Narziss

Narziss
Narziss
(Wandmalerei, Pompeji, um 70 n. Chr.)
Echo und Narziss
(John William Waterhouse, 1903, Walker Art Gallery, Liverpool)
Narziss
(Benczúr Gyula, 1881, Ungarische Nationalgalerie, Budapest)

Narziss (griechisch Νάρκισσος, lat. Narcissus) ist in der griechischen Mythologie der schöne Sohn des Flussgottes Kephissos und der Leiriope[1], der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte.

Inhaltsverzeichnis

Mythos

In Thespiai hatte der Flussgott Kephisos die Wassernymphe Leiriope mit seinen Mäandern umschlungen und dann geschwängert, worauf Narkissos geboren wurde, dem der Seher Teiresias nur dann ein langes Leben voraussagte, sollte er sich nicht selbst erkennen („si se non noverit“[2]).

Er wurde von Jünglingen und Mädchen gleichermaßen umworben, war aber von trotzigem Stolz auf seine eigene Schönheit erfüllt und wies all seine Verehrer und Verehrerinnen herzlos zurück. Diese Kränkung widerfuhr auch der Bergnymphe Echo und dem aufdringlichen Bewerber Ameinios, dem Narkissos ein Schwert zukommen ließ. Zwar brachte sich Ameinios noch auf der Türschwelle mit dem erhaltenen Schwert um, nicht aber ohne zuvor die Götter anzurufen, seinen Tod zu rächen. Nemesis (nach anderen Quellen Artemis) hörte die Bitte und strafte Narzissos mit unstillbarer Selbstliebe: Als er sich in der unberührten Natur bei einer Wasserquelle niederließ, verliebte er sich in sein eigenes Spiegelbild.

Ovid erzählt weiter: Narkissos erkannte die Unerfüllbarkeit seiner Liebe und stieß sich unter Wehklagen den Dolch in seine Brust, worauf Echo zurückhallte: „Wehe, wehe!“; und im Sterben sprach er noch: „Ach, umsonst geliebter Knab′. Leb′ wohl!“ „Leb′ wohl, leb′ wohl“, antworte ihm Echo. Sein Blut tränkte die Erde. Ihr entsprang eine Narzisse.[3]

Pausanias überliefert: Eines Tages setzte sich Narkissos an den See, um sich seines Spiegelbildes zu erfreuen, woraufhin durch göttliche Fügung ein Blatt ins Wasser fiel und so durch die erzeugten Wellen sein Spiegelbild trübte – schockiert von der vermeintlichen Erkenntnis, er sei hässlich, starb er. Nach seinem Tode wurde er in eine Narzisse verwandelt.[4]

Eine weitere Version berichtet: Narziss verliebt sich in sein Spiegelbild – nicht erkennend, dass es sein eigenes ist, will er sich mit diesem Spiegelbild vereinigen und ertrinkt.

Darstellung in der Kunst

Narziss war schon in der Antike ein beliebter Gegenstand der bildenden Kunst. So finden sich Darstellungen des Narcissus auf geschnittenen Steinen, späten Reliefs und besonders auf Sarkophagen. Am bekanntesten sind die etwa fünfzig Wandgemälde mit Darstellungen des Narziss, die in Pompeji gefunden wurden. Sie zeigen ihn in verschiedenen Variationen als Jäger am Wasser sitzend und sein Spiegelbild (nicht immer mit dargestellt) betrachtend.

An der Wende zum 20. Jahrhundert wird Narziss vor allem bei den französischen Schriftstellern André Gide (Traktat vom Narziß) und Paul Valéry (Narziss spricht) zur Personifikation einer rein selbstbezüglichen Dichtung, wie sie in der Moderne oft intendiert wird.

Eine neue Theorie zur Herkunft

Aufgrund unveröffentlichter Inschriften aus Eretria auf Euböa und bisher vernachlässigter Indizien vermutet der Althistoriker Denis Knoepfler neuerdings, dass der Ursprung des Mythos von Narkissos nicht in Böotien, sondern im Heiligtum des Narkittos in Amarynthos bei Eretria anzusiedeln sei. Dabei handele es sich nicht, wie die hellenistisch-römischen Quellen glauben machen, um einen liebenswerten jungen Mann, sondern um eine mächtige Naturgottheit, die eine Entsprechung in Hyakinthos habe, der in Amyklai und im lakedämonischen Einflussgebiet verehrt wurde.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Gereon Becht-Jördens, Peter M. Wehmeier: Vom Kunstobjekt zum lebendigen Menschen. Ovid über Möglichkeiten und Grenzen der Kunst. In: Hans Förstl u. a. (Hrsg.): Metamorphosen (Schriftenreihe der deutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks e. V 25). Edition GIB, Berlin 2006, S. 37-45 ISBN 978-3-00-019592-1
  • Jan Bremmer: Narcissos. In: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 8, Metzler, Stuttgart Weimar 2000, Sp. 712f.
  • Mirko Gemmel: Überlegungen zum Spiegelmotiv im Narziss-Mythos In: Kritische Berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaft Jonas, Marburg 2004, 2, S. 67-75 ISSN 0340-7403 (Spiegel und Spiegelungen)
  • Rudolf Hadorn: Narziß. Der Mythos als Metapher von Ovid bis heute Ploetz, Freiburg Würzburg 1984. ISBN 3-87640-319-7
  • Ursula Orlowsky, Rebekka, Orlowsky: Narziß und Narzißmus im Spiegel von Literatur, Bildender Kunst und Psychoanalyse. Vom Mythos zur leeren Selbstinszenierung. Fink, München 1992 ISBN 3-7705-2738-0
  • Almut-Barbara Renger Hg.: Mythos Narziß. Texte von Ovid bis Jacques Lacan. Reclam, Leipzig 1999 ISBN 3-379-01661-6 Inhaltsverzeichnis
  • dies.: Hg. & Vorwort Narcissus – „Selbsterkenntnis“ und „Liebe als Passion“. Gedankengänge zu einem Mythos. In Narcissus. Ein Mythos von der Antike bis zum Cyberspace. Metzler, Stuttgart 2002, S. 1 – 11
  • Joachim Ringleben: Woran stirbt Narziß? - Widerhall und Spiegelbild als tödlicher Schein : zum Liebestod von Echo und Narziß; (Ovid, Metam. III, 339 - 510). (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse 2004,10). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004
  • Winfried Schindler: Ovids Metamorphosen: Erkennungsmythen des Abendlandes - Europa und Narziss. Sonnenberg, Annweiler 2008 ISBN 3-933264-39-1 (mit ausführlicher Deutung des Caravaggio-Bilds, Abb. oben)

Einzelnachweise

  1. Hyginus, Fabulae 271; Ovid, Metamorphosen III. 343
  2. Ovid, Metamorphosen III. 408
  3. in Metamorphosen III. 402-510
  4. Pausanias, Beschreibung Griechenlands 9.31.7
  5. Denis Knoepfler: La Patrie de Narcisse. Un héros mythique enraciné dans le sol et dans l'histoire d'une cité grecque. Odile Jacob, Paris 2010, ISBN 978-2-7381-2500-2

Weblinks

 Commons: Narziss – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Narziss – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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