Netzspannung

Netzspannung
Versorgung mit Drehstrom (ohne symmetrische Verbraucher wie zum Beispiel Drehstrommotoren)

Als Netzspannung bezeichnet man die von den Energieversorgern in den Stromnetzen bereitgestellte elektrische Spannung, die zur Übertragung elektrischer Leistung eingesetzt wird. Neben der Spannung der Hoch- und Mittelspannungsnetze wird unter Netzspannung häufig die Höhe der einphasigen Wechselspannung in den Niederspannungsnetzen verstanden.

Inhaltsverzeichnis

Kenndaten

In Dreiphasensystemen, wie sie in Europa und vielen anderen Gebieten der Erde üblich sind, beträgt der Effektivwert der sinusförmigen Netzwechselspannung 230 V zwischen den Außenleitern zum Neutralleiter und ca. 400 Volt zwischen zwei Außenleitern bei einer Netzfrequenz von 50 Hz.

Verteilung

Europa

An die Abnehmer im Niederspannungsnetz wird die Netzspannung meist mit folgenden Konfigurationen in TN-Systemen verteilt:

  • den drei Außenleitern (Phasen) (L1, L2 und L3),
  • einem Neutralleiter (N) und
  • einem Schutzleiter (PE)

oder

  • den drei Außenleitern (Phasen) (L1, L2 und L3) und
  • einem PEN-Leiter. Bei diesem sind Neutralleiter und Schutzleiter in einem einzigen Leiter kombiniert.

Größere Abnehmer wie beispielsweise Industriebetriebe oder Krankenhäuser werden üblicherweise direkt mit dem Mittelspannungsnetz mit Spannungen von 10 kV oder 20 kV über eine oder mehrere betriebseigene Transformatorenstationen angeschlossen.

In Europa, den meisten Staaten Afrikas und Asiens, sowie in Neuseeland beträgt die Netzspannung 230 V +/-10%. Das Stromnetz in Japan ist in zwei Teile geteilt, es kommt als Netzfrequenz sowohl 50 Hz als auch 60 Hz vor und mit 100 V die niedrigste Netzspannung.

Amerika

In Kanada, den USA, Mexiko und einigen nördlichen Staaten Südamerikas beträgt der Nennwert der Netzwechselspannung 120 V. Für größere Verbraucher wie Klimaanlagen ist auch die doppelte Netzspannung von 240 V gebräuchlich. Die Netzfrequenz beträgt 60 Hz. Die Niederspannungsnetze sind in jenen Ländern als Einphasen-Dreileiternetz realisiert, ein Dreiphasenwechselstrom ist für kleinere Abnehmer oft nicht verfügbar.

In Brasilien werden je nach Region 110 V, 127 V oder 220 V angeboten, jeweils mit 60 Hz. Die südlichen Länder Chile, Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay verfügen über 220 V bei 50 Hz. Eine weitere Darstellung nach Ländern findet sich unter Länderübersicht Steckertypen, Netzspannungen und -frequenzen.

Normung

Bis 1987 betrug die Netzspannung in weiten Teilen Europas, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 220 V mit einer Toleranz von ±10 %, im Vereinigten Königreich 240 V. Die seither in Europa gültige Spannung von 230 V wurde in der internationalen Norm IEC 60038:1983 als Standardspannung festgelegt.

Ab 1987 erfolgte zunächst eine Umstellung in mehreren Abstufungen auf 230 V +6 % und -10 %. Seit 2009 darf die Netzspannung von 230 V um ±10 % abweichen, damit sind 207 Volt bis 253 Volt erlaubt.[1][2][3]

Für 220 Volt spezifizierte elektrische Verbraucher konnten bei der Berücksichtigung der von 1987 bis 2009 gültigen Toleranzen auch mit 230 V (+6 %, -10 %) betrieben werden, ohne die Toleranzbedingungen ernsthaft zu verletzen: Die maximale Spannung war bei 220 V 242 V, bei 230 Volt 243,8 Volt.[2]. Seit 2009 gilt dies nicht mehr, da die maximale Spannung nun 253 V beträgt.

Bei der minimalen Spannung wurde und wird das Toleranzband nicht verletzt: Während früher 198 Volt zulässig waren, sind es jetzt mindestens 207 Volt. Die Unterschreitung dieser Grenze um 1,8 Volt oder 0,7 % ist unkritisch.

Die Erhöhung der Spannung um etwa 5 % führt zu einer Erhöhung der Leistung bei vielen Geräten. Bei Geräten, deren Funktion auf dem Ohmschen Widerstand beruht, z. B. Heizlüfter oder Wasserkocher, steigt der Verbrauch quadratisch im Verhältnis zum Spannungsanstieg, also um etwa 10 %. In vielen Fällen bleibt die zu bezahlende Energiemenge in etwa gleich, da beispielsweise ein Wasserkocher aufgrund der höheren Leistung die gegebene Wassermenge etwas schneller aufwärmt und frühzeitiger abschaltet.

Bei Glühlampen ist diese Erhöhung auf Grund der üblichen Kaltleiter-Charakteristik der Glühfäden etwas geringer. Höhere Spannung bedeutet aber auch niedrigere Energieverluste auf den Leitungen, wenn die gleiche Leistung übertragen wird. Bei Glühlampen kommt es über eine höhere Glühfadentemperatur jedoch zu einer Verkürzung der (statistisch wahrscheinlichen) Betriebsdauer.

Störung der Netzspannung

Der sinusförmige Verlauf der Netzspannung wird zunehmend durch nichtlineare Verbraucher gestört. Dazu zählen Gasentladungslampen, Gleichrichter, Dimmer (Thyristor- und Triac-Steller), Frequenzumrichter, Kompaktleuchtstofflampen und Schaltnetzteile ohne Power-Faktor-Korrektur (PFC).

Auch Asynchronmotoren verursachen Netzverunreinigungen – das sogenannte Nutenpfeifen. Es entsteht durch die Unterteilung des Käfigläufers und die dadurch hervorgerufene, ins Netz zurückgespeiste Wechselspannung mit höherer, drehzahlabhängiger Frequenz.

Die Netzfrequenz wird heute entsprechend den Anforderungen des Europäischen Verbundnetzes sehr genau eingehalten, so dass man sie als Referenzwert, zum Beispiel zur Steuerung von elektrischen Uhren, verwenden kann.

Schutz gegen Berührung

Die Berührung von Netzspannung führenden Leitern kann lebensgefährlich sein. Die Netzspannung liegt oberhalb der Schutzkleinspannung beziehungsweise Sicherheitskleinspannung. Aus diesem Grund müssen sowohl für die Versorgungsleitungen als auch für die mit Netzspannung betriebenen Geräte Schutzmaßnahmen gegen den elektrischen Schlag bei Berührung spannungsführender Leitungen getroffen werden.

Dazu gehören Schutzisolation, Schutzerdung und Schutztrennung, die verhindern, dass berührbare leitfähige Teile (z. B. Gehäuse) bei einem Defekt gefährliche Spannungen annehmen.

Steckdosen müssen gegen Berührung der spannungsführenden Teile gesichert sein. Zum Schutz von Kindern gibt es zusätzlich Kindersicherungen, die ein Einführen von Gegenständen in die Öffnungen von Steckdosen verhindern sollen.

Spannungen in Hochspannungsnetzen

Auch in Hochspannungsnetzen werden fast immer genormte Spannungen verwendet. So werden im Höchstspannungsnetz in Europa überwiegend die Spannungen 220 kV (Kilovolt) und 380 kV verwendet. Das Hochspannungsnetz wird im Regelfall mit 110 kV betrieben, allerdings findet man, insbesondere in Großstädten mit älteren Kabelsystemen auch ein 60-kV-Netz vor.

In anderen Gebieten, sind zum Teil andere Spannungsebenen üblich: So existieren in Russland Höchstspannungsnetze mit 1150 kV, 750 kV, 500 kV und 330 kV, während die Spannungen in den Höchstspannungsnetzen in den USA 765 kV, in Kanada 735 kV, 500 kV und 345 kV betragen. Für Hochspannungsnetze ist in den USA der Wert 132 kV üblich.

Im Mittelspannungsnetz sind neben 20 kV vor allem in städtischen Gebieten wegen der dort älteren Kabelsysteme auch 10 kV üblich. Bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung gibt es keine normierten Spannungen.

In Bahnstrom-Speisenetzen beträgt die Normspannung in Deutschland und Österreich 110 kV, in der Schweiz 66 kV und 132 kV.

Bahnstrom

Im Bahnbetrieb selbst (Oberleitungen) haben sich zahlreiche Spannungen durchgesetzt. Bei Vollbahnen dominieren die folgenden fünf Systeme (siehe dazu Liste der Bahnstromsysteme):

  • Einphasenwechselspannung 50 Hz, 25 kV
  • Einphasenwechselspannung 60 Hz, 25 kV
  • Einphasenwechselspannung 16,7 Hz, 15 kV (u. A. in Deutschland, Österreich, Schweiz; bis 1995 16⅔ Hz)
  • Gleichspannung, 3 kV
  • Gleichspannung, 1,5 kV

Bei U- und Straßenbahnen ist die Spannung nicht genormt. In Deutschland und Österreich wird hier meist Gleichspannung von 500 V bis 750 V verwendet.

Weblinks

Siehe auch

Quellenangaben

  1. Spannungstoleranzen in der Energieversorgung Dipl.-Ing. Thomas Flügel am Universitätsklinikum Charité, Bereich VII C 1 Elektrotechnik, eingesehen am 7. Dezember 2006.
  2. a b Versorgungsqualität, Vattenfall, eingesehen am 7. Dezember 2006.
  3. Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte. Diese Richtlinie erklärte auch Elektrizität zu einem Produkt, für dessen Fehler der Erzeuger haftbar gemacht werden kann (→ Produkthaftungsgesetz).

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