Neues Rathaus (München)

Neues Rathaus (München)
Das neue Rathaus
Das neue Rathaus
Rathaus bei Nacht
Rathaus Südfront

Das Neue Rathaus am Marienplatz in München ist Sitz des Oberbürgermeisters, des Stadtrates und Hauptsitz der Stadtverwaltung. Es wurde von 1867 bis 1909 in drei Bauabschnitten durch Georg von Hauberrisser im neugotischen Stil erbaut.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Lage des Neuen Rathauses direkt am Marienplatz

Aufgrund der Raumnot im Alten Rathaus und im Kleinen Rathaus am Petersbergl (1944 zerstört) wurde die Errichtung eines Neubaus beschlossen. In Erinnerung an die bürgerliche Hochblüte während der Gotik fiel die Wahl auf einen Entwurf im neugotischen Stil, wodurch ein eigenständiger architektonischer Akzent im Gegensatz zu den Bauten des Königshauses gesetzt wurde.

Als Bauplatz wurde die Nordseite des Marienplatzes gewählt, wo noch die Landschaftshäuser standen, die im ausgehenden Mittelalter als eine Art Vertretung der Landschaften gegenüber dem bayerischen Herzog bzw. Kurfürsten errichtet worden waren.

Der erste Bauabschnitt im Ostteil, Marienplatz, Ecke Dienerstraße, war das Ergebnis eines Ideenwettbewerbes, den Georg von Hauberrisser gewann und 1867–1874 ausführte. Als deutlich wurde, dass dieser Neubau nicht ausreichen würde, die gesamte Verwaltung aufzunehmen, wurde die gesamte Fläche zwischen Marienplatz und Landschaftsstraße einerseits und zwischen Weinstraße und Dienerstraße andererseits für den Neubau herangezogen. 1888 bis 1893 entstand der Bauabschnitt Dienerstraße/Ecke Landschaftsstraße, 1899 bis 1903 Ergänzungsfassaden an der Landschaftsstraße, Weinstraße und Marienplatz. Vorbilder hierfür waren das Rathaus in Brüssel sowie das Neue Rathaus in Wien.

1944 bei Bombenangriffen leicht beschädigt, wurde das Neue Rathaus nach dem Krieg umgebaut. Die Bauabschnitte am Marienplatz erhielten ein zusätzliches Stockwerk, das sich hinter der neugotischen Balustrade versteckt, so dass der alte Eindruck erhalten blieb. Die Fassade an der Landschaftsstraße wurde sehr vereinfacht wiederhergestellt. Ende der 1990er Jahre wurde das Neue Rathaus generalsaniert und in Details wieder rekonstruiert, so zum Beispiel das neugotische Ziergeschmiede, welches das Dach krönt.

Aufbau

Das neue Rathaus und die Mariensäule auf dem Marienplatz

Der Komplex aus Back- und Muschelkalkhaustein besitzt sechs Innenhöfe. Auf einer Grundstücksfläche von 9159 m² sind 7115 m² überbaut. Die fast 100 m lange Hauptfassade zum Marienplatz hin ist reich geschmückt. Sie zeigt den Welfenherzog Heinrich den Löwen und fast die gesamte Linie des Wittelsbacher Herrscherhauses in Bayern und ist der umfangreichste Fürstenzyklus an einem deutschen Rathaus. Als zentrales Denkmal in der Mitte der Hauptfassade zwischen beiden Bauabschnitten am Marienplatz oberhalb des Wachenhauses ist ein Reiterstandbild des Prinzregenten Luitpold zu sehen. An der Hauptfassade am Marienplatz und an der in der Weinstraße sind Münchner Originale, neugotische Wasserspeier in Form von Fratzen und Masken, allegorische Bilder, Themen aus dem Leben von Heiligen und volkstümliche Sagengestalten zu entdecken. Die Ecke Marienplatz/Weinstraße wird Wurmeck, die Ecke Weinstraße/Landschaftsstraße Kleubereck genannt.

Der 85 m hohe Rathausturm mit dem Münchner Kindl an der Turmspitze enthält das fünftgrößte Glockenspiel Europas. Es ertönte erstmals im Jahr 1908. Die 43 Glocken der mechanischen Uhr spielen nacheinander vier verschiedene Melodien, zu denen insgesamt 32 Figuren den Schäfflertanz und ein Ritterturnier bei der Hochzeit des bayerischen Herzogs Wilhelm V. mit Renata von Lothringen im Jahr 1568 darstellen. Die Melodien werden im Laufe des Jahres gewechselt. Es kommen sechs verschiedene Kombinationen von jeweils vier Liedern zum Einsatz. In den Erkern des siebten Turmgeschosses erscheint ein Münchner Nachtwächter, der auf seinen Horn bläst, sowie ein Engel, der das Münchner Kindl segnet. Das Rathaus verfügt über 400 Zimmer. Der Keller ist fast komplett als Gaststätte ausgebaut: Der Ratskeller.

Eingang zum Ratskeller, einem großen Speise- und Weinlokal (Innenhof)

Funktionen

Das Neue Rathaus ist Sitz des Oberbürgermeisters und des Stadtrates, der hier seinen Sitzungssaal hat. Gleichzeitig sind die Ratsfraktionen und kleine Teile der Stadtverwaltung im Neuen Rathaus untergebracht. Seit seiner Übergabe ist die Juristische Abteilung der Münchner Stadtbibliothek in einem neugotischen Bibliothekssaal untergebracht.

Im Neuen Rathaus und auf dem Marienplatz finden in der Regel auch die Empfänge und Ehrungen für erfolgreiche Münchner Sportler und Mannschaften statt. Dabei gilt es als eine besondere Ehre, sich vom Balkon des Amtszimmers des Oberbürgermeisters, der sich im Rathausturm unterhalb des Glockenspiels befindet, den wartenden Münchnern zu zeigen.

Der Rathausturm besitzt auch eine Aussichtsgalerie an der Spitze, die mit einem Lift erreicht werden kann.

Glockenspiel und Nachtwächter mit Engel

Das Glockenspiel am Münchner Neuen Rathaus

Das Glockenspiel mit 43 Glocken, deren Anschlag nach Jahreszeit wechselnd von sechs verschiedenen Walzen ausgelöst wird, ertönt täglich um 11, um 12 und um 17 Uhr (von November bis Februar entfällt der 17-Uhr-Termin). Das eigentliche Spielwerk befindet sich unter dem Turmhelm und ist auch individuell spielbar. Die kleinste der Glocken wiegt 10 kg und hat einen Durchmesser von 18 cm, die größte wiegt 1300 kg mit 125 cm Durchmesser, insgesamt wiegen die Glocken 7000 kg.

Der Spielerker, in dem sich das Glockenspiel befindet, ist in Kupfer getrieben. Die 32 Spielfiguren beziehen sich auf Motive aus der Geschichte und Sage Münchens. Im oberen Teil des Erkers ist ein "Turnier" dargestellt, das zur Vermählung des Herzogs Wilhelms V. mit Renata von Lothringen 1568 auf dem Marienplatz abgehalten wurde. In der unteren Etage wird der Schäfflertanz gezeigt, dessen Entstehung auf die Pestjahre 1515–1517 zurückgeht.

Zwei kurze Ausschnitte des Glockenspiels

Daneben gibt es noch eine zweiminütige Variante am späten Abend um 21 Uhr, dann erleuchten Scheinwerfer den Erker. Von der linken Seite tritt der Nachtwächter hervor und dreht seine Runde; er trägt eine Hellebarde, ein Horn und eine Lampe, sein Hund folgt ihm. Das Vorbild für den Nachtwächter findet sich in Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg". Nach kurzer Pause erklingt das "Wiegenlied" von Johannes Brahms. Vom rechten Erkerturm marschiert nun das Münchner Kindl nach links, gefolgt vom Friedensengel. Wenn beide auf der anderen Seite angelangt sind, erlischt das Licht und München taucht in die Nacht.

Die kinematische Anordnung entwickelte 1899 der Erfinder des Viertaktmotors Christian Reithmann .

Die Idee ein Glockenspiel in den Turm des Neuen Rathauses zu integrieren, geht auf Georg von Hauberrisser zurück. Die Kosten waren erheblich. Alleine die Glocken schlugen mit 154.000 Goldmark zu Buch, zu denen der Münchner Möbel- und Antiquitätenhändler Kommerzienrat Karl Rosipal 1904 mit einer Spende von 32.000 Mark beitrug. Diese Spende hatte noch ein eigentümliches Nachspiel: der 1924 verstorbene Karl Rosipal war jüdischer Herkunft. 1933/34 wurde seiner Familie die Spende zurückerstattet, da man vermutlich eine jüdische Beteiligung an einem urdeutschen Glockenspiel zu jener Zeit nicht mehr wünschte.[1][2] 1908 war das Glockenspiel fertiggestellt, wurde aber erst am 18. Februar 1909 offiziell in Betrieb genommen, da man zunächst unzufrieden mit dem Klang der Glocken war. Seitdem zeigten sich täglich um 11 Uhr die Figuren und das Glockenspiel ertönt. Die Termine um 12 und 17 Uhr gibt es erst seit einigen Jahren. Zwischen 1944 und 1952 war nur ein eingeschränkter Betrieb möglich, da das Glockenspiel im Krieg zwar nicht zerstört worden war, aber doch erhebliche Reparaturen notwendig wurden.[3]
Im Zuge der Instandsetzung der Turmfassade hat man 2006 sämtliche Glocken ausgebaut, gereinigt und aufgearbeitet. Der Glockenstuhl erhielt eine Aufhängung aus Edelstahl, zudem wurden Federn, Züge und andere wichtige Teile erneuert. Die Glocken wurden anläßlich des 850. "Geburtstages" der Stadt München im Jahre 2008 klanglich überarbeitet und gestimmt.

Ratskeller

Der Ratskeller wurde von dem aus Biebrich am Rhein stammenden Maler Heinrich Schlitt ausgemalt.

Literatur

  • Klaus Gallas: München. Von der welfischen Gründung Heinrichs des Löwen bis zur Gegenwart: Kunst, Kultur, Geschichte. DuMont, Köln 1979, ISBN 3-7701-1094-3 (DuMont-Dokumente: DuMont-Kunst-Reiseführer).
  • Brigitte Huber: Das Neue Rathaus in München. Georg von Hauberrisser (1841-1922) und sein Hauptwerk. Dölling u. Galitz, Ebenhausen b. München 2006, ISBN 3-937904-24-7.

Weblinks

 Commons: Neues Rathaus (München) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lea Rosh Rede bei Chaverim e.V. in München am 13. November 2007 [1]
  2. Max Joseph Hufnagel: Berühmte Tote im Südlichen Friedhof zu München. Zeke, Würzburg 1983
  3. Wie die Münchner zu ihrem „Bimmelbammel“ kamen - Artikel von OSS in Die Welt Online vom 22. August 2001 (abgerufen am 21. Februar 2010)
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