Nationalliberale

Nationalliberale

Nationalliberalismus bezeichnet eine politische Haltung, die sich im 19. Jahrhundert im Streben nach individueller Freiheit (Liberalismus) und nationaler Souveränität bildete.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Deutschland

Der politische Ursprung des deutschen Nationalliberalismus geht auf die Folgen des Wiener Kongresses von 1815 zurück. Dort wurde als Nachfolger des Heiligen Römischen Reiches mit dem Deutschen Bund ein System von nur lose miteinander verbundenen unabhängigen Staaten geschaffen, was von vielen Zeitgenossen, die vor dem Hintergrund der Befreiungskriege eine nationalstaatliche Lösung erwartet hatten, als unbefriedigend empfundene Aufteilung Deutschlands wahrgenommen wurde. Gleichzeitig beherrschte die Forderung nach der Gewährung von Bürgerrechten die politische Debatte. Die von der Französischen Revolution beeinflussten, Anfang des 19. Jahrhunderts in einigen deutschen Staaten eingeführten Bürgerrechte waren in den Jahren zwischen 1819 und 1830 durch die Karlsbader Beschlüsse und weitere restaurative Maßnahmen beschnitten worden.

Die Forderungen nach Bürgerrechten und einem deutschen Nationalstaat wurden von oppositionellen Politikern in ganz Deutschland parallel vertreten und verbanden sich im Kampf gegen die antiliberalen Fürsten der deutschen Staaten miteinander. Frühe Höhepunkte dieser politischen Strömung waren beispielsweise das von Burschenschaften veranstaltete Wartburgfest 1817 und das Hambacher Fest 1832.

Im Zuge der Märzrevolution machten sich die bürgerlich-liberalen Kräfte zusammen mit der radikaldemokratischen Bewegung in der Frankfurter Nationalversammlung an die Umsetzung der beiden Forderungen, scheiterten jedoch letztlich an der gleichzeitigen Umsetzung eines zu definierenden deutschen Nationalstaats und bürgerlicher Freiheiten vor allem an preußischem Widerstand. Gleichzeitig bot Preußen mit der von Joseph von Radowitz konzipierten Unionspolitik eine konservativere Alternative zum deutschen Nationalstaat. Führende Vertreter der rechtsliberalen Casino-Fraktion rückten anschließend näher an die preußische Vorstellung der deutschen Einheit und bildeten eine konservativere Denkrichtung des Liberalismus aus.

Nachdem Preußen 1866 im Preußisch-Österreichischen Krieg die Hegemonie über Deutschland errungen hatte und die Schaffung des erhofften Nationalstaats in einer kleindeutschen Lösung nur noch eine Frage der Zeit war, gründete sich 1867 im Norddeutschen Bund die Nationalliberale Partei. Sie begrüßte das von Bismarck geschaffene Kaiserreich, wollte jedoch dessen monarchisch-konservative Grundausrichtung liberal umformen. Sie bildete zwei Jahrzehnte lang die stärkste politische Kraft in Deutschland. Permanent umstritten war dabei jeweils die Frage nach der Priorität der Nation gegenüber der Freiheit und umgekehrt. Daher wurde der Nationalliberalismus immer wieder von internen Kämpfen und Abspaltungen heimgesucht.

Nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches schlossen sich 1918 der von Gustav Stresemann geführte rechte Flügel der ehemaligen Nationalliberalen Partei und ein Teil der früheren Fortschrittlichen Volkspartei im Dezember 1918 zur Deutschen Volkspartei (DVP) zusammen. 1933 war mit dem Ende der DVP jedoch die parteibildende Kraft des Nationalliberalismus aufgezehrt.

1979 gründete Alexander von Stahl gemeinsam mit Hermann Oxfort die Liberale Gesellschaft, die sich eine rechtsliberale Erneuerung der FDP zum Ziel setzte. In den 1990er Jahren versuchte er mit Klaus Rainer Röhl die nationalliberale Tradition der Partei wieder zu beleben. Mit Achim Rohde und Heiner Kappel gründete er 1995 die Liberale Offensive in der FDP. Das Projekt scheiterte allerdings und von Stahl zog sich aus der Politik zurück.

Österreich

Anders als in Deutschland entwickelten sich im kaiserlichen Österreich nur spärlich liberale Parteien, einzig die Deutschliberale Partei konnte sich Mitte des 19. Jahrhunderts als nationalliberale Kraft etablieren. Der andauernden Kampf gegen den Katholizismus und den slawischen Bevölkerungsgruppen, sowie der Gründerkrach führten zum Niedergang der Partei, die sich schließlich in mehrere deutschfreiheitliche und deutschnationale Parteien und Gruppierungen aufsplitterte. In der 1. Republik spielte dann der Liberalismus nur mehr eine Randerscheinung und wurde zwischen den christlichsozialen und sozialdemokratischen Blöcken aufgerieben.

Prominente Vertreter

Führende Vertreter der Nationalliberalen waren Rudolf von Bennigsen, Johannes von Miquel, Ludwig Bamberger, Eduard Lasker, Friedrich Hammacher, Gustav Haarmann und Arthur Johnson Hobrecht im 19. Jahrhundert, Ernst Bassermann, Robert Friedberg, Gustav Stresemann und Alexander von Stahl im 20. Jahrhundert.

Literatur

  • Konstantin Frantz: „Die Religion des Nationalliberalismus“. 1970, ISBN 978-3511005016
  • Gerhard Gitzler: „Der Nationalliberalismus in seiner Epoche: Rudolf von Bennigsen: Gedenkschrift anlässlich der Gründung der Rudolf von Bennigsen-Stiftung“. Nomos Verlag, 1981, ISBN 978-3789007354
  • Yael Tamir: Liberal Nationalism. Princeton, New Jersey: Princeton University Press 1993, ISBN 069100174X
  • Eberhard Kolb / Ludwig Richter: „Nationalliberalismus in der Weimarer Republik“. Droste Verlag, 1999, ISBN 978-3-7700-5219-6

Einzelnachweise

  1. Lothar Gall und Dieter Langewiesche - Liberalismus und Region, S. 4 - 10, München 1995

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nationalliberale Partei — Nationalliberale Partei, politische Partei in Deutschland, ging aus der preußischen Fortschrittspartei nach dem großen Umschwung 1866 hervor und bildete sich unter Laskers und Twestens Führung im August 1866 aus den Männern, die, ohne ihre… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Nationalliberale Partei — Nationalliberale Partei,   aus der Deutschen Fortschrittspartei zunächst als »neue Fraktion der nationalen Partei« (17. 11. 1866 hervorgegangene politische Gruppierung, die sich im Februar/März 1867 im Norddeutschen Reichstag als »Fraktion der… …   Universal-Lexikon

  • Nationalliberale Korrespondenz — Nationalliberale Korrespondenz, täglich in Berlin seit 1874 erscheinende, den Zeitungen zugehende Korrespondenz, das Zentralorgan der nationalliberalen Partei. Herausgeber ist Rudolf Grosse …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Nationalliberale Partei — Nationalliberale Partei, polit. Partei in Deutschland seit 1866, als zahlreichste Partei im Reichstag ausschlaggebend bis zum Umschwung in der Wirtschaftspolitik, infolgedessen 1880 die Sezessionisten ausschieden, zählt (1903) im Reichstage 47,… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Nationalliberale Partei — Die Nationalliberale Partei war eine politische Partei im Deutschen Reich. Sie wurde 1867 gegründet und bestand bis 1918. Friedrich Hammacher, Mitglied der ersten Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus Die Nationalliberale Partei ging 1866 aus… …   Deutsch Wikipedia

  • Nationalliberale Reichspartei — Die Nationalliberale Reichspartei (NLRP) war eine Gruppierung, die im Juni 1924 gegründet wurde, um die Kräfte der Deutschen Volkspartei (DVP) mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zusammenzuführen. Inhaltsverzeichnis 1 Opposition in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Nationalliberale Aktion — Die Nationalliberale Aktion (NLA) war eine nationalliberale Splitterpartei. Sie bildete sich aus dem „Hohensyburger Kreis“, in dem sich FDP Mitglieder des rechten Flügels sammelten. Sie lehnten die sozialliberale Koalition (von SPD und FDP) ab,… …   Deutsch Wikipedia

  • De Nationalliberale — Orla Lehmann (1810 1870) Ditlev Gothar …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Mitglieder des Zollparlaments — Die Liste der Mitglieder des Zollparlaments enthält die Abgeordneten, die zwischen 1868 und 1870 dem Zollparlament angehörten. Das Zollparlament war das Parlament des Deutschen Zollvereins. Es wurde gebildet, indem zu den bereits im Jahre 1867… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Abgeordneten des ersten ordentlichen Reichstags des Norddeutschen Bundes — Die Liste der Abgeordneten des ersten ordentlichen Reichstags des Norddeutschen Bundes enthält alle Abgeordneten, die dem ersten ordentlichen Reichstag des Norddeutschen Bundes angehörten. Wahl und Legislaturperiode Die Wahl zum ersten… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”