wird. Personalform gibt Person, Zeit, Zahl an.

  • gingst: 2. Person/Sing./Prät.
  • kämen: 1. oder 3. Person/Plural/Konjunktiv II

Tempusformen

Das Deutsche kennt folgende Zeiten oder Tempusformen:

Zeitachse der Gegenwart

  • Präsens (zur Sprechzeit aktuell: Ich schreibe.)
  • Perfekt ([lat.:„Vollendet“] jetzt vollzogen: Ich habe geschrieben.)
  • Futur I (demnächst erst aktuell: Ich werde schreiben.)
  • Futur II (erst zum genannten Zeitpunkt vollzogen: Ich werde morgen geschrieben haben.)
  • Konjunktiv I (zur Distanzierung vom Wahrheitsgehalt einer Aussage: Er sagt, sie schreibe das, aber er wisse nicht, ob das stimme.)
  • Konjunktiv II (Spekulationen: Er sagt, er schriebe das, wenn er Zeit hätte.)
  • Konjunktiv III, auch: „würde-Form“, „würde-Umschreibung“ oder „Konjunktiv-Ersatzform“ (ersetzt in der Umgangssprache weitgehend den K I und K II: „Er sagt, sie würde das schreiben, wenn sie Zeit haben würde.“)

Zeitachse der Vergangenheit

  • Präteritum (damals aktuell: Ich schrieb.) Für Jacob Grimm ist das Präteritum die einzige echte Zeitform, die das Deutsche hat. Es ist die klassische Erzählvergangenheitsform (episches Präteritum). In Norddeutschland ist der Gebrauch des Präteritums in der Umgangssprache nahezu unverzichtbar, allerdings nimmt das Perfekt im Gebrauch zu. Dahingegen wird in Süddeutschland, Österreich und in der Schweiz mit der Ausnahme der Hilfs- und Modalverben statt des Präteritums auch dort das Perfekt verwendet, wo in Norddeutschland das Präteritum üblich wäre. In Österreich nimmt bei Erzählungen in der Umgangssprache wiederum der Präteritumgebrauch zu. Möglicherweise wird der Zeitengebrauch im Norden wie im Süden durch länderübergreifendes Fernsehen beeinflusst.
  • Plusquamperfekt (damals bereits vollzogen: Ich hatte ihm geschrieben.)
  • Doppeltes Perfekt („Ich habe ihm geschrieben gehabt“), Doppeltes Plusquamperfekt („Ich hatte ihm geschrieben gehabt“ und Futur III („ich werde ihm geschrieben gehabt haben“); das Doppelte Perfekt ist im Süden des deutschen Sprachraums entstanden, um Vorzeitigkeit auszudrücken, wenn im Perfekt erzählt wird. Es wird nur umgangssprachlich verwendet, und sein Gebrauch gilt in der Schriftsprache bislang als grammatisch falsch.

Konjunktiv

Im Verhältnis der beiden Standardformen des Konjunktivs zueinander spielt die Tempusdifferenzierung heute keine Rolle mehr.

Der Konjunktiv I ist die vom Präsens abgeleitete (er komm-t → er komm-e) Form. Man benutzt ihn meist in Pressetexten entweder zur Distanzierung vom Wahrheitsgehalt einer Aussage, oder zur Wiedergabe von direkter Rede in indirekter Rede. (i. S. v.: Das habe nicht ich gesagt, sondern ein anderer.) Es passiert so angeblich. Beispiel: „Die Bundeskanzlerin sagte, es gebe keine neuen Steuererhöhungen.“

Der Konjunktiv II ist die vom Präteritum abgeleitete Form (kam → käm-e). Man benutzt ihn für Spekulationen im weitesten Sinne. Was man im Konjunktiv II formuliert, ist nicht Realität, es passiert eventuell bzw. eventuell nicht. Beispiel: „Hätte ich mehr Geld, hätte ich längst ein Haus.“

Der Konjunktiv II wird außerdem in der indirekten Rede verwendet, wenn die abgeleitete Konjunktiv I- Form mit dem Indikativ identisch ist, um Unklarheiten zu vermeiden (Peter: „Die Kinder kommen um 6 nach Hause.“ → im Konjunktiv I: „Peter sagte, die Kinder kommen um 6 nach Hause.“ → im Konjunktiv II: „Peter sagte, die Kinder kämen um 6 nach Hause.“)

In der Umgangssprache ersetzt man die alten Konjunktivformen weitgehend durch semantisch äquivalente Ersatzformen (auch „Konjunktiv III“[1] oder „würde-Form“ genannt): „er würde kommen …“ statt „er käme …“, verzichtet ganz auf den Konjunktiv und benutzt einfach den Indikativ unter Hinzufügung lexikalischer Mittel (angeblich, vermutlich, eventuell …) oder aber vermischt die Formen, dort, wo sie nicht eindeutig erkennbar sind (KII-Formen anstelle KI-Formen).

Anwendungsbereiche der Tempusformen

Die wichtigste Form ist das Präsens. Es kann als historisches Präsens Präteritum bzw. Perfekt ersetzen und steht vielfach für das Futur I. In diesen Fällen steht oft ergänzend eine Adverbiale der Zeit.

Sprichwörter stehen im gnomischen Präsens: „Hochmut kommt vor dem Fall.“

Bildung der Tempusformen

Die Formen der Vergangenheitstempora Plusquamperfekt und Perfekt werden gebildet mit den Hilfsverben haben oder sein und dem Partizip II (Partizip Perfekt). Das Präteritum verwendet den Stamm des Infinitivs.

Die Futurformen werden mit dem Verb werden bzw. (Futur II) werden und haben bzw. sein gebildet.

Plusquamperfekt, Futur II und auch Futur I werden eher selten in der gesprochenen Sprache verwendet. Manche Dialekte kennen diese Tempora nicht. Einige Dialekte kennen dafür das Plusplusquamperfekt oder „doppeltes Perfekt“ (z. B. Er hat ihn gesehen gehabt). Süddeutsche Dialekte haben kein Präteritum mit Ausnahme der Modal- und Hilfsverben. Das Plattdeutsche kennt dagegen alle sechs Zeitformen, wobei die Futurformen mit sollen (auf Platt: sölen oder schölen [ik sall/schall]) gebildet werden.

Den Konjunktiv II bildet man aus der Präteritumform des Verbs, starke Verben bekommen einen Umlaut (ich tue etwas – ich tat etwas – ich täte etwas). Es gibt jedoch auch Fälle, bei denen die Präteritumform und die Konjunktivformen identisch sind (ich sage etwas – ich sagte etwas – ich sagte etwas). Hier verwendet man meist die würde-Umschreibung mit würde und Infinitiv (ich würde sagen). Den Konjunktiv I leitet man vom Infinitiv ab, der Wortstamm ändert sich nicht, spezielle Endungen kennzeichnen den Konjunktiv (er sieht etwas – er sehe etwas). Der Konjunktiv I gleicht in vielen Fällen dem Indikativ. Deshalb benutzt man dann den Konjunktiv II oder die Würde-Form/Konjunktiv III (Indikativ: ich sehe – K I: ich sehe → K II: „ich sähe“ → K III: ich würde sehen).

Diathese/Genus Verbi

Das Deutsche unterscheidet zwischen Aktiv und Passiv. Das Genus Verbi des Mediums, das in einigen indogermanischen Sprachen zu finden war, entspricht formal dem Aktiv oder wird mittels Reflexivpronomen verdeutlicht, und findet sich vereinzelt auch im Deutschen („Das Buch liest sich gut.“).

Insbesondere im formalen Deutsch ist das Passiv wichtig. Es wird aus den Hilfsverben werden bzw. sein und dem Partizip Perfekt gebildet und verkehrt die Perspektive des Aktivsatzes.

Der Patiens wird Ausgangspunkt, der Agens verliert die Subjektrolle und kann auch wegfallen.

Beispiel: Die alte Frau beobachtete den Unfall.Der Unfall wurde von der alten Frau beobachtet.

Das Deutsche unterscheidet zwischen dem Vorgangspassiv, das semantisch den Passiva der meisten anderen europäischen Sprachen entspricht und das meist mit dem Hilfsverb werden gebildet wird, und dem Zustandspassiv mit dem Hilfsverb sein. Diese Unterscheidung fehlt in vielen verwandten Sprachen.

Während das Vorgangspassiv den Verlauf der Handlung ausdrückt, hebt das Zustandspassiv das Ergebnis der Handlung hervor (vgl. resultativ).

Passiv

Das Passiv ist die „Täter“-abgewandte Aussageform des Verbs. Die deutsche Sprache unterscheidet (mindestens) zwei Passivformen:

  • Vorgangspassiv (VP)
  • Zustandspassiv (vgl. resultativ)(ZP)
  • der Status des Rezipientenpassivs (RP) ist umstritten

Vorgangspassiv

  • Ich werde gesehen (VP-Präsens)
  • Ich wurde gesehen (VP-Präteritum)
  • Ich bin gesehen worden (VP-Perfekt)
  • Ich war gesehen worden (VP-Plusquamperfekt)
  • Ich werde gesehen werden (VP-Futur I)
  • Ich werde gesehen worden sein. (VP-Futur II)

Zustandspassiv (vgl. resultativ)

  • Die Tür ist geöffnet (ZP-Präsens)
  • Die Tür war geöffnet (ZP-Präteritum)
  • Die Tür ist geöffnet gewesen (ZP-Perfekt)
  • Die Tür war geöffnet gewesen (ZP-Plusquamperfekt)
  • Die Tür wird geöffnet sein (ZP-Futur I)
  • Die Tür wird geöffnet gewesen sein (ZP-Futur II)

Rezipientenpassiv

  • Er bekommt das Buch weggenommen (RP-Präsens)
  • Er bekam das Buch weggenommen (RP-Präteritum)
  • Er hat das Buch weggenommen bekommen. (RP-Perfekt)
  • Er hatte das Buch weggenommen bekommen. (RP-Plusquamperfekt)
  • Er wird das Buch weggenommen bekommen. (RP-Futur I)
  • Er wird das Buch weggenommen bekommen haben. (RP-Futur II)

Umgangssprachlich kommen auch Bildungen mit kriegen vor.

Siehe auch: Diathese (Linguistik)

Modus

Im Deutschen gibt es die folgenden Modi:

  • den Indikativ (Wirklichkeitsform): „Paul kommt.“
  • den Konjunktiv, bei dem unterschieden wird zwischen:
    • Konjunktiv I (nicht faktisch, indirekte Rede, oft Distanzierung vom Wahrheitsgehalt einer Aussage: „Er sagte, sie habe das geschrieben, aber er wisse nicht, ob das stimmt.“; „Sage er Paula Folgendes …“)
    • Konjunktiv II (Mögliches, Irreales, Gewünschtes, oft Spekulationen: „Wenn ich der Kaiser wäre …“)
    • als Ersatz gibt es die „Würde-Form“ (auch: Umschreibung mit würde/auch Konditional oder Konjunktiv III): „Er sagte, sie/er würde das geschrieben haben, wenn …“; „Er fragt sie höflich, ob es ihr etwas ausmachen würde, ihm etwas Geld zu leihen.“; „Im Geiste stellt er sich oft vor, er würde fliegen können.“; „Das würdest du wirklich für mich tun?“ Diese Form verdrängt den synthetischen Konjunktiv immer mehr aus der Umgangs- und auch der Schriftsprache, weil viele Formen sowohl in Konjunktiv I wie II nicht mehr eindeutig von den Präsens- (I) und Präteritumsformen (II) zu unterscheiden sind, also ein irreführender Synkretismus besteht. Am stärksten hält sich der synthetische Konjunktiv noch bei starken Verben, wo besonders der Konjunktiv II durch Ablautung noch in allen Personen zweifelsfrei zu erkennen ist: Bsp. bringenich bringe (Präsens) – ich brachte (Präteritum) – ich brächte (Konjunktiv II)
  • und den Imperativ (Befehlsform): „Paul, komm!“

Adverbien und Prädikat

Im Deutschen werden Adverbien schlicht durch die Grundform der Adjektive gebildet, nicht durch Adverbialmorpheme. Selten benutzte Ausnahme ist das Adverb wohl zum Adjektiv gut (das ist wohl getan, ich befinde mich wohl).

Im Gegensatz zum Englischen wird im Deutschen kein grammatischer Unterschied zwischen Prädikat und Adverbien vollzogen.

Allerdings werden Adverbien oftmals durch gewisse Suffixe gekennzeichnet, so z. B. „glücklicher-weise“, „umstände-halber“ oder „verletzungs-bedingt“.

Satzformen

Syntax (Satzstellung)

Die deutsche Sprache gilt als eine flektierende Sprache, d. h. die grammatischen Beziehungen zwischen den Wörtern werden mit Hilfe von Affixen und teilweise durch Wurzelflexion ausgedrückt. Dadurch sind im Vergleich zu nichtflektierenden Sprachen (Englisch, Chinesisch) sehr flexible Stellungen im Satz möglich, insbesondere im Mittelfeld:

  • „Der Junge hat seinem Bruder die CD mitgebracht.“
  • „Der Junge hat die CD seinem Bruder mitgebracht.“
  • „Seinem Bruder hat der Junge die CD mitgebracht.“
  • „Die CD hat der Junge seinem Bruder mitgebracht.“

Der flektierte Prädikatsteil kann an erster (Befehlssatz, Entscheidungsfragesatz), zweiter (Aussagesatz, w-Fragesatz) oder letzter Position (Nebensatz) realisiert werden:

  • „Bring mir die CD mit!“
  • „Bringst du mir die CD mit?“
  • „Ich bringe dir die CD mit!“
  • „Wer bringt mir die CD mit?“
  • „… weil ich dir die CD mitgebracht habe.“

Das Deutsche hat eine Satzklammer, die aus dem flektierten und dem unflektierten Verbteil besteht (hat … gesagt, will … spielen, macht … blau, fährt … ab). Wenn etwas betont werden soll, wird die Satzstellung verändert bzw. fällt anders aus:

  • „Ich habe die CD deinem Bruder mitgebracht.“
  • „Ich habe deinem Bruder die CD mitgebracht.“
  • Deinem Bruder habe ich die CD mitgebracht.“

Die Satzstellung des Deutschen ist weitgehend festgelegt: Es gibt etwa drei Satzschablonen, die nicht sehr viele Möglichkeiten einräumen (verglichen z. B. mit dem Lateinischen). Es gibt dabei die Möglichkeit, das Objekt des Satzes oder ein einzelnes Adverb an den Satzanfang zu rücken; mehrere Adverbien unterschiedlicher Art am Satzanfang sind ungebräuchlich. Die Adverbien untereinander oder das Objekt mit einem Adverbteil können teilweise getauscht werden:

  • übliche Satzstellung: „Der Direktor betrat gestern um 10 Uhr mit einem Schirm in der Hand sein Büro“
Kein Satzteil wird besonders hervorgehoben.
  • Vorangestelltes Objekt: „Sein Büro betrat der Direktor gestern um 10 Uhr mit einem Schirm in der Hand“.
Das Objekt „sein Büro“ wird hierbei hervorgehoben, es könnte im folgenden Satz näher erläutert werden.
  • Vorangestelltes Adverb: „Gestern betrat der Direktor um 10 Uhr mit einem Schirm in der Hand sein Büro“.
Das zweite Zeitadverb, „um 10 Uhr“, erfährt eine leichte Betonung.
  • Vorangestellte Zeit-Adverbien: „Gestern um 10 Uhr betrat der Direktor mit einem Schirm in der Hand sein Büro“.
Die Zeitangabe „gestern um 10 Uhr“ wird hervorgehoben.
  • Getauschte Adverbien: „Der Direktor betrat mit einem Schirm in der Hand gestern um 10 Uhr sein Büro“.
Der Satzteil „mit einem Schirm in der Hand“ wird hervorgehoben.
  • Getauschtes Objekt: „Der Direktor betrat gestern um 10 Uhr sein Büro mit einem Schirm in der Hand“.
Die Zeitangabe und das Objekt „sein Büro“ werden leicht betont.

Vor allem aus den Satzbauplänen 1 und 2 ergibt sich auch die für den deutschen Satzbau charakteristische Satzklammer (nach Mark Twain müsse man die Satzaussage langer Sätze mit dem Fernrohr suchen) – finiter und infiniter Teil der Verbform treten auseinander:

  • Hat er dich eigentlich gestern besucht?“
  • Stellte das Computerprogramm die ursprüngliche Version wieder her?“

→ Im Nebensatz (Satzbauplan Nr. 3) steht das komplette Prädikat am Satzende.

Die Niederländische Syntax entspricht in dieser Hinsicht weitestgehend der deutschen, während im Englischen, Französischen usw. die Verbteile stets zusammenstehen – und zwar an zweiter Position, direkt vor dem Objekt/der Verbergänzung. Dies ist aufgrund der verlorengegangenen Flexionsmöglichkeiten der englischen Sprache für das Verständnis notwendig.

1. Satzbauplan – Hauptsatz

Der 1. Satzbauplan hat die Reihenfolge

Subjekt – finitives Prädikat – indirektes Objekt – direktes Objekt – Adverbien – Prädikatrest
Die Satzverneinung steht vor dem Prädikatrest.

Beispiel: „der Verkäufer – hatte – seinem Kunden – das Buch – gestern – in seinem Laden – (nicht) – gegeben.“

Häufige Abweichungen:

  • Das Zeitadverb steht vor dem direkten Objekt.
  • Eine Umstellung von indirektem und direktem Objekt bewirkt eine leichte Betonung des indirekten Objekts.

Das 1. Satzbauplan steht in Hauptsätzen und vor Nebensätzen.

In einigen Fällen ist eine Satzverneinung nicht wirklich möglich, „nicht“ steht dann vor einem anderen Adverb:

  1. „Der Verkäufer hatte seinem Kunden das Buch NICHT sogleich in eine Tüte gepackt“
„nicht sogleich“ lautet hier die Verneinung.
  1. „Der Verkäufer hatte seinem Kunden das Buch gestern NICHT in eine Tüte gepackt“
„nicht in eine Tüte packen“ lautet hier die Verneinung.

Siehe aber auch die etwas ungebräuchlichen Formulierungen:

  1. „Mitnichten hatte der Verkäufer seinem Kunden das Buch sogleich/gestern in eine Tüte gepackt“

2. Satzbauplan – Inversion

Bei der Inversion werden das finitive Prädikat und das Subjekt ausgetauscht. Dies geschieht dann, wenn einer der folgenden Teile an den Satzanfang gestellt wird:

  1. Objekt: „die Sturmwarnung sahen wir im Wetterbericht“, „mir hat er es nicht geglaubt“
  2. Prädikatsadjektiv: „Verloren ist die Schönheit der Jugend!“
  3. Ein oder mehrere Adverbien: „In jeder Lüge schlummert ein bisschen Wahrheit“, „Gestern ist in Köln ein Zug entgleist“
  4. Ein (untergeordneter) Nebensatz: „Weil es schon spät wurde, beeilte er sich, nach Hause zu kommen“
  5. In Entscheidungsfragen: „Hast du dir das auch wirklich gut überlegt?“
  6. In Fragesätzen treten Interrogativpronomen an den Satzanfang, auch hier kann Inversion auftreten, solange das Pronomen nicht Subjekt ist: „Wen hast du getroffen?“, „Wann bist du gekommen?“. Subjekt „Was liegt da?“, Objekt: „Was liest du da?“

Der Satzbauplan ist dann:

XXX – finitives Prädikat – Subjekt – (indir. Objekt) – (dir. Objekt) – Adverbien – Prädikatrest
Die Satzverneinung steht vor dem Prädikatrest.

Beispiel: „seinem Kunden – hatte – der Verkäufer – das Buch – gestern – in seinem Laden – (nicht) – gegeben.“

3. Satzbauplan – Nebensätze

Nebensätze werden durch unterordnende Konjunktionen (Subjunktionen) eingeleitet, zum Beispiel dass, sodass, falls, ob, wohingegen, obwohl … In Nebensätzen gilt folgendes Muster (ganz am Anfang steht die Subjunktion):

Subjekt – (indir. Objekt) – (dir. Objekt) – Adverbien – Prädikatrest – finitives Prädikat
Die Satzverneinung steht vor dem Prädikatrest. Das finitive Prädikat rückt also ans Satzende.

Beispiel: „Weil – der Verkäufer – seinem Kunden – das Buch – gestern – in seinem Laden – (nicht) – gegeben – hatte“

Reihenfolge innerhalb der Satzteile

Im Allgemeinen gilt: Erst Zeit, dann Ort, dann der Rest.

Beispiel: „Der Verkäufer hatte seinem Kunden das Buch gestern in seinem Laden persönlich mit seinen Händen überreicht“.

Für den Prädikatrest gilt: 1) Vollverb – 2) Hilfsverb – 3) lassen 4) Modalverb

Beispiele:

  • „ich werde ihn 1) gesehen 2) haben“
  • „ich hätte ihn 1) sehen 4) können“
  • „ich wollte dich es 1) sehen 3) lassen“
  • Und, um das Modell aufs Äußerste zu strapazieren: „ich würde ihn dich 1) sehen 2) werden 3) lassen 4) können“

Besondere Reihenfolgen

Im bloßen Infinitiv gilt der 3. Satzbauplan: „jemanden nicht sehen wollen“. Das Objekt steht also vor dem Verb.

Im Relativsatz gilt:

  • Nominativisch: indir. Objekt – Adverb – dir. Objekt – Prädikat:
„der Reisende, der gestern die Heimreise angetreten hat, hat sich beschwert.“
  • Genitivisch: Subjekt – Adverb – indir. Objekt – dir. Objekt – Prädikat:
„die Frau, deren Hund soeben die Katze jagen wollte, wurde sehr wütend.“
  • Dativisch: Subjekt – Adverb – dir. Objekt – Prädikat:
„der Hund, dem er gestern etwas zu essen gegeben hat, kam heute wieder.“
  • Akkusativisch: Subjekt – Adverb – indir. Objekt – Prädikat:
„der Vogel, den die Katze auf dem Baum fangen wollte, flog davon.“

Bildet ein Verb mit trennbarer Vorsilbe alleine das Prädikat, so tritt die Vorsilbe ganz an das Ende des Satzes:

  • „Gestern machten sie zu Ehren des Bürgermeisters ein Fass auf.“
Mit Hilfsverben: Gestern haben sie zu Ehren des Bürgermeisters ein Fass aufgemacht.

Abtönungspartikeln/Modalpartikeln

Charakteristisch für die deutsche Sprache sind Abtönungspartikeln (manchmal auch ‚Modalpartikeln‘ genannt) wie zum Beispiel aber, auch, denn, doch, eben, eh, etwa, halt, ja, mal. Sie haben keine selbstständige lexikalische Bedeutung, sondern qualifizieren die Bedeutung der Äußerung, in der sie vorkommen. Ihre Funktion ist nur schwer zu beschreiben. Sie wurden früher als überflüssig betrachtet und daher als Füllwörter bezeichnet. In der Regel kommen die Ausdrucksformen auch in anderen Wortklassen vor (z. B. ‚denn‘ als Konjunktor). Die meisten Sprachen haben keine direkten Äquivalente (z. B. Englisch), man findet Abtönungspartikeln schon im Gotischen, im Altgriechischen, Schwedischen, Niederländischen – vor allem also in germanischen Sprachen.

  • „Da hast du aber Glück gehabt.“
  • „Das ist ja gut.“
  • „Das kann doch nicht wahr sein!“
  • „Was machst du eigentlich gerade?“
  • „Ich habe den Zug gerade noch mal eben so erwischt.“
  • „Du willst doch nicht noch etwa ein Stück Kuchen!“

Geschichte der Deutschen Grammatik

Deutsche Grammatiken werden seit beinahe einem halben Jahrtausend verfasst. Zu den historisch wichtigeren Meilensteinen zählen die folgenden:

  • Valentin Ickelsamer (1534): Teutsche Grammatica. Augsburg.
  • Johannes Clajus (1578): Grammatica Germanicae Linguae
  • Justus Georg Schottelius (1663): Ausführliche Arbeit von der teutschen Haubtsprache, Braunschweig (Digitalisat; Nachdruck: Tübingen 1967)
  • Johann Christoph Gottsched (1762): Vollständigere und Neuerläuterte Deutsche Sprachkunst. Nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und itzigen Jahrhunderts abgefasset und bey dieser fünften Auflage merklich verbessert. Leipzig
  • Johann Christoph Adelung (1782): Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen. 1. Bd. Leipzig.
  • Jakob Grimm (1819-1837): Deutsche Grammatik, Göttingen, 4 Bde.
  • Otto Behaghel (1923-1932): Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung, Heidelberg, 4 Bde.
  • Hans Glinz (1952): Die innere Form des Deutschen: Eine neue deutsche Grammatik. Bern: Francke (= Bibliotheca Germanica)
  • Autorenkollektiv unter der Leitung von Karl Erich Heidolph, Walter Flämig und Wolfgang Motsch (1981): Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin: Akademie-Verlag.
  • Gisela Zifonun, Ludger Hoffmann, Bruno Strecker et al. (Mannheimer Institut für deutsche Sprache) (1997): Grammatik der deutschen Sprache, Berlin - New York: Walter de Gruyter[2]

Als lebende Sprache ist die Grammatik des Deutschen diversen Veränderungen unterworfen. Zurzeit ist z. B. eine Tendenz zu beobachten, dass der Genitiv durch den Dativ ersetzt wird („wegen dem Regen“; klassisch: „wegen des Regens“). Auch lässt sich feststellen, dass in der gesprochenen Sprache die Konjunktion „weil“ in letzter Zeit einen Hauptsatz anstelle eines Nebensatzes einleitet („Sie hat einen Pullover angezogen, weil es draußen kalt ist.“ vs. „Sie hat einen Pullover angezogen, weil: es ist draußen kalt.“)

Literatur

Moderne Grammatiken

  • O. Behaghel: Deutsche Syntax. Bd. I-IV, Winter, Heidelberg 1928.
  • H. Brinkmann: Die Deutsche Sprache. Schwann, Düsseldorf, 1962
  • G. Drosdowski et al. (Hrsg.): Duden Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Dudenverlag, Mannheim 1986.
  • P. Eisenberg: Das Wort (Bd. 1), Der Satz (Bd. 2) – Grundriß der deutschen Grammatik. Metzler, Stuttgart 2004.
  • U. Engel: Deutsche Grammatik. Groos, Heidelberg 1988.
  • Peter Gallmann, Horst Sitta: Deutsche Grammatik [nach neuer Rechtschreibung]. 4. Auflage. Lehrmittelverl. d. Kantons Zürich, Zürich 2004, ISBN 3-906718-54-9.
  • K. E. Heidolph, W. Flämig, W. Motsch u. a.: Grundzüge einer deutschen Grammatik. Akademie, Berlin 1981.
  • G. Helbig, J. Buscha: Deutsche Grammatik. 14. Auflage. Langenscheidt, Berlin 1991
  • E. Hentschel/H. Weydt: Handbuch der deutschen Grammatik. 3. Auflage. de Gruyter, Berlin/New York 2003.
  • H. J. Heringer: Lesen lehren lernen: Eine rezeptive Grammatik des Deutschen. Niemeyer, Tübingen 1988.
  • H. Paul: Deutsche Grammatik Bd. I-V, Niemeyer, Tübingen 1920.
  • H. Weinrich: Textgrammatik der deutschen Sprache. Dudenverlag, Mannheim 1993.
  • G. Zifonun, L. Hoffmann, B. Strecker et al.: Grammatik der deutschen Sprache. de Gruyter, Berlin/New York 1997.

Grammatikgeschichte

  • Werner Besch u. a. (Hrsg.): Sprachgeschichte: Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache. Walter de Gruyter 1998, ISBN 3-11-011257-4.
  • Andreas Gardt: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Walter de Gruyter 1999, ISBN 3-11-015788-8.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. H. Glück (ed.): Metzler Lexikon Sprache. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2005, S. 338.
  2. Vgl. die Rezension von Peter Gallmann

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